Der Workshop fragt danach, wie Medien von aufeinander bezogenen Akteuren als „ongoing accomplishments“ (Harold Garfinkel) wechselseitig verfertigt und gebraucht werden. Damit wendet er sich gegen eine Forschung, bei der die Analyse von Einzelmedien im Mittelpunkt steht und wendet sich der Erforschung insbesondere von arbeitsbezogenen Medienpraktiken zu, die zumeist unsichtbare infrastrukturelle Arbeit verrichten. In den Blick geraten so konkrete Situationen, in denen Akteure miteinander kooperieren müssen, ohne dass ein Konsens vorausgesetzt werden kann. Der Workshop soll hierzu historische und gegenwartsanalytische Zugriffe auf Praktiken an, in und durch Medienarbeitsplätze komparativ analysieren. Gedacht ist dabei insbesondere an eine Verbindung von soziologischen „Workplace Studies“ bzw. „Studies of Work“, mit Medien-, Kulturtechnik- und Arbeitsgeschichte. Diese Perspektive soll anhand von drei miteinander verbundenen Themenblöcken erprobt werden:
(1) Ordnungen / Routinen, Standards, Techniken: Mit und durch Medien werden Standards und Routinen gesetzt, die als Kooperationsbedingungen eine die Praxis ordnende Wirkmacht erzeugen (sollen). Als solche sind sie das Ergebnis kooperativer Praktiken der Verfertigung und Aneignung, bei der sich unterschiedliche Akteure über ihre Gestalt und ihren Gebrauch jeweils situativ verständigen müssen. Routinen, Standards und Techniken reichen jedoch über die konkrete Situation heraus und werden zu distribuierten soziotechnischen Bedingungen. Der Workshop betont die durch gegebene Architekturen, Institutionen und Normalitätserwartungen gegebene Vorordnung kooperativer Praktiken, gerade um die Spezifik von praktischen „ongoing accomplishments“ der Akteure vertieft zu analysieren.
(2) Brüche / Krisen, Verlagerungen, Experimente: Das Ergebnis von Routinisierung und Standardisierung sind stets vorläufige Ordnungen und Stabilisierungen, die sich im Arbeitsalltag neu bewähren müssen. Als Grenzobjekte verstandene, prozessual gedachte Medien bleiben notwendigerweise offen für Improvisation und Experimente, Reparatur und „Workarounds“. Zu den Vermittlungsleistungen gehören Krisen und Zusammenbrüche als integraler Bestandteil jeder Praxis. Das bedeutet, dass Medien in ihrer Offenheit Kooperation situativ ermöglichen und v.a. in Gestalt von infrastrukturellen Medien nur bedingt auf Dauer stellen können. An den Bruchstellen wird die unsichtbare zur sichtbaren Arbeit, entstehen aus Reparatur und Instandhaltung teils innovative Erneuerungen und steht die Legitimität des Handelns auf der Probe.
(3) Skalierungen / Netzwerke, Kopplungen, Maßstabswechsel: Über konkrete Situationen hinaus werden durch Medienpraktiken Maßstabswechsel und Reichweitenveränderungen vollzogen. Ganze soziotechnische Arrangements dienen vor allem dazu, das Arbeiten in „synthetischen Situationen“ (Karin Knorr-Cetina) zu ermöglichen – ein Phänomen, das sich durch die weitere Mobilisierung und Distribuierung von Bildschirmarbeitsplätzen mittlerweile bis auf die Smartphone-Screens erstreckt. Die entsprechenden Arbeitspraktiken sind jedoch bereits mit den netzwerkförmigen Infrastrukturen der Industrialisierung entstanden, durch die die Kopplung kooperativen Handelns über große Distanzen hinweg sukzessive zum organisatorischen Prinzip geworden ist. Medienpraktiken in kooperativen Situationen lassen sich so als Vermittlungsarbeit begreifen, die transsituative „ongoing accomplishments“ hervorbringt und organisiert.
Grundlage des interdisziplinären Workshops sind Arbeitspapiere geladener Forscherinnen und Forscher, die in jeweils 1-stündigen Sitzungen diskutiert werden sollen. Vorträge von Stefan Hirschauer (Institut für Soziologie, JGU Mainz) und Christian Kassung (Institut für Kulturwissenschaft, HU Berlin) liefern weitere Impulse für die Diskussion der Beiträge.
Bei Interesse an einer Teilnahme bitten wir um eine kurze Mail an die Organisatoren bis zum 15. November 2016! Damit ist gewährleistest, dass alle Teilnehmer vorab die Arbeitspapiere erhalten.
Sebastian Gießmann / sebastian.giessmann@uni-siegen.de
Jörg Potthast / potthast@soziologie.uni-siegen.de
Tobias Röhl / tobias.roehl@uni-siegen.de