Jahrbuch Forum Vormärz Forschung, Subject: CfA: Die USA im Vor- und Nachmärz. Imagologien in Politik - Literatur - Wissenschaft - Bielefeld 8/2016

Jahrbuch Forum Vormärz Forschung, Subject: CfA: Die USA im Vor- und Nachmärz. Imagologien in Politik - Literatur - Wissenschaft - Bielefeld 8/2016

Veranstalter
Jahrbuch Forum Vormärz Forschung, Bielefeld 31.08.2016 - Birgit Ellen Bublies-Godau, M.A., Bochum/ PD Dr. Anne-Rose Meyer, Wuppertal
Veranstaltungsort
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
31.08.2016 -
Deadline
31.08.2016
Von
Birgit Ellen Bublies-Godau, Birgit.Bublies-Godau@rub.de

Jahrbuch Forum Vormärz Forschung 2017: Die USA im Vor- und Nachmärz. Imagologien in Politik – Literatur – Wissenschaft

Die USA – Terra incognita für die meisten Europäer im frühen und mittleren 19. Jahrhundert – spielten als politisches Modell staatswissenschaftlichen, verfassungsrechtlichen und historischen Denkens an deutschen Universitäten, in gelehrten Zirkeln und in der medialen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Zugleich bildete die Neue Welt ein Sehnsuchtsziel für Freiheitsliebende, politische Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten, aber auch bisweilen die gefürchtete Endstation für verbannte Gefangene: Das Spektrum der Funktionen, Aufgaben, Bilder und Vorstellungen ist breit, das die Vereinigten Staaten von Amerika in der Wahrnehmung der Zeitgenossen im Vor- und Nachmärz einnahmen und das ihnen zugeschrieben wurde – nicht zuletzt auch in der Literatur. Vor allem die repressive, restaurative Politik in Europa und insbesondere in den Einzelstaaten des Deutschen Bundes inspirierte zur Auseinandersetzung mit dem Verfassungs-, Regierungs- und Gesellschaftssystem der USA und den Ideen von Freiheit, Demokratie, Föderalismus, Republik und Revolution, aber auch zur künstlerischen und wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Kulturen, Sprachen und Landschaften der neuen Nation. Diese waren – ebenso wie die Ur-Einwohner, die Native Americans, und die als fremdartig empfundene afro-amerikanische Bevölkerung oder das Leben in von Deutschen dominierten Siedlungsgebieten und Stadtteilen – häufig Gegenstand von wissenschaftlichen Abhandlungen, Reiseberichten, Lebenserinnerungen, autobiographisch fundierten Romanen und Erzählungen sowie von länderkundlichen Büchern und journalistischen Reportagen.

