Dynamiken der Viktimisierung - Opferschaft in historischer Perspektive (16.-20. Jahrhundert)

Dynamiken der Viktimisierung - Opferschaft in historischer Perspektive (16.-20. Jahrhundert)

Veranstalter
Prof. Dr. Harriet Rudolph, Lehrstuhl für Neuere Geschichte (Frühe Neuzeit), Prof. Dr. Isabella von Treskow, Lehrstuhl für Romanistik (Französische und Italienische Literatur- und Kulturwissenschaft)
Veranstaltungsort
Universität Regensburg, Vielberthgebäude H 25
Ort
Regensburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.10.2017 - 14.10.2017
Von
Prof. Dr. Harriet Rudolph

In den medialen Debatten der Gegenwart ist das „Opfer“ allgegenwärtig. Auch in der Geschichtswissenschaft, den Kulturwissenschaften und der Literaturwissenschaft werden in jüngster Zeit verstärkt Opfernarrative, Opferbilder und Opfermythen analysiert. Die Tagung zielt darauf, den analytischen Erkenntniswert des Konzepts der „Viktimisierung“ von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart auszuloten. Untersucht werden Prozesse der Herstellung von Opferschaft im Ergebnis von Akten der Selbst- oder Fremdbeschreibung als Opfer durch betroffene Personen oder soziale Gruppen oder ihr Umfeld. Sowohl theoretisch orientierte Vorträge als auch solche, welche Opferkonzepte in konkreten historischen Situationen in Europa und dem außereuropäischen Raum erörtern, sollen die komplexen Semantiken des Opfers in verschiedenen Kulturen sowie seine sich verändernden gesellschaftlichen Funktionen seit Beginn der Neuzeit freilegen. Dabei werden bis in die Vormoderne zurückreichende Tiefendimensionen von Opfervorstellungen sowie die jeweils zeitbedingten Formen ihrer Medialisierung – Narrative, Ikonografie, Dichtung, Performanz – in den Blick genommen, um die sozialen und politischen Dynamiken gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse über den Umgang mit Opfern herauszuarbeiten. Zentral ist darüber hinaus die Auseinandersetzung mit allgegenwärtigen dichotomen Deutungsansätzen (sacrificium/victima, Täter/Opfer, Opferrealität/Opfermythos), welche der Komplexität von Opferschaft als Verstehensparadigma nicht gerecht werden.

Programm

Donnerstag, 12. Oktober 2017
11.00 Grußwort des Präsidenten der Universität Regensburg, Prof. Dr. Udo Hebel
Eröffnung durch die Organisatorinnen
11.15-12.45 Sektion I: Opferkonzeptionen in den Geisteswissenschaften in (inter-) disziplinärer Perspektive
Harriet Rudolph (Regensburg): Geschichte der Sieger? Opferkonzeptionen in der Geschichtswissenschaft
Isabella von Treskow (Regensburg): Das Problem der Wertung: Opferkonzeptionen aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive
Henning Ernst Müller (Regensburg): Das Straftatopfer im Strafrecht und in der Kriminologie
12.45-14.00 Mittagspause
14.00-15.30 Sektion II: Konstruktionen von Opferschaft im frühneuzeitlichen Drama
Moderation: Matteo Galli (Ferrara)
Christiane Hansen (Freiburg i. Brsg.): Rekonfigurationen des Opfer(n)s um 1700: Relationale und prozessuale Perspektiven auf Logiken der Viktimisierung in der englischen „she-tragedy“
Simon Aeberhard (Basel): Kleists Penthesilea: Das Literaturtheater als ambivalente Institution des Gewaltaufschubs.
15.30-16.00 Kaffeepause
16.00-18.00 Sektion III: Opferkonstruktionen in anderen literarischen Gattungen
Moderation: Silke Segler-Meßner (Hamburg)
Ursula Regener (Regensburg): Ökonomien soldatischen Lebens. Stimulantien und Rechtfertigungen der Opferbereitschaft im Kontext der Befreiungskriege
Matteo Galli (Ferrara): Pathologisierung als Absolution? Opfer-Täter-Diskurse bei E. T. A. Hoffmann
Sabine Koller (Regensburg): (Auto-/Anti-)Viktimisierung in der jiddischen Literatur
19.30 Gemeinsames Abendessen (ReferentInnen und ModeratorInnen)

Freitag, 13. Oktober 2017
09.00-11.00 Sektion IV: Nationen und Staaten als Gegenstand von Opferdiskursen
Moderation: Anne Mariss (Regensburg)
Volker Depkat (Regensburg): Opferkonzepte im Kontext des American Exceptionalism
Rainer Liedtke (Regensburg): Ewige Opfer: Viktimisierungsdiskurse im modernen Griechenland
Marek Nekula (Regensburg): Tod und Auferstehung einer Nation: Religiöse Sprache im tschechischen ethnonationalen Opfernarrativ
11.00-11.15 Kaffeepause
11.15-13.00 Sektion V: Opferbilder – Visuelle Konstruktionen von Opferschaft in der Kunst
Moderation: Julian Jachmann (Regensburg)
Ruth S. Noyes (Middletown): “One of those Lutherans we used to burn in Campo de Fiore.” Refugee Convert Engravers and the Trans-cultural Dynamics of Victim[izing] Imprints ca. 1600
Francisco J. R. Chaparro (New York): Goya and the Humanitarian Revolution. The Construction of Victimhood in Late Modern Spain
Christoph Wagner (Regensburg): Visuelle Verstrickungen: Opfernarrative und Opferbilder in der Kunst seit Goya
13.00-14.30 Mittagspause
14.30-16.30 Sektion VI: Opfer-Täter-Relationen im Kontext von militärischer Gewalt
Moderation: Ger Duijzings (Regensburg)
Irène Herrmann (Genf): Mapping the Contexts of Victimhood
Sarah Thieme (Münster): “Unser Dank für sein Opfer sei die Rache!“ – Opfernarrationen im nationalsozialistischen Märtyrermythos
Nena Mocnik (Turku): “I was victim, but now I am survivor”: War-rape Survivors from Changing Narrative to Changing Identity
16.30-17.00 Kaffeepause
17.00-19.00 Sektion VII: Kontexte von Opferschaft im regionalen Fokus – Viktimisierungsdiskurse in Russland
Moderation: Ulf Brunnbauer (Regensburg)
Elena Smolarz (Bonn): Repräsentationen „unglückseliger russischer Sklaven“ in Zentralasien im 19. Jahrhundert: Historisch-semantische Analyse von akademischen Konstrukten und historischen Darstellungen
Julia Herzberg (München): Eiskalt. Autokratie und politische Verbannung im Zarenreich
Tanja Penter (Heidelberg): Das Ende der Sowjetunion und die Entdeckung der Opfer

Samstag, 14. Oktober 2017
09.30-11.00 Sektion VIII: Opferdiskurse und (über-)staatliche Institutionen in globaler Perspektive
Moderation: Henning Ernst Müller (Regensburg)
Lucky Igohosa Ugbudian (Uyo): Dynamics of Victimhood. The Nigerian Perspective
Christina Ullrich (Marburg): Opfer-Anerkennung als globalisierter Normbildungsprozess? Der Fall Kambodscha
Robert Uerpmann-Wittzack (Regensburg): Viktimisierung und Empowerment, oder: Staatliche Souveränität vs. Menschenrechte – Internationales Behinderten- und Flüchtlingsrecht im Vergleich
11.00-11.20 Kaffeepause
11.20-12.30 Abschlussdiskussion

Kontakt

Andrea.Stoeckl@geschichte.uni-regensburg.de

http://www.uni-regensburg.de