Protestanten und Juden zwischen "Wahlverwandtschaften" und unmöglichem Dialog?

Protestanten und Juden zwischen "Wahlverwandtschaften" und unmöglichem Dialog?

Veranstalter
Laurence Guillon, Katja Schubert, Université Paris Ouest Nanterre; Heidi Knörzer, Ecole Polytechnique, Paris
Veranstaltungsort
Konferenz
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
16.11.2017 - 17.11.2017
Deadline
30.05.2017
Website
Von
Heidi Knörzer

Protestants et juifs entre « affinités électives » et dialogue impossible?
Protestanten und Juden zwischen « Wahlverwandtschaften » und unmöglichem Dialog?

In den Feierlichkeiten, wissenschaftlichen Kontroversen und öffentlichen Debatten zum 500. Geburtstag des Thesenanschlags Martin Luthers zeigt sich immer wieder die Schwierigkeit einer angemessenen, nicht polemischen Auslotung des Verhältnisses des Protestantismus zum Judentum, zwischen Protestanten und Juden im Laufe der Jahrhunderte bis heute. Die an den französischen Universitäten Paris Nanterre und Paris Sorbonne Nouvelle im Herbst 2017 stattfindende Konferenz

Protestants et juifs entre « affinités électives » et dialogue impossible?
Protestanten und Juden zwischen « Wahlverwandtschaft » und unmöglichem Dialog?

möchte diese Fragestellung in einen deutsch-französischen Kontext stellen (Deutschland, Frankreich, Schweiz) und damit vor allem komparatistischen Forschungsansätzen und Fragen des « Transfert culturel » Priorität geben, die eine transnationale Reflexion und Vertiefung der Problematik erlauben. Kulturwissenschaftliche, soziologische, geschichtliche, politische, literarische, philologische und spirituelle Aspekte und Arbeitsweisen, die möglicherweise auch neue, noch wenig erforschte Fragestellungen aufwerfen, sind besonders willkommen.

Es gehört zu einem Gemeinplatz, dass die Reformation eine Zäsur im Verhältnis von Christen und Juden im deutschsprachigen und französischsprachigen Raum darstellt. Allerdings entwickeln sich die Auswirkungen dieser neugestalteten « Verhältnisse » gerade im Hinblick auf die Beziehung von Juden und Protestanten in den verschiedenen Regionen auf unterschiedliche Weise. In Frankreich haben beide Religionsgruppen den Status der Minderheit, woraus punktuell immer wieder spezifische Allianzen entstehen, die der französische Forscher Patrick Cabanel als « Wahlverwandtschaften » bezeichnet und dabei auch auf Goethes Prägung des Begriffs rekurriert. Cabanel zeichnet eine Landschaft von multiplen Beziehungen, Solidarisierungen, Anleihen, Transferts, aber auch gelegentlichen Konkurrenzsituationen auf. Hingegen neigen die Repräsentationen des Verhältnisses im deutschen Sprachraum zur Betonung der Spannungen, der Ungleichheit und der wachsenden starken Konkurrenz und Anfeindungen zwischen den beiden Gruppen. Uffa Jensen spricht in diesem Zusammenhang von den « gebildeten Doppelgängern », die die deutschen Protestanten in den Juden am Ende des 19. Jahrhunderts sehen. Die fortschreitende Integration von Juden in die deutsche Gesellschaft wurde von protestantischer Seite teilweise als Bedrohung der eigenen sozialen Position erlebt.

Das Nachdenken über protestantische Wahrnehmungen des Judentums und über jüdische Wahrnehmungen des Protestantismus, über Kontakte, Begegnungen, Konflikte, Kämpfe, Diskurse, Inspirationen, Identifikationen, Verschiebungen in den Verhältnissen sollen in ihrer Vielfältigkeit im Mittelpunkt der Tagung stehen. Vom Unverständnis bzgl « des Anderen », das reale Ausschluss- und Verfolgungssituationen erzeugen kann und im Nationalsozialismus seinen schärfsten Ausdruck fand, über die Frage der Toleranz zu Praktiken des Zusammenarbeitens und -lebens und des gelingenden oder scheiternden (interreligiösen) Dialogs ist ein weites Spektrum für die gemeinsame Arbeit der Kolloquienteilnehmer - und teilnehmerinnen eröffnet. Dabei wird der « doppelte deutsch-französische Blick » immer wieder auch Asymmetrien zu verhandeln haben. Während man in Frankreich heute gerne von « sensibilité particulière » (A. Kaspi) und « fraternité exigeante » (Jean-Charles Tenreiro) spricht, situieren sich die deutschen protestantischen Stimmen, trotz vielfältiger Dialogpraktiken und auch Versuchen der Identifikation mit dem Judentum, auch weiterhin in einem Raum, der massgeblich von der Shoah geprägt ist.

Themenvorschläge:

1. Juden und Protestanten zur Zeit der Reformation:
Jüdische Reaktionen auf die Reformation und Vorschläge von Alternativen. Luther, der Antisemit, und Calvin der Philosemit? Juden und Hugenotten, die Zeit der Marginalisierung und Verfolgung.

2. Juden und Protestanten im Zeitalter der Aufklärung:
Zaghafter Beginn eines « deutsch-jüdischen Dialogs » (Moses Mendelssohn). Die Philosophie der Aufklärung und die Frage der Religion. Juden und Protestanten in Kunst und Literatur.

3. Juden und Protestanten im 19. Jahrhundert:
Protestantische Einflüsse auf das Reformjudentum. Mission und Konversion. Juden und Protestanten und der Antisemitismus.

4. Juden und Protestanten zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Erster Weltkrieg und Weimarer Republik: Solidarität und Animosität während des Kriegs, die Zeitschrift Die Kreatur , Martin Buber…

5. Juden und Protestanten in Faschismus und Nationalsozialismus
Kollaboration und Opposition/Widerstand. Rolle von Protestanten in Deutschland und Frankreich bei der Rettung von Juden.

6. Die Beziehungen von Juden und Protestanten nach 1945
Die Protestanten und die Shoah. Theologie nach Auschwitz. Der jüdisch-christliche Dialog. Gesellschaft für christlich-Jüdische Zusammenarbeit, les sociétés d’amitié judéo-chrétienne.

7. Juden und Protestanten heute
Die Protestanten und Israel/Palästina. Juden und Protestanten und 500 Jahre Reformation.
Antisemitismus und Philosemitismus.

Die Konferenz fordert vor allem jüngere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit « originellen » Forschungsarbeiten zur Teilnahme auf.
Datum: 16. und 17.11.2017.
Wir bitten alle interessierten Teilnehmer, sich rechtzeitig um eine Teilfinanzierung für Reise und Unterkunft bei ihren eigenen Universitäten und Forschungslaboren zu bemühen, da eine Mischfinanzierung zwischen Paris und den anderen Universitäten vorgesehen ist.

Die Vorschläge für die Referate schicken Sie bitte bis zum 30. Mai an die folgenden Adressen:

laurence.guillon@u-paris10.fr
heidiknörzer@web.de
kschubert@u-paris10.fr

Programm

Kontakt

Heidi Knörzer

Ecole Polytechnique, 91120 Palaiseau

0033169333333

laurence.guillon@u-paris10.fr
heidiknörzer@web.de
kschubert@u-paris10.fr