Von der vielfältigen Auseinandersetzung mit den USA unter fortschrittlich, liberal und demokratisch, aber auch konservativ und reaktionär gesinnten Historikern, Juristen, Politikern, Staatstheoretikern und ersten Emigranten zeugen etwa Schriften von Gottfried Duden, Julius Fröbel, Ludwig Gall, Friedrich von Gentz, Francis P. Grund, Johann G. Hülsemann, Robert von Mohl, Friedrich Murhard, Karl Nauwerck, Karl Heinrich Ludwig Pölitz, Karl von Rotteck, Friedrich Schmidt, Conrad F. von Schmidt-Phiseldeck und Heinrich Zschokke. Auch wurden durch frühe politische Flüchtlinge, darunter Karl Follen und Friedrich List, Amerikabilder in die zeitgenössischen politischen Diskurse eingebracht, die nicht zuletzt von der Rezeption der zentralen US-Verfassungstexte, der Verfassungen der Union mit ihren Zusätzen und derjenigen der Einzelstaaten, der "Federalist Papers" und ihrer Kommentare, und von der Diskussion über Alexis de Tocquevilles einflussreiches, 1835/40 erschienenes Werk "Über die Demokratie in Amerika" stark geprägt waren. So waren die Vereinigten Staaten in diversen Medien präsent, als spektakulärer Gegenentwurf zum Bestehenden, namentlich des ersehnten, auf Volkssouveränität gegründeten Verfassungsstaates, ebenso wie als nicht übertragbares nordamerikanisches Experiment, das für die deutschen Verhältnisse als zu fremdartig und unter praktisch-politischen Gesichtspunkten nicht realisierbar abgelehnt wurde, oder später als wichtiger Zufluchtsort und konkretes Asyl- und Aufnahmeland für die „48er“. Die während der 1848er Revolution aktiv gewordenen Demokraten und Republikaner – nach der Revolution in deutschen Ländern verfolgt, unterdrückt und verhaftet – wollten sich in den USA unter freiheitlicheren Bedingungen weiter politisch engagieren, traten vielfach für die Union und gegen die Sklaverei ein und kämpften später im Amerikanischen Bürgerkrieg zumeist auf Seiten der Nordstaaten. Sie prägten damit als sogenannte „Forty-Eighters“ die politische Landschaft und das kulturelle Leben in der Neuen Welt mit – darunter die Publizistin und Autorin Mathilda Franziska Anneke, der badische Vormärzpolitiker, Initiator des ersten badischen Aufstands („Heckerzuges“) und Unterstützer Abraham Lincolns bei der Wahl zum US-Präsidenten Friedrich Hecker, das radikal-republikanische Publizisten-Ehepaar Gustav und Amalie Struve, der Teilnehmer an der Reichsverfassungskampagne, Befreier von Gottfried Kinkel aus dem Zuchthaus Spandau und spätere Secretary of the Interior der USA Carl Schurz oder der sozialistische Arbeiterführer Wilhelm Weitling. Literarisch beeinflussten u. a. Henriette Frölich, Johann Wolfgang von Goethe, Charles Sealsfield, Nikolaus Lenau, Georg Fein, Friedrich Armand Strubberg, Friedrich Gerstäcker und Ferdinand Kürnberger das Bild der USA im Vor- und Nachmärz. Bereits im Vormärz waren andere Migranten eher unfreiwillig in die USA gekommen: So verbannte die Stadt Frankfurt am Main 1838/39 Gefangene in die Vereinigten Staaten, die österreichische Habsburgermonarchie schob zwischen 1833 und 1837 politisch Missliebige dorthin ab. Eine wesentliche Rolle spielten dabei sowohl die Asyl- und Einwanderungsgesetzgebung in den USA, als auch die Flüchtlings- und Auswanderungspolitik der Einzelstaaten im Deutschen Bund. Diese ließen Auswanderungswillige und Oppositionelle oftmals gern ziehen, diente dies doch der System- und Herrschaftsstabilisierung im eigenen Land. In dem Zusammenhang dürfen auch die sozioökonomischen Probleme, Krisen und Proteste in den deutschen Staaten im Zuge der einsetzenden und fortschreitenden Industrialisierung nicht vergessen werden, die, wie etwa die akuten agrarischen Verteilungs- und Versorgungsprobleme, die immense Teuerungsrate und die schwere Gewerbekrise in den Jahren 1845 bis 1847, gleichfalls zur Auswanderung führten.

Die Beziehungen deutscher Flüchtlinge und Auswanderer – Wissenschaftler, Politiker, Philosophen und Schriftsteller – zu den USA sind folglich im Vor- und Nachmärz außerordentlich vielgestaltig und durch diverse Umstände – soziale, kulturelle, politische, wirtschaftliche – bestimmt gewesen. Einige wichtige Studien, ideen- und politikhistorische ebenso wie rezeptions- und wissenschaftsgeschichtliche, philologische und biographische, liegen bereits vor – etwa von Charlotte L. Brancaforte, Volker Depkat, Horst Dippel, Eckhart G. Franz, Sabine Freitag, Wolfgang Helbich, Wolfgang Hochbruck, Hartmut Kaelble, Charlotte A. Lerg, Günter Moltmann, Daniel Nagel, Ansgar Reiß, Herbert Reiter, Hans Louis Trefousse, Hermann Wellenreuther, Carl Wittke u. a. Hinweise für die literarische Erkundung der USA im Vor- und Nachmärz geben Studien von Sigrid Bauschinger, Manfred Durzak, Christof Hamann, Wilfried Kriegleder, Heike Paul und Jeffrey L. Sammons. Viele Aspekte des produktiven, politisch wie weltanschaulich, kulturell und wirtschaftlich weitreichenden Wechselverhältnisses der USA und der Staatenwelt des Deutschen Bundes im Vor- und Nachmärz sind jedoch noch kaum oder so gut wie gar nicht erforscht, zumal sich die Vormärz- und Revolutionsforschung diesem Forschungsfeld zuletzt nicht mehr so stark gewidmet hat.

