Gerichtsvielfalt in Wien. Forschungen zum modernen Gerichtsbegriff

Gerichtsvielfalt in Wien. Forschungen zum modernen Gerichtsbegriff

Veranstalter
Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs der ÖAW in Verbindung mit der KRGÖ an der Universität Wien
Veranstaltungsort
Theatersaal der ÖAW, Sonnenfelsgasse 19, 1010 Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
11.12.2015 - 12.12.2015
Deadline
07.12.2015
Von
Kamila Staudigl-Ciechowicz

Konflikte rechtlich (statt gewaltsam) zu regeln und dafür Institutionen – Gerichte – zu schaffen, ist uns heute ganz selbstverständlich. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine zivilisatorische Errungenschaft mit einer langen Geschichte.
Immer wieder ging (und geht) es darum, dass ein System von Gerichten und Gerichtsbarkeiten – historisch wird auch von „Gerichtslandschaften“ gesprochen – einer vielschichtigen Wirklichkeit so gerecht wird, dass Konflikte rechtlich ausgetragen werden können und auf Gewalt möglichst weitgehend verzichtet wird. Verschiedene Parameter spielen dabei eine Rolle. Wie sollen etwa Gerichte die Unterschiedlichkeit der Personen (Rechtsunterworfenen) berücksichtigen, die vor ihnen auftreten? Sollen sie alle vor denselben Gerichten streiten oder ist verschiedenen Personengruppen mit jeweils auf sie zugeschnittenen Gerichtsgremien besser gedient (ständische Gerichtsbarkeit, Universitätsgerichtsbarkeit, Militärgerichtsbarkeit, Standesgerichtsbarkeit)? Ist es notwendig, bestimmte Materien vor spezialisierten Gerichten zu behandeln, weil sie besondere Anforderungen stellen (Wirtschaftsgerichte, Gerichte des öffentlichen Rechts)? Braucht es verschiedene Verfahren, um möglichst rasch zumindest für eine gewisse Zeit tragfähige Kompromisse zu finden (Schiedsgerichtsbarkeit, summarische und Eilverfahren, außergerichtliche Streitbeilegung, Mediation)? Welche Rolle spielen nicht-staatliche Gerichtsbarkeiten (geistliche, religiöse)? Wie kann mit einer Vielfalt von Gerichtsgremien umgegangen werden (Zuständigkeitskonflikte, Instanzenzug)? Und was genau ist eigentlich ein Gericht?

Die Tagung möchte dieser Problematik am Beispiel des Gerichtsstandorts Wien nachgehen. Als Zentralort der Habsburgermonarchie, Residenz des Kaisers des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation (bis 1806) und des Kaisertums Österreich (bis 1918), als nationalsozialistischer „Reichsgau“, als Bundeshauptstadt der ersten und zweiten Republik Österreich, als Hauptstadt des Niederösterreichischen Länderkomplexes und Bundesland, als Sitz internationaler Organisationen und eine der bedeutendsten Städte in einer europäischen Städtelandschaft ist der Gerichtsstandort Wien von überregionaler, ja europäischer Bedeutung. 18 Referentinnen und Referenten aus dem In- und Ausland werden verschiedene Aspekte der Problematik anhand unterschiedlicher Gerichte beleuchten. Dabei werden Historiker und Historikerinnen ebenso zu Wort kommen wie Juristen und Juristinnen aus der Wissenschaft und aus der Praxis. Die Vorträge sollen, vermehrt um den wissenschaftlichen Apparat als Heft 2016/2 der Zeitschrift „Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs“ im Verlag der ÖAW erscheinen.

Programm

Freitag, 11. Dezember 2015

09.30 Eröffnung durch
Brigitte MAZOHL, Präsidentin der p.h. Klasse der ÖAW
Eckart RATZ, Präsident des OGH

10.00 Moderation: Brigitte MAZOHL
Christian NESCHWARA: Die Oberste Justizstelle
Christoph SCHMETTERER: Das Obersthofmarschallamt

11.00 Kaffeepause

11.30 István FAZEKAS: Ungarische Kläger in Wien. Die Beteiligung
der Ungarischen Hofkanzlei an der Gerichtsbarkeit im 16. – 18. Jahrhundert
Petr MAŤA: Os principis und tribunal justitiae. Die Böhmische Hofkanzlei als Appellations‐ und Revisionsinstanz im 17. und 18. Jahrhundert
Eva ORTLIEB: Der Reichshofrat als Institution der österreichischen Erbländer

13.00 Mittagspause

15.00 Moderation: Christian NESCHWARA
Andrea GRIESEBNER: Das Passauer und das Wiener Konsistorium: Ehegerichtsbarkeit im 17. und 18. Jahrhundert
Christoph GNANT: Die Gerichtsbarkeit der Universität Wien 1365–1783
Kamila STAUDIGL‐CIECHOWICZ: Die Disziplinargerichtsbarkeit an der Universität Wien 1848–1938

16.30 Kaffeepause

17.00 Stefan WEDRAC: Die Entwicklung der Handelsgerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert
Martin MOLL: Militärgerichtsbarkeit (ca. 1850–1945)

Samstag, 12. Dezember 2015

09.00 Moderation: Eckart RATZ
Ulrike MÜßIG: Tezners Schriften zur Verwaltungsrechtspflege in Österreich und ihre Impulse für den modernen Gerichtsbegriff
Thomas OLECHOWSKI: Verwaltungsgerichte, Verwaltungstribunale und Verwaltungssenate

10.00 Kaffeepause

10.30 Alfred WALDSTÄTTEN: Die Gerichtsorganisation und die Organisation der Zivilgerichtsbarkeit seit 1848/50
Friedrich FORSTHUBER: Die Geschichte des Grauen Hauses und der Strafgerichtsbarkeit in Wien
Ilse REITER‐ZATLOUKAL: (Un)Abhängigkeit der Richter 1933–1945

13.00 Mittagspause

15.00 Moderation: Herbert KALB
Paul OBERHAMMER: Wien als internationaler Schiedsort
Erich KODEK: Die Geschichte des Ehrengerichts‐ und Disziplinarverfahrens der Wirtschaftstreuhänder
Michael MEMMER: Die Standesgerichtsbarkeit der Ärzte

Kontakt

Harald Trobollowitsch

KRGÖ an der Universität Wien

harald.franz.trobollowitsch@univie.ac.at

http://rechtsgeschichte.at/