Schwul-lesbische Lebenswelten an Ruhr und Emscher im 20. Jahrhundert zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung. Tagung in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund

Schwul-lesbische Lebenswelten an Ruhr und Emscher im 20. Jahrhundert zwischen Verfolgung und Selbstbehauptung. Tagung in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund

Veranstalter
Arbeitskreis Schwule Geschichte Dortmunds im SLADO – Dachverband der Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transidentenvereine und -initiativen in Dortmund; Mitveranstalter Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e. V.
Veranstaltungsort
Mahn- und Gedenkstätte Steinwache Dortmund, Steinstraße 50, 44147 Dortmund, steinwache.dortmund.de
Ort
Dortmund
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.11.2015 -
Deadline
30.09.2015
Von
Frank Ahland

Nach jüngsten Recherchen waren rund 650 der 65.000 zwischen 1933 und 1945 im Polizeigefängnis Steinwache in Dortmund Inhaftierten nach § 175 RStGB, also wegen ihrer Homosexualität verfolgte Männer oder männliche Jugendliche. Obwohl die Haftbücher der Steinwache seit Jahrzehnten von zahlreichen historisch Forschenden eingesehen und ausgewertet wurden, blieb diese Tatsache verborgen. Dennoch widmet die städtische Mahn- und Gedenkstätte Steinwache als eine der ersten Gedenkstätten bundesweit seit mehr als zehn Jahren der Verfolgung von Schwulen und Lesben einen eigenen Themenraum.
Kam die Beschäftigung mit der Verfolgung homosexueller Männer und Frauen noch vor wenigen Jahrzehnten dem Ausschluss aus der Scientific Community nahe, gibt es inzwischen einige Überblicksarbeiten und Fallstudien, die sich mit der Verfolgung (siehe den Sammelband „Nationalsozialistischer Terror gegen Homosexuelle – Verdrängt und Ungesühnt”, 2003) als auch mit den schwul-lesbischen Emanzipationsbewegungen vor und nach dem Nationalsozialismus, mit Selbstbehauptung, Subkulturen und Lebensentwürfen beschäftigen.
Im Ruhrgebiet blieb die Erforschung schwul-lesbischer Lebenswelten hingegen bisher die Sache einzelner Engagierter. Es fehlen sowohl ein umfassender Überblick zur Entwicklung in der Region als auch lokale Fallstudien in ausreichender Anzahl und Tiefe. Vereinzelte Initiativen und engagierte Personen konnten der Nichtbeachtung in Archiven und Universitäten der Region, aber auch in den historischen Vereinen nur wenig entgegensetzen.
Die ganztägige Tagung beginnt mit einem Vortrag am Freitagabend über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die Veranstaltung möchte die über schwul-lesbische Lebenswelten des Ruhrgebiets Studierenden und Forschenden insbesondere aus den Geschichts- und Sozialwissenschaften, aber auch die interessierten Laien zusammenführen und eine erste Bestandsaufnahme schaffen. Die Tagung soll sich nicht allein der umfangreichen Verfolgung schwuler Männer und lesbischer Frauen in all ihren Erscheinungsformen zwischen Polizei und Justiz, Religion und Gesellschaft, Psychiatrie und Schule, Arbeitswelt und Erinnerungskultur, sondern auch den vielfältigen Formen der Selbstbehauptung zwischen Subkultur und Integration widmen. Sie konzentriert sich aus pragmatischen Gründen auf das 20. Jahrhundert, steht aber auch Vortragenden zu anderen Epochen offen.
Die Tagung soll zugleich der Vernetzung der vorhandenen Initiativen und Einzelpersonen dienen, die in den vergangenen Jahren zum Thema geforscht haben und weiterhin forschen. Zur Besonderheit des Ruhrgebietes gehört es, dass er, obwohl als homogener Raum empfunden, vielfach zersplittert und differenziert ist. Trotz der Nähe der Städte zueinander fehlt es eklatant an Zusammenarbeit und Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Tagung möchte eine bessere Zusammenarbeit lokaler Initiativen zu schwul-lesbischer Geschichte fördern und zugleich den Kontakt zu den Institutionen der Geschichts- und Sozialwissenschaften stärken. Sie soll zudem Interessierte anregen, sich mit den umrissenen Themen zu befassen.

Programm

Die folgenden Fragestellungen sollen der Anregung dienen:
- Inwiefern unterscheiden sich schwul-lesbische Lebenswelten im Bürgertum von jenen der Arbeiterschaft? Waren die das Ruhrgebiet prägenden schwerindustriellen Arbeiter häufiger von Verfolgung betroffen? Konnten Bürgerliche der Verfolgung leichter entgehen? Gibt es Unterschiede zwischen den ländlichen Rändern des Ruhrgebiets und seinen urbanen Zentren?
- Unterschied sich die Verfolgung schwuler Männer zwischen der Rheinprovinz und Westfalen, zwischen den drei das Ruhrgebiet tangierenden Bezirksregierungen? Welche Rolle spielte die Gestapo? Welche die Sittendezernate der Kriminalpolizei?
- Welche Rolle nahmen die Kirchen bei der Verfolgung schwuler Männer und lesbischer Frauen vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik ein? Welche Rolle spielten Vorwürfe wegen Homosexualität bei den so genannten Klosterprozessen 1936/37?
- Welche Rolle spielten die Städte der Region bei der Zulassung schwul-lesbischer Etablissements und Vereine? Bei der Genehmigung schwul-lesbischer Demonstrationen? Welche Rolle übernahmen sie bei der Zurückdrängung von Repressionen?
- Wie gestaltet sich die Erinnerungskultur in Bezug auf schwule Männer und lesbische Frauen? Welche Erfahrungen wurden beispielsweise in den Mahn- und Gedenkstätten, den historischen Vereinen und den Archiven der Region gemacht? Wie lässt sich der Unterdrückung lesbischer Frauen angemessen gedenken?

Bei Interesse melden Sie sich bitte bis zum 30. September 2015 unter den unten angegebenen Kontaktdaten an, unter Angabe Ihres Vortragsthemas, optimal mit einem kurzen, aussagekräftigen Abstract und einem kurzen (wissenschaftlichen) Lebenslauf. Die Vorträge sollten nicht länger als 20 Minuten sein, um genügend Raum zur Diskussion zu lassen. Kosten für Reise und Unterkunft können nur im Ausnahmefall übernommen werden. Eine Publikation ist geplant.

Kontakt

Frank Ahland

Arbeitskreis Schwule Geschichte Dortmunds im SLADO
SLADO, c/o Sunrise, Geschwister-Scholl-Str. 33-37, 44135 Dortmund, www.slado.de
0231-44677645

geschichte@slado.de

www.verfolgt-verschwiegen-vergessen.de