Konzepte sexueller Gesundheit vom 18. bis zum 21. Jahrhundert - Jahrestagung 2018 des Vereins für Sozialgeschichte der Medizin – Geschichte(n) von Gesundheit und Krankheit

Konzepte sexueller Gesundheit vom 18. bis zum 21. Jahrhundert - Jahrestagung 2018 des Vereins für Sozialgeschichte der Medizin – Geschichte(n) von Gesundheit und Krankheit

Veranstalter
Verein für Sozialgeschichte der Medizin, Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck, Institut für Geschichte der Universität Klagenfurt, Montafoner Museen; Organisationsteam: Marina Hilber (Innsbruck), Michael Kasper (Schruns), Elisabeth Lobenwein (Klagenfurt), Alois Unterkircher (Ingolstadt), Alfred Stefan Weiß (Salzburg)
Veranstaltungsort
Montafoner Heimatmuseum, Schruns, Vorarlberg
Ort
Schruns, Vorarlberg
Land
Austria
Vom - Bis
08.11.2018 - 10.11.2018
Deadline
01.12.2017
Website
Von
Elisabeth Lobenwein, Deutsches Historisches Institut Rom

Über die Jahrhunderte hinweg beschäftigten sich die unterschiedlichsten Disziplinen mit dem Gegenstand „Sexualität“. Dabei definierten sie vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Wissenschaftstraditionen die Parameter, wann „Sexualität“ als moralisch gut oder verwerflich, wann als gesund oder krank oder wann diese für das Wachsen einer Nation als förderlich oder hinderlich anzusehen wäre. Die Meinungen, die die AkteurInnen aus Medizin, Biologie, Theologie, Pädagogik, den Rechtswissenschaften oder der Demographie dazu einnahmen und über zahlreiche Medien popularisierten, fielen in unterschiedlichen Zeiten sehr vielfältig aus.

So gilt heute als wissenschaftlich anerkannt, dass ein erfülltes Sexualleben Menschen weniger anfällig für physische wie psychische Krankheiten macht und somit zu einem längeren, zufriedenerem bzw. qualitätsvollerem Leben verhelfen kann. Vor gut 60 Jahren hingegen sorgten bestimmte Themen wie beispielsweise die Sexualerziehung der Jugend noch für heftige gesellschaftspolitische Diskussionen, und von der Heterosexualität abweichende Sexualitäten wurden in den meisten Ländern erst seit kurzem entpathologisiert und entkriminalisiert. Die Voraussetzungen für die Sichtweise, dass Sexualität zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden beitragen kann, hängen wiederum stark mit dem Wissen über relevante physiologische Abläufe und mit der Kenntnis über den eigenen Körper zusammen. Nicht zuletzt erleichtern demokratische Strukturen und eine liberale Gesellschaft die Akzeptanz des eigenen sexuellen Begehrens und fördern somit einen entspannten Blick auf die eigene und „fremde“ Sexualität.

Sex ist also gesund – so zumindest der allgemeine Konsens zu Beginn des 21. Jahrhunderts! Die Tagung möchte das Thema „Sexualität“ daher nicht in Hinblick auf seine Gefährdung für die Gesundheit betrachten (etwa durch sexuell übertragbare Krankheiten, juristisch als kriminell definierte sexuelle Handlungen etc.), sondern ausgehend von der 1975 formulierten Definition der WHO zu sexueller und reproduktiver Gesundheit die gesundheitsfördernden, präventiven Aspekte von „Sexualität“ in einer breiten zeitlichen Perspektive vom 18. bis zum 21. Jahrhundert beleuchten. Fokussiert werden dabei Konzepte, Diskurse und AkteurInnen, die sich in unterschiedlichen sozialen, räumlichen und zeitlichen Kontexten der Förderung sexueller Gesundheit verschrieben haben. Inhaltlich möchte die Tagung vier Kernthemen diskutieren:

(1) Konzepte: In einem ersten thematischen Schwerpunkt sollen die unterschiedlichen Ansätze der Sexualwissenschaft kritisch hinterfragt werden. Welche Vorstellungen vertraten ÄrztInnen, PädagogInnen, PsychologInnen etc. im Laufe der Zeit und wie wurde der Zusammenhang von Gesundheit und Sexualität interpretiert? Welche sexualmedizinischen Denkkollektive etablierten sich? Welche wissenschaftliche Paradigmen konnten im öffentlichen Bewusstsein verankert werden, bzw. wie durchsetzungskräftig und nachhaltig war und ist das Wissen um Sexualität(en) in der Bevölkerung? Welche Rolle spielten die normativ regulierenden Sanitätsbehörden in diesem Prozess? Welche Initiativen gingen von staatlicher Seite aus, und welche Initiativen entstanden abseits des Mainstream (etwa in alternativmedizinischen oder queeren Kontexten)?

