Öffentlich, populär, egalitär? Soziale Fragen des städtischen Vergnügens 1890-1960

Öffentlich, populär, egalitär? Soziale Fragen des städtischen Vergnügens 1890-1960

Veranstalter
Dr. Yvonne Robel, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg; Alina Laura Tiews, Forschungsstelle Mediengeschichte, Hans-Bredow-Institut, Hamburg
Veranstaltungsort
Universität Hamburg, Flügelbau West, Raum 221, Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.02.2017 - 11.02.2017
Deadline
01.02.2017
Website
Von
Tiews, Alina Laura

Vergnügen zu erleben, war immer auch mit Reichtum und Armut sowie mit sozialen Regeln und Normen verknüpft. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert erweiterten sich für breite Massen schrittweise die Möglichkeiten des Vergnügens. Arbeitszeiten sanken und Löhne stiegen. Dadurch eröffneten sich auch ärmeren Bevölkerungsschichten Chancen auf soziale Teilhabe in ihrer Freizeit. Sozialhistorische Veränderungen korrespondierten also nachhaltig mit dem Angebot von und der Nachfrage nach Vergnügungen. Zugleich stritten Politiker, Praktiker und Wissenschaftler wiederholt über wachsende „Frei-Zeiten“ fern von Erwerbsarbeit und über den sozialen Stellenwert von Vergnügen. Der Boom der 1950er Jahre verstärkte diese Diskussionen noch.
Die Tagung geht diesem Spannungsverhältnis zwischen einer Geschichte des Vergnügens und einer sozialen Geschichte der Stadt für den Zeitraum von 1890 bis 1960 nach. Konnten städtische Vergnügungsorte soziale Regeln zeitweise außer Kraft setzen? Wie wirkten sich politische Unterschiede auf das Verhältnis zwischen vergnüglichen und sozialen Fragen aus? Wie verhielten sich Vergnügungen zu sozialen Krisen- und Prosperitätserfahrungen? Welche Freiräume und Schranken schufen Kriegs- und Friedenszeiten? Egalisierten Vergnügungen die Nachkriegsgesellschaften in Ost und West? Welche Rolle spielten dabei Westernisierung, Amerikanisierung oder der Sozialismus?
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung diskutieren die gesellschaftspolitische Bedeutung scheinbar unpolitischen Vergnügens. Die Langzeitperspektive ermöglicht es, den „Aufbruch in die Moderne“ im Feld des öffentlichen städtischen Vergnügens sozial- und kulturgeschichtlich zu hinterfragen und seine längerfristige Wirkung empirisch zu überprüfen. Die Veranstaltung wird gefördert von der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.

Programm

Donnerstag, 9. Februar 2017

17:00–19:00 Uhr
Filmvorführung: "Große Freiheit Nr. 7" (D 1943/44, Regie: Helmut Käutner) mit historischer Einführung
Metropolis Kino (Kleine Theaterstraße 10, 20354 Hamburg)

Freitag, 10. Februar 2017

9:00 Uhr
Alina Laura Tiews (Hamburg) und Yvonne Robel (Hamburg): Begrüßung und Einführung
Daniel Morat (Berlin): Hereinspaziert! Städtisches Vergnügen zwischen sozialer Integration und urbaner Distinktion

10:15 Uhr Kaffeepause

10:30 Uhr Angebote für ‚Jedermann‘?
Lisa Kosok (Hamburg): Soziale Topografien städtischen Vergnügens
Kristina Vagt (Hamburg): Vergnügen vor blühender Kulisse. Publikumsmagnet Gartenschau
Alina Laura Tiews (Hamburg): „Wir essen keine republikanische Arbeiterwurst!“. Besucher des Hamburger Doms
Moderation: Knud Andresen (Hamburg)

12:30 Uhr Mittagspause

13:30 Uhr Soziale Realitäten hinter den Kulissen
Susann Lewerenz (Hamburg): Migrantische „Völkerschauen“ der 1920er- und 1930er-Jahre. Kultur- und sozialgeschichtliche Perspektiven
Martin Rempe (Konstanz): Das Vergnügen der Anderen. Unterhaltungsmusiker avant la lettre im Kaiserreich
Antje Dietze (Leipzig): Maßnahmen zur Hebung des Standes. Strategien von Unternehmern des Vergnügungsgewerbes im deutschsprachigen Raum (1880-1930)
Moderation: Kirsten Heinsohn (Hamburg)

15:30 Uhr Kaffeepause

16:00 Uhr Soziale Grenzen des Vergnügens
Klaus Nathaus (Oslo): Interaktion im öffentlichen Vergnügungsraum. Entwicklungstendenzen von der Kommerz- zur Massenkultur (ca. 1900-1939)
Julia Sneeringer (New York): Große Freiheit 36. Youth, Music and the Policing of Social Boundaries in Hamburg St. Pauli
Fabian Brändle (Zürich): Wie Not erfinderisch machte. Strategien von schweizerischen Kindern und Jugendlichen aus Unterschichten, an der großstädtischen Vergnügungskultur zu partizipieren (1890-1945)
Moderation: Judith Ellenbürger (Hamburg)

Samstag, 11. Februar 2017

9:00 Uhr
Kaspar Maase (Tübingen): „Wille zum Vergnügen“ und Vermarktlichung der Vergnügungen. Zur historischen Dynamik kultureller Egalisierung in Städten

9:45 Uhr Kaffeepause

10:00 Uhr Vergnügen und soziale Identitäten
Sönke Friedreich (Dresden): Vergnügen in der „Emporkömmlingsstadt“. Soziale Scheidelinien in der populären Kultur Plauens im frühen 20. Jahrhundert
Martin Reimer (Dresden): „Bürgerliche Vergnügungskultur“ in der sozialistischen Stadt? Betrachtungen zur „Hochkultur“ im Dresden der Nachkriegszeit
Eva Gajek (Gießen): Exklusives Vergnügen. St. Moritz und seine städtischen Ordnungsstrukturen
Moderation: Alina Laura Tiews (Hamburg)

12:00 Uhr Kaffeepause mit Imbiss

12:30 Sozial kodierte Diskurse des vergnüglichen Lebens
Anne Kurr (Hamburg): Unverdientes Vergnügen? Mediale Figuren der Oberschicht in der frühen Bundesrepublik
Erik Koenen (Bremen): Städtische Freizeit als Medienvergnügen. Überlegungen zur sozialen Geschichte urbaner Mediennutzung (1890-1930)
Moderation: Yvonne Robel (Hamburg)

13:45 Uhr Schlussdiskussion

Kontakt

Yvonne Robel
Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH)
Beim Schlump 83, 20144 Hamburg
040/431397-35
robel@zeitgeschichte-hamburg.de

Alina Laura Tiews
Forschungsstelle Mediengeschichte
c/o Universität Hamburg, Department Sprache Literatur Medien I
Von-Melle-Park 6, 20146 Hamburg
040/42838-3202
alina.laura.tiews@uni-hamburg.de


Redaktion
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