Das Schloss als Hörsaal. Ludwig Christian Lichtenbergs ‚Vorlesung über die Naturlehre‘ und die residenzstädtische Wissensproduktion um 1800

Das Schloss als Hörsaal. Ludwig Christian Lichtenbergs ‚Vorlesung über die Naturlehre‘ und die residenzstädtische Wissensproduktion um 1800

Veranstalter
Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha
Veranstaltungsort
Schloss Friedenstein, Räumlichkeiten der Forschungsbibliothek Gotha, Ostflügel, 2. Etage
Ort
Gotha
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.10.2017 - 24.10.2017
Deadline
15.10.2017
Von
Julia A. Schmidt-Funke

Das Gotha der Aufklärungszeit als Schauplatz physikalischer Experimente steht im Mittelpunkt der Tagung „Das Schloss als Hörsaal. Ludwig Christian Lichtenbergs ‚Vorlesung über die Naturlehre‘ und die residenzstädtische Wissensproduktion um 1800“, die am 23.-24.10.2017 vom Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha veranstaltet und von Dr. Gunhild Berg, Prof. Dr. Martin Mulsow und PD Dr. Julia A. Schmidt-Funke konzipiert und geleitet wird. Ausgangspunkte dafür sind Handschriften, die sich in der Forschungsbibliothek Gotha erhalten haben: Lichtenbergs Manuskript seiner „Vorlesung über die Naturlehre“ (FB Gotha Ch. B 1116) und die Mitschriften Herzog Ernsts II. zu den von Lichtenberg abgehaltenen „Physikalischen Lehrstunden“ (FB Gotha Ch. A 1273, FB Gotha Ch. A 1273, Ch. A 1065, Ch. B 1065a).

Unter Ernst II. wurde der Gothaer Hof zu einem Zentrum der aufgeklärten Wissenschaften, dem der Herzog nicht nur als Mäzen, sondern auch als Liebhaber der Experimentalphysik vorstand. Dieses Interesse dokumentieren die umfangreichen Notizen Ernsts II. zu dem naturkundlichen Privatissimum mit Dutzenden von besprochenen und vorgeführten Experimenten, das er sich von seinem Geheimen Archivar Ludwig Christian Lichtenberg halten ließ. Zusammen mit Lichtenbergs Manuskript einer „Vorlesung über die Naturlehre“ erlaubt diese aussagekräftige Überlieferung einen tiefen Einblick in die höfischen Wissenspraktiken und die anregende Atmosphäre des Gothaer Hofes um 1800. Die bislang kaum erschlossenen Quellen dokumentieren die spektakulären Experimente Lichtenbergs ebenso wie das ernsthafte Bemühen des Herzogs, das präsentierte Wissen zu durchdringen.

Lichtenberg, der für die von ihm wesentlich verbesserte Elektrisiermaschine überregional bekannt wurde, orientierte sich bei seiner Vorlesung für den Herzog nicht am Lehrbuch des Johann Christian Polycarp Erxleben, das erst infolge der Überarbeitungen des Göttinger Bruders Georg Christoph Lichtenberg zu einem Standard werden sollte. Vielmehr griff der Gothaer selbst auf die wichtigsten Lehrbücher der Zeit zurück, um ein eigenständiges Lehrwerk zu entwerfen. Dass er dies auch materialiter konnte, lag nicht zuletzt an der progressiven Anschaffungspolitik Ernsts II., der in Tausende naturwissenschaftliche Bücher sowie zahlreiche physikalische Apparate investierte. Denn das von Lichtenberg vorgetragene Wissen war nicht nur neu, es lebte zudem von den durchgeführten Experimenten, die sogar allerneueste, in Zweifel gezogene Versuche nachbauten und auf die Probe stellten. Die höfische Gesellschaft der Amateurwissenschaftler unterhielt sich nicht nur, sie forschte, experimentierte und publizierte.

Die Arbeitstagung wird Lichtenbergs „Vorlesung über die Naturlehre“ in ihre Wissenshorizonte und Entstehungskontexte einordnen, die Bezüge zu gleichzeitigen Forschungsaktivitäten am Gothaer Hof aufzeigen und die Manuskripte selbst einer intensiven Lektüre unterziehen. Ziel ist es, das Material zu erschließen und mit den Gothaer Sammlungsbeständen zu verbinden: die darin erwähnten naturwissenschaftlichen Werke, Apparate und Instrumente mit den Bibliotheks- und Museumsbeständen, mit archivarischen Aufzeichnungen sowie mit der Gothaer Publizistik, u.a. dem von Lichtenberg herausgegebenen „Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte“. Fragen stellen sich dabei insbesondere nach den konkreten Inhalten der Experimentalvorlesung, ihrer Aktualität und Rezeption sowie nach den vorgeführten Versuchen, den dazu benötigten Apparaten, deren Anschaffungswegen und Mechanikern. Gefragt werden muss zudem nach der Vernetzung der ‚scientific community‘ in persönlichen wie publizistischen Netzwerken sowie nicht zuletzt nach dem Verhältnis von (akademischer) Wissenschaft und (höfischem) Dilettantismus.