(2) Medien: In diesem Schwerpunkt wollen wir der Frage nachgehen, wie das jeweilige Wissen um sexuelle Gesundheit transportiert und popularisiert wurde. Der Fokus des Interesses liegt dabei nicht allein auf wissenschaftlichen Fachzeitschriften oder historischer und aktueller Ratgeberliteratur, sondern inkludiert ganz wesentlich audiovisuelle und virtuelle Formen von Medialität (u. a. Werbung, Film und Fernsehen, Social Media).

(3) Räume und Interaktionen: Der dritte Themenblock widmet sich der räumlichen Verortung sexueller Gesundheit. In welchen Räumen wurde Sexualität thematisiert, diskutiert und gelebt? Wann und wie entwickelten sich eigene Zentren für sexuelle Gesundheit und wie interagieren ProfessionistInnen und KlientInnen sowie PatientInnen in diesen (medikalen) Räumen? Gefragt wird hier jedoch nicht nur nach geschützten Räumen therapeutischer Interaktion, sondern auch nach der Aneignung öffentlichen Raums. Wo wird sexuelle Gesundheit im Alltag sichtbar? Wo konstituieren sich (temporäre) Räume sexueller Gesundheit und wie werden sie von verschiedenen AkteurInnen genutzt.

(4) Körperwissen: Der letzte Schwerpunkt möchte sich der PatientInnen-Perspektive im Porter’schen Sinne annähern. Wie schreiben und erzählen Menschen verschiedenster sexueller Orientierung über ihren Umgang mit Sexualität? Welche Quellen stehen Forschenden zur Verfügung, um historische Perspektiven auf sexuelle Gesundheit zu re- bzw. dekonstruieren?

Ausgewählte Tagungsbeiträge werden nach einem Peer-Review-Verfahren in der Zeitschrift Virus: Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin veröffentlicht. Beiträge mit regionalem Bezug zu Vorarlberg/dem Montafon können in den Bludenzer Geschichtsblättern oder im Jahrbuch der Montafoner Museen veröffentlicht werden.

Bitte senden Sie Vorschläge für Einzelvorträge mit Abstracts von maximal einer Textseite bis zum 1. Dezember 2017 per E-Mail an Dr. Elisabeth Lobenwein: elisabeth.lobenwein@aau.at

Die Auswahl der Vorschläge für die Tagungsbeiträge wird von der Tagungsleitung gemeinsam mit dem Vereinsvorstand und den Kooperationspartnern diskutiert, eine Zu- oder Absage erfolgt bis spätestens Ende Jänner 2018, die Aussendung des vorläufigen Tagungsprogramms bis Ende Februar 2018. Selbstverständlich sind auch alle historisch Interessierten, die keinen eigenen Vortrag halten, bereits jetzt herzlich zur Teilnahme eingeladen.

Die Tagungsgebühr beträgt 80 Euro und deckt anfallende Kosten für Führungen, Getränke, Imbisse und Kaffeepausen ab.

Wir müssen leider darauf hinweisen, dass der Tagungsort nicht barrierefrei ist. Falls Sie Assistenz benötigen sollten, bitten wir uns dies im Vorfeld mitzuteilen, damit diese organisiert werden kann.

Für die Tagungsleitung und Organisation: Marina Hilber (Innsbruck), Elisabeth Lobenwein (Klagenfurt), Michael Kasper (Schruns), Alois Unterkircher (Ingolstadt), Alfred Stefan Weiß (Salzburg).

Kontakt:
Dr. Elisabeth Lobenwein
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Institut für Geschichte
Universitätsstraße 65–67
9020 Klagenfurt am Wörthersee
elisabeth.lobenwein@aau.at

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Concepts of Sexual Health from the 18th to the 21st Centuries

2018 Annual Conference of the Society for the Social History of Medicine – (Hi)stories of Sickness and Health

Various disciplines have addressed the topic of “sexuality” over the centuries. Whether medical experts, biologists, theologians, educational theorists, legal scholars or demographers, each discipline defined characteristic parameters against the backdrop of the epistemic traditions specific for their scholarly field. Thus, concepts of sexuality as moral or immoral, healthy or sickening, conducive or obstructive to the growth of nations varied profoundly over the course of time.

