Über Tanz sprechen. Semantiken und Funktionen von Tanz im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Über Tanz sprechen. Semantiken und Funktionen von Tanz im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Zentrum für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, Graduiertenkolleg "Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts", Georg-August-Universität Göttingen, Philip Knäble, Gregor Rohmann, Julia Zimmermann
Veranstaltungsort
Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Historisches Gebäude Papendiek 14, 37073 Göttingen
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.01.2018 - 27.01.2018
Website
Von
Knäble, Philip

Das ambivalente Verhältnis von Disziplin und Ekstase, von Ordnung und Unordnung bildet ein Leitparadigma bei der Analyse bzw. Beschäftigung mit vormodernen Tänzen: Einerseits wird Tanz vielfach implizit oder explizit mit einer Transzendierung der Ordnung oder gar mit Unordnung gleichgesetzt. Andererseits konnte dem Tanz eine eminent Ordnung stiftende Bedeutung zukommen, etwa realiter dem höfischen Tanz oder im Imaginären den kosmologischen Vorstellungen vom ewigen Reigen der Gestirne bzw. Engel.
Für die Wahrnehmung von körperlicher Expression scheint freilich weniger die eindeutige Zuordnung zwischen den Polen Ordnung und Unordnung konstitutiv zu sein, als vielmehr eine ihr inhärente Ambivalenz: Gerade weil Tanz ordnungsstiftende Funktionen haben konnte, wurde er in der christlichen Kultur, die ja in vielerlei Hinsicht mit dem Anspruch der Negation des Bisherigen antrat, vielfach als Inbegriff der Unordnung ausgegrenzt. Diese Kopplung blieb aber in der vormodernen Gesellschaft immer umstritten: Tanz konnte gleichermaßen Ordnung und Unordnung bedeuten.
Und umgekehrt: Gerade weil ihm das Moment der Entgrenzung innewohnt, konnte der Tanz zum Medium der Normenreproduktion werden, da die Grenzen des Sagbaren, Machbaren, Denkbaren im Tanz selbst erfahrbar werden. Vielleicht deshalb blieb er in der europäischen Kultur stets attraktiv: Nicht als impliziter Akt des Widerstands gegen klerikale oder obrigkeitliche Normierungsversuche, sondern als Medium der Reproduktion gesellschaftlicher Grenzen.

Programm

FREITAG, 26.01.2018

13:15‒13:30 Begrüßung
Frank Rexroth (Göttingen)

13:30‒13:45 Einführung
Gregor Rohmann (Göttingen) / Julia Zimmermann (München/Münster)

I. Semantisierungen und Funktionen
Moderation: Julia Zimmermann (München/Münster)

13:45‒14:30 James Miller (London, Kanada)
Nucleus of the New Dance: The Augustinian Origin of Dante's Crown-Chorus (Paradiso 10-13)

14:30‒15:15 Cora Dietl (Gießen)
Tanz und Tabu: Zur Funktion der Tanzdarstellungen im „Lohengrin“

15:15‒15:45 Pause

15:45‒16:30 Ulrike Zellmann (Berlin)
Il ioco in ballo: Zum getanzten Schachspiel in der „Hypnerotomachia Poliphili“ im Spiegel zeitgenössischer Tanztrakte

II. Tanz und Zeremoniell
Moderation: Gregor Rohmann (Göttingen)

16:30‒17:15 Nicoletta Isar (Kopenhagen)
Byzantine Chorographies: Dancing/Dwelling into the Sacred Space of Chôra

17:15‒17:45 Pause

17:45‒18:30 Friedrich Hausen (Dresden)
Ist spätmittelalterliche Kirchenmusik sublimierte Tanzmusik? Mittelalterliche Mehrstimmigkeit als gestische Polyphonie

18:30‒19:15 Wong Tsz (Göttingen)
Dance in the Realm of Zhu zaiyu (朱載堉): Exploring the Ceremonial Dance in Ming China

19:30 Abendessen

SAMSTAG, 27.01.2018
III. Tanz und Moral
Moderation: Philip Knäble (Göttingen)

9:15‒10:00 Valeska Koal (Hannover)
„Ego libenter currebam ad tripudia“: Die Predigten des Johannes Capestrano im Kontext spätmittelalterlicher Tanzdebatten

10:00‒10:45 Marie-Thérèse Mourey (Paris)
Zwischen David und Dionysos: Konkurrierende Bilder und Semantiken der Tanzdiskurse in der Frühen Neuzeit

10:45‒11:15 Pause

11:15‒12:00 Alessandro Arcangeli (Verona)
The Sign and the Object: Towards a Semiotics of Dance Vocabulary in the Pre-modern Moral Discourse

IV. Ordnungen und Unordnungen
Moderation: Katharina Mersch (Göttingen)

12:00‒12:45 Christoph Winterer (Mainz)
Ringen mit der Ordnung: Bilder von Davids Tanz in Früh- und Hochmittelalter

12:45‒14:15 Mittagspause

14:15‒15:00 Stephanie Schroedter (Berlin)
Zum kritischen Potenzial prädramatischer Tanzgrotesken: Strategien musikalisch-tänzerischer Opposition

15:00‒15:45 Gerrit Berenike Heiter (Leipzig)
Die Genese des Livret de ballet des französischen Ballet de cour: Vom Festbericht zum fixen Bestandteil der Aufführung

15:45‒16:15 Abschlussdiskussion

Kontakt

Philip Knäble

Graduiertenkolleg "Expertenkulturen des 12. bis 18. Jahrhunderts"

philip.knaeble@phil.uni-goettingen.de