When the Mode of the Music Changes: Zur Zeitgeschichte von Musik, Revolte und Utopie dies- und jenseits des »Eisernen Vorhangs« 1956-1989

When the Mode of the Music Changes: Zur Zeitgeschichte von Musik, Revolte und Utopie dies- und jenseits des »Eisernen Vorhangs« 1956-1989

Veranstalter
Geisteswissenschaftliches Zentrum für Geschichte und Kulturen Osmitteleuropas, Centre for Area Studies
Veranstaltungsort
GWZO, Reichsstr. 4-6
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.12.2015 - 08.12.2015
Deadline
21.07.2015
Website
Von
Michael G. Esch

Seit den Pionierarbeiten von Detlef Siegfried, Ute Poiger und anderen ist viel über populäre Musikstile von Jazz über Rock'n'Roll bis hin zu Punk, ihre Wahrnehmung und Einbettung in (jugendliche) Subkulturen geschrieben worden. In aller Regel verbleiben die einschlägigen Arbeiten aber in einem engen Rahmen: Sie untersuchen in der Regel nur eine Musikgattung in einem Land, die Transnationalität der Perspektive beschränkt sich auf den Hinweis, dass alles in den USA beginne und von da aus einen globalen Siegeszug angetreten sei, der sich gleichsam allein aus der künstlerisch-emotionalen Qualität der Musik zu speisen scheint. Diese Eindimensionalität von Transfer – bei der etwa unerklärt bleibt, was denn nun eigentlich die grenz- und blockübergreifende Attraktivität der Musik und der ihr zugeschriebenen Bedeutungen ausgemacht hat und welche gemeinsamen Merkmale das meist jugendliche Publikum beiderseits der Blockgrenze teilte – sorgt aber dafür, dass eine ganze Reihe von Phänomenen übersehen bzw. – so die Hypothese, die der Konferenz zugrunde liegt – falsch oder unvollständig kontextualisiert werden. Dies gilt beispielsweise für den »amerikanischen« Ursprung von Beat und Rock, die tatsächlich in hohem Maße aus einer Rückübertragung britischer Popmusik sowohl in die USA als auch in das übrige Europa bestand, oder für die unterstellte Unterschiedlichkeit der Reaktionen traditioneller Kulturpolitiken dies- und jenseits des »EisernenVorhangs« sowie für den ausschließlichen (und unter erschwerten Bedingungen) Nachvollzug westlicher Entwicklungen in Ostmitteleuropa.

Die Konferenz will die Engpässe und Lücken der bisherigen Forschungsansätze auf zwei Wegen überwinden helfen:
durch eine konsequent und blockübergreifend transnationale Perspektive nicht nur auf Musik- und Kleidungs- oder Habitusstile, sondern auch auf Milieubildungen von Musikern und Publikum sowie auf (staatliche und staatsnahe) Reaktionen und Umgangsweisen durch eine dreifache Kontextualisierung:

1. Künstlerisch: Auf welchen Wegen und mit welchen Folgen vollzieht sich der Transfer/Nachvollzug und/oder die Aneignung und Neuschöpfung musikalischer Idiome, Formen und (Aufführungs-)praktiken, und wie wirken diese auf die Vorbilder und Anreger zurück? Welche musikalischen Folgen haben Festivalteilnahmen beiderseits der Blockgrenze, welche Gastspiele westlicher Musiker in den Staaten des „realen Sozialismus“, welche die Integration ostmitteleuropäischer Musiker in die nordamerikanische und westeuropäische Szene? Welchen Einfluss auf Praktiken und ihre Rezeption hat die feuilletonistische und/oder kulturbürokratische Kritik und wie weit geht deren Deutungshoheit?

2. Sozioökonomisch und gesellschaftlich: In welchem Verhältnis stand der Erfolg als befreiend verstandener Musiken zur sozioökonomischen und sozial-kulturellen Rekonstruktion und Neuausrichtung »westlicher« und »östlicher« Gesellschaften, etwa zu den Bereichen: Verfügbarkeit und Verwendung von Freizeit; gewollte und/oder vollzogene Entwicklung zur und Kritik der Konsumgesellschaft; Öffnung höherer Bildungsanstalten für zuvor ausgeschlossene soziale Milieus; Veränderung des Sexualverhaltens? Welche gesellschaftlichen und/oder künstlerischen Utopien verbanden sich seitens welcher Akteure mit neuen musikalischen Praktiken?

3. Politisch: Zeitlicher Rahmen ist der des Kalten Krieges / der Existenz des Staatssozialismus. Dieser Zeit wird v.a. in der amerikanischen Literatur die Herausbildung einer sehr spezifischen Kultur zugeschrieben, zu der auch die hochgradige (teilweise sehr komplexe/widersprüchliche) Politisierung neuer populärer Musikstile und ihres (angenommenen) kulturellen, emotionalen, sexuellen Gehalts angenommen. In welchem Maße erklären sich Formen und Intensitäten der Politisierung eben aus dieser Blockkonfrontation (und nicht einfach aus einer Dichotomie von „Freiheitlichkeit“ vs. „diktatorischem Paternalismus“)? Wo sind die Politisierungen von Popmusiken in einzelnen Ländern bzw. Gesellschaftskonzeptionen vergleichbar, wo, wie genau, warum und mit welchen Folgen weichen sie voneinander ab?

Eine intensive Diskussion auf der Konferenz bei einem möglichst veröffentlichungswürdigen Ergebnis soll in folgender Weise sichergestellt werden: Die TeilnehmerInnen werden gebeten, spätestens drei Wochen vor der Konferenz ein Papier von nicht mehr als 15 Seiten Länge einzureichen, dass die eigenen Arbeitsbereiche so weit möglich in die obigen Kontexte – bzw. die eigenen Kenntnisse möglichst nah an das Thema „musikalische Subkulturen“ heranführt. Es ist außerdem vorgesehen, jedes Papier von einem/einer Teilnehmenden kommentieren zu lassen. In den Sektionen soll dann nur noch eine knappe Vorstellung der eigenen Thesen und Antwort auf den Kommentar von bis zu 15 Minuten erfolgen; der Rest der Zeit soll der Diskussion gewidmet sein. Es ist außerdem vorgesehen, vorab einen Reader mit unserer Ansicht nach zentralen (oder besonders anregenden) Texten zusammenzustellen; Vorschläge hierfür sind willkommen.

Es wird nochmals ausdrücklich dazu eingeladen, auch Vorschläge zu Beiträgen einzureichen, die sich nicht mit Musik selbst, sondern etwa allgemeiner mit Freizeitverhalten, Männer- und Frauenbildern, Mode, Paradigmen von Kulturpolitik in West und/oder Ost befassen.

Einsendeschluss ist der 15. Juli 2015.

Die Werkstatt wird durchgeführt vom GWZO, Leipzig, Arbeitsgruppen „Transnationale Zeitgeschichte Ostmitteleuropas“ und „Utopische Gemeinschaften. Ideen – Realisierungsversuche – Nachwirkung (19. und 20. Jahrhundert)“ und dem Centre for Area Studies, Leipzig.

Eine kollektive Veröffentlichung nach der Werkstatt wird in Erwägung gezogen; mindestens wird auf ihrer Grundlage ein auswertender und problemorientierter Beitrag für das Handbuch transregionale Studien des CAS erstellt.

Ansprechpartner:
PD Dr. Michael G. Esch
GWZO
Reichsstr. 4-6
Specks Hof
04109 Leipzig
michael.esch@uni-leipzig.de

Programm

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Michael G. Esch

GWZO

michael.esch@uni-leipzig.de