Anmeldungen zur Tagung werden bis 15. Oktober 2017 erbeten an julia.schmidt-funke@uni-erfurt.de.

Programm

Montag, 23.10.2017

13.00 Uhr: Beginn der Tagung
13.00-13.15 Uhr: Begrüßung
13.15-13.30 Uhr: Grußwort des Staatssekretärs Markus Hoppe (TMWWDG)
13.30-14.00 Uhr: Gunhild Berg (Halle): Peripherie oder Zentrum? Gothaer Orte und Wege des Wissens. Zur Einführung in die Experimentalvorlesung von Ludwig Christian Lichtenberg

Sektion: Interpretationsräume des Wissens um 1800
Moderation: Alexander Schmidt (Jena)
14.00-14.40 Uhr: Paul Ziche (Utrecht): „Hinreisende Erwartung“ – Begrifflichkeiten des Forschens in Lichtenbergs Vorlesung zur Naturlehre
14.40-15.20 Uhr: Julia A. Schmidt-Funke (Gotha): Religion und Natur bei Ludwig Christian Lichtenberg

15.20-15.55 Uhr: Kaffeepause

Sektion: Orte und Wege der Wissensproduktion I
Moderation: Martin Eberle (Gotha)
15.55-16.35 Uhr: Martin Mulsow (Gotha): Lichtenberg innerhalb der Gothaer Hof- und Stadtgesellschaft
16.35-17.15 Uhr: Carsten Eckert (Gotha): Lichtenbergs gelehrte Gäste

17.15-17.40 Uhr: Kaffeepause

Sektion: Orte und Wege der Wissensproduktion II
Moderation: Holger Zaunstöck (Halle)
17.40-18.20 Uhr: Kathrin Paasch (Gotha): Gothaer Bibliotheken um 1800 als Bedingung residenzstädtischer Wissensproduktion
18.20-19.00 Uhr: Matthias Rekow (Gotha): Die Mitschriften Herzog Ernsts II. zu den physikalischen Lehrstunden und deren Auffindungszusammenhang

ab 19.30 Uhr: Gemeinsames Abendessen

Dienstag, 24.10.2017

Sektion: Wissensdistribution und -repräsentation in den Medien
Moderation: Wolfgang Struck (Erfurt)
09.00-09.40 Uhr: Olaf Simons (Gotha): Ludwig Christian Lichtenberg als Publizist
09.40-10.20 Uhr: Marie-Theres Federhofer (Tromsø): Höfisch-urbaner Dilettantismus: Ludwig Christian Lichtenberg

10.20-10.45 Uhr: Kaffeepause

Sektion: Experimentelles Wissen in Lichtenbergs Naturlehre
Moderation: Gunhild Berg (Halle)
10.45-11.25 Uhr: Andreas Kleinert (Halle): Wie originell ist die Gothaer Vorlesung zur Naturlehre? Ludwig Christian Lichtenbergs Manuskript und die „Élémens de physique théorique et expérimentale“ von Joseph Aignan Sigaud de la Fond
11.25-12.05 Uhr: Jan Frercks (Flensburg): Chemische Theorien und Experimente in Lichtenbergs Vorlesung

12.15-13.00 Uhr: Gemeinsames Mittagessen

13.15-14.15: Kuratorinnenführung von Friedegund Freitag durch die Ausstellung „Voller Esprit und Wissensdurst – Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710–1767) in ihrer Zeit“

Sektion: Apparate der Wissensproduktion und ihre Edition
Moderation: Christoph Streckhardt (Gotha)
14.20-15.00 Uhr: Oliver Zauzig (Berlin): Vom wissenschaftlichen Apparat zum Sammelsurium. Universitäre physikalische Kabinette des 18. Jahrhunderts im Schatten der Sammlung Lichtenbergs
15.00-15.40 Uhr: Karsten Heck (Göttingen): Die Lichtenbergschen Dinge. Instrumente der Experimentalphysik Georg Christoph Lichtenbergs in Göttingen: Erschließung – Digitalisierung – Vernetzung

15.40-16.00 Uhr: Schlussdiskussion
16.00 Uhr: Ende der Tagung

Kontakt

PD Dr. Julia A. Schmidt-Funke

Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha
Schloss Friedenstein, 99867 Gotha
0049-3621-8234330

julia.schmidt-funke@uni-erfurt.de

https://www.gotha3.de/forschungsblog/archives/2721
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