Unter Leitung von Martin Mulsow, Iris Schröder und Olaf Simons veranstaltet das Forschungszentrum Gotha am 23. Juni 2017 einen eintägigen Workshop zum Thema Gotha und die naturwissenschaftlichen Journale um 1800.
Gotha entwickelt sich im ausgehenden 18. Jahrhundert unvermerkt zu einem Wissenschaftsstandort mit eigener Strahlkraft – die Sternwarte auf dem Seeberg setzt hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts international Maßstäbe. Dies hat zwar eine für Territorien dieser Größe fast typische Vorgeschichte in der Sammlungstätigkeit des Herrscherhauses, der neben Kunstkammer und Bibliothek ein Münzkabinett und eine Orientalia-Sammlung entstammen. Doch weisen die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts in Gotha Sonderentwicklungen auf: Ernst II. investiert massiv in die Naturwissenschaften. Auf dem Friedenstein wird experimentiert; der Hof zieht Forscher an, die hier ohne die akademischen Positionen, die sie an Universitätsstandorten innehaben würden, forschen, aufbauen und publizieren. Der Hof finanziert die Anschaffung von Geräten sowie die dazugehörigen Baumaßnahmen. Gothas Verlagslandschaft bietet dabei eigene Standortvorteile, geographisch ebenso wie in ihrer intellektuellen Vernetzung.
Eine verkürzende Perspektive wäre es, hier das Ergebnis einer einfachen strategischen Entscheidung zu sehen: Weimar investiert in Dichtung, Gotha in Wissenschaften; hier wie da zeigen Höfe noch einmal, was sie gegenüber den größeren städtischen Kommunikationszentren können. Ebenso verkürzt wird die Interpretation sein, dass hier Hof und Territorium auf dem Weg in die bürgerliche Industrialisierung seien. Die überlieferten Dokumente zeugen vielmehr vom genuinen Interesse des Herzogs – einem Interesse, das sich der Repräsentation eher verweigert. Der wirtschaftliche Nutzen der hier geschehenden Forschung ist eher ganz am Rande ein Debattengegenstand. Dennoch werden hier die Weichen für das Gotha des 19. Jahrhunderts gestellt, das sich als Wissenschaftsstandort mit dem Perthes-Verlag behaupten wird.
Der zu Beginn des Jahres 2017 ins Leben gerufene „Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha“ wird in den nächsten fünf Jahren in einer Kooperation der Forschungsbibliothek und des Forschungszentrums Gotha der Universität Erfurt sowie der Stiftung Schloss Friedenstein mit dem Projekt „Gotha um 1800. Natur – Wissenschaft – Geschichte“ Licht auf die Sammlungen, ihre archivalische Dokumentation und die Protagonisten am Ort werfen und sich dabei den eben angeschnittenen Fragen stellen.
Der Workshop „Gotha und die naturwissenschaftlichen Journale um 1800. Das Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte“ gilt, das Terrain erkundend, einer der interessantesten Publikationen dieser Jahre. Von 1781 bis 1799 von Ludwig Christian Lichtenberg und ab Band 5 von Johann Heinrich Vogt in Gotha im Verlag Carl Wilhelm Ettinger herausgegeben, informiert das Magazin in einem breiten Themenspektrum über Experimente, internationale Publikationen, Preisausschreiben und Ereignisse aus der res publica literaria, die hier der modernen scientific community den Weg bahnt.
Am gemeinsamen Untersuchungsgegenstand sollen – in kurzen Impulsreferaten von zehn bis maximal 15 Minuten – unterschiedliche Perspektiven auf die Wissenschaften um 1800 und Gotha als Standort zum Tragen kommen. Der Schwerpunkt der Begegnung soll auf der Diskussion und dem wechselseitigen Austausch von Impulsen liegen, nicht auf ausgearbeiteten Darstellungen.