Das geplante Jahrbuch 2017 des Forum Vormärz Forschung zielt aus diesen Gründen darauf ab, ideologisch-politische, verfassungsrechtliche, literarisch-kulturelle, wissenschaftliche und sozioökonomische Transfer- und Austauschprozesse zwischen den USA und den deutschen Staaten im Zeitraum zwischen Restauration und Reichsgründung wieder in den Blick zu nehmen und stärker zu erhellen. Ein weiteres Ziel besteht darin, die Folgen und Konsequenzen für das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert abzuschätzen und dabei zu verdeutlichen, wie diese sich aus den Kontakten und Verbindungen mit den USA im Vor- und Nachmärz ergeben und entwickelt haben. Erbeten werden Beiträge, die aus transnationaler historischer – das heißt verfassungs-, ideen-, politik-, sozial-, wirtschafts-, wissenschafts-, literar- und kulturhistorischer – Perspektive oder unter biographischen, verflechtungsgeschichtlichen, politik- und kulturtheoretischen Prämissen das Wechselverhältnis der USA und der Staatenwelt im Deutschen Bund, den hier erläuterten Transfer- und Austauschprozess, eingehend untersuchen und näher beleuchten – entweder am individuell-biographischen Beispiel oder anhand von übergreifenden Einzelstudien zu einem ausgewählten speziellen Thema. Damit strebt das Jahrbuch eine besondere Interdisziplinarität an und wendet sich ausdrücklich an Historiker, Philosophen, Rechts- und Politikwissenschaftler ebenso wie an Amerikanisten, Germanisten und andere Philologien.

Themenvorschläge mit einem aussagekräftigen Exposé (maximal 500 Worte) und einem kurzen Lebenslauf senden Sie bitte bis zum 31. August 2016 an:
Birgit Ellen Bublies-Godau, M.A., birgit.bublies-godau@rub.de und PD Dr. Anne-Rose Meyer-Eisenhut, ameyer@uni-wuppertal.de
Die Autoren der ausgewählten Beiträge werden im November 2016 benachrichtigt. Die fertigen, vollständig ausgearbeiteten Beiträge müssen dann bis zum 31. Oktober 2017 vorliegen und in der Redaktion eingegangen sein. Texte können in Deutsch und Englisch eingereicht werden. Hinweise zur Manuskript- und Textgestaltung werden den Autoren vor Einreichung der Beiträge zugeschickt. Bei Rückfragen wenden Sie sich gern an die beiden Herausgeberinnen.

Das Forum Vormärz Forschung e.V. mit Sitz in Bielefeld hat sich zum Ziel gesetzt, die öffentliche, wissenschaftliche und literarische Rezeption der Literatur des Vormärz. (1815-1848/49) zu fördern. Insbesondere will das Forum dazu beitragen, den komplexen, während der Epoche sehr engen Zusammenhang von politischer, gesellschaftlicher und literarischer Entwicklung neu zu reflektieren. Nicht zuletzt versteht sich die Gesellschaft als Lobby namhafter, aber auch weitgehend unbekannter Autorinnen und Autoren des Vormärz, die es ebenso wie deren Ideen, Werke und Aktivitäten heute wieder vermehrt zu entdecken, zu erforschen und zu verbreiten gilt. Das Jahrbuch des Forum Vormärz Forschung ist eine deutschsprachige geschichts- und literaturwissenschaftliche Fachzeitschrift, erscheint einmal jährlich und weist neben Aufsätzen zu einem bestimmten Schwerpunktthema weitere Beiträge und einen ausführlichen Rezensionsteil auf.

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