Auf die Bedeutung von Bezugnahmen unterschiedlichster und allgemeiner Art hinzuweisen, scheint zunächst einmal reichlich trivial. Bedarf es wirklich noch eines Hinweises darauf, dass in der Konstitution von Wirklichkeiten, Wissensformen, Strukturen, Systemen, Gesellschaften und im Prinzip sämtlicher anderer Phänomene, mit denen sich Menschen beschäftigen können, Relationen unverzichtbar sind? Gibt es Allgemeineres, Selbstverständlicheres und Generelleres als Relationen zwischen Menschen, Dingen, Ideen, Zeiten?
Vielleicht ist es gerade diese Ubiquität, die dazu geführt hat, dass Relationen so selten explizit thematisiert und problematisiert werden. Man kann zur Bestätigung dieser Vermutung einen verhältnismäßig leichten Test machen und sich auf die Suche nach vorhandener Literatur zum Thema Identität machen – und dieselbe Suche zum Thema Relationalität durchführen.
In der jüngeren Vergangenheit haben Relationen sicherlich eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren, zum Beispiel in den theoretischen Angeboten von Niklas Luhmann oder Bruno Latour. Trotzdem scheint immer noch der Satz Gültigkeit für sich beanspruchen zu können, den Michel Serres – der mit seinen Hermes-Bänden selbst intensiv zur Behandlung dieses Themas beigetragen hat – im Jahr 1993 formulierte, dass uns eine Philosophie der Relationen fehlen würde.
Auch wenn die dahinterstehenden Fragen schon vielfach gestellt wurden, sind sie weder alt noch abgetan. Mit Relationen befassen sich unter verschiedenen anderen Arbeitsbegriffen alle kulturwissenschaftlichen Disziplinen. Es geht hierbei also um viel mehr als um eine philosophiehistorische oder ideengeschichtliche Betrachtung des Themas „Relationen“. Vielmehr ist die Frage, wie sich allgemein Realität(en) als relationale und prozessuale konstituier(t)en. Und da Prozesse sich nur in der und durch die Zeit abspielen können und verfolgen lassen, soll uns speziell interessieren, wie sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft relationieren (lassen) und wie daraus prozessual Geschichte/n emergier(t)en.
Diese klammeräffisch schwankende Beschreibung der zu bezeichnenden Fragestellung ist durchaus kein Zufall, sondern Methode. Obwohl über Beziehungen, Bezüge, Relationen, Vernetzungen, Kanten, Prozesse und Praktiken bereits viel gedacht und geschrieben wurde, fehlt es doch immer noch an einer integrierenden, übergreifenden Behandlung des Themas. Die Kulturwissenschaften wissen also zwar für einige Typen von Beziehungen, wie sie damit umgehen können, aber wie sich diese verschiedenen Typen und Ansätze wiederum produktiv untereinander in Beziehung setzen lassen könnten, ist noch kaum diskutiert.
Dieser Herausforderung will sich die geplante Tagung unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten stellen:
1. Relationale Theorie(n)
Hierbei suchen wir Vorschläge für Vorträge, die sich inter- oder transdisziplinär mit der Frage auseinandersetzen, was für theoretische Implikationen daraus folgen, wenn man im kulturwissenschaftlichen Arbeiten Relationen stärker in den Fokus rückt als die Relata, welche Erkenntnispotentiale sich daraus ergeben könnten – und auch, welche Fragestellungen aus solchen Perspektiven heraus möglicherweise weniger gut zu behandeln sind.
2. Relationale Zeit(en)
Auf einer konkreteren Ebene suchen wir hier nach Vorträgen, die beispielhaft deutlich machen, wie Menschen in Gegenwart oder Vergangenheit mit der Tatsache umgehen und umgegangen sind, dass Relationen nicht nur eine synchrone, sondern vor allem auch immer eine (oder mehrere) diachrone Dimension(en) haben. Aus dem Sich-in-Beziehung-Setzen zu dargestellter Vergangenheit und präsumtiver Zukunft entstehen so Theorien, Diskurse und Praktiken des Umgangs mit und des Sich-Verortens in verschiedenen Zeiten.
Ohne den Anschein erwecken zu wollen, über ein Vorherwissen oder präferiertes Konzept zu verfügen, wie mögliche Antworten aussehen könnten, hoffen wir auf Beiträge, die eines der beiden geschilderten und unlösbar miteinander verklammerten Probleme allgemeiner und spezieller Relationalität ohne Berührungsängste mit anderen Disziplinen und Konzepten als den jeweils eigenen in Angriff nehmen. Wir hoffen auf kreative, provokative und am Ende produktive Diskussionen, die Beziehungen und Bedingtheiten aller Arten thematisieren.
Vorschläge für Vorträge zu einem der beiden Gesichtspunkte können bis zum 16. November an winnerling@phil.hhu.de geschickt werden und sollten im Umfang eine A4-Seite nicht überschreiten. Da es sich dezidiert um einen Workshop handelt, ist eine Veröffentlichung der Beiträge derzeit nicht geplant!
Reisekosten und Verpflegung werden nach Möglichkeit übernommen.
Zeit: 06. – 08. Oktober 2016
Ort: Düsseldorf, Schloss Mickeln
(http://www.uni-duesseldorf.de/home/universitaet/strukturen/tagungs-und-gaestehaeuser/gaestehaeuser/schloss-mickeln.html)