It seems common knowledge these days, that quality of life also depends on the experience of sexual satisfaction. Individuals appear less prone to acquire and suffer from physical or mental illnesses, thus living longer and leading happier lives. However, only about sixty years ago, topics such as teenage sexual education were likely to cause socio-political controversies. In many countries, sexualities deviating from the heterosexual norm have only recently been decriminalised and depathologised. Both, scientific knowledge on relevant physiological processes as well as increased bodily awareness are vital prerequisites for the establishment of an attitude that recognises sexuality as a beneficial contribution to physical and mental well-being. Finally, also democratic structures and liberal societies facilitate the acceptance of personal sexual desires and promote a relaxed view of one’s own and “other” sexualities.

According to the 21st century paradigm – sex is healthy! The conference choses a positive approach and does not intend to discuss sexuality regarding its health threats (i.e. sexually transmitted diseases, sexual actions defined as illegal etc.). Based on the concept of sexual and reproductive health, first issued by the World Health Organisation in 1975, we would like to concentrate on the wholesome, preventive aspects of “sexuality” in a broad historical perspective from the 18th to the 21st century. Our focus lies on concepts, discourses, and actors, promoting sexual health in various social and spacial contexts over time. Four key topics are addressed:

(1) Concepts: in this first focus we would like to scrutinise the different approaches used by sexual sciences. Which ideas were propagated by doctors, educators, psychologists, etc. throughout the centuries? How did they interpret the connection between sexuality and health? Which thought collectives were successfully established? Which scientific paradigm could enter common knowledge and how assertive and sustainable has sexual knowledge been in society? Which part did the normatively regulating health authorities play? Which sexual health promoting initiatives were state-induced? Which initiatives developed beyond the mainstream (i.e. alternative medical approaches or queer contexts)?

(2) Media: the second emphasis lies on the question of how sexual health knowledge was conveyed and popularised. This view does not only include scientific journals or historical and recent advice literature, but also audio-visual and virtual forms of media (i.e. advertising, film and TV-productions, social media). How has sexual health been addressed and displayed in the media? In which way have language and portrayal of health issues changed over time?

(3) Spaces and Interaction: the spacial positioning of sexual health constitutes our third focal point. In which spaces has sexuality been addressed, discussed and lived? At which times in history and under which presumptions did specific centres for sexual health develop? How have professionals and clients / patients interacted within those (medical) spaces? This does not only cover the protected and intimate spaces of therapeutic interaction but also the occupation of public space. Where does sexual health become visible in everyday life? Where do (temporary) spaces of sexual health evolve and how have they been utilised by the various players?

(4) Body Knowledge: our last key topic deals with the patient’s view (Porter, 1985). How do patients from diverse sexual orientation talk and write about sexuality? Which sources are available to researchers in order to re- and deconstruct historical perspectives on sexual health?

Selected papers will be published in the peer-reviewed journal Virus. Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin. Contributions related to Vorarlberg/Montafon topics can also be published in Bludenzer Geschichtsblätter or in the annual Jahrbuch der Montafoner Museen.

Please send your proposals for individual papers (max. 1-page abstracts) by December 1, 2017 to Dr. Elisabeth Lobenwein: elisabeth.lobenwein@aau.at

The conference committee will decide upon a selection of contributions for the conference programme in collaboration with the board of the Society for the Social History of Medicine and the cooperation partners. Notification will follow until the end of January 2018, the preliminary conference programme will be forwarded until the end of February 2018. Apart from the contributors, all historically interested are invited to join in the conference.

The conference fee amounts to 80 Euros and covers all expenses for guided tours, drinks, snacks and coffee breaks.

As the conference venue is not easily accessible for people with disabilities, we offer organised assistance. Please contact us beforehand if help is required!

On behalf of the Conference Committee:
Marina Hilber (Innsbruck), Elisabeth Lobenwein (Klagenfurt), Michael Kasper (Schruns), Alois Unterkircher (Ingolstadt), Alfred Stefan Weiß (Salzburg).

Contact:
Dr. Elisabeth Lobenwein
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Institut für Geschichte
Universitätsstraße 65–67
9020 Klagenfurt am Wörthersee
elisabeth.lobenwein@aau.at

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Elisabeth Lobenwein

Institut für Geschichte / Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Universitätsstraße 65–67 / 9020 Klagenfurt am Wörthersee

elisabeth.lobenwein@aau.at