Tourismus nach Plan:
Begegnungen, Deutungen und Erfahrungen im östlichen Europa während des Kalten Krieges
(English version see below)
Lüneburg, 8. – 10. November 2018
Die geplante Tagung beschäftigt sich mit dem Tourismus in das östliche Europa nach 1945. Aufgrund der politischen Situation im Kalten Krieg kam eine besondere Art des kontrollierten Reisens zustande, die seit den 1950er Jahren eine stetig anwachsende Bedeutung für die Kontakte zwischen Ost- und Westeuropa hatte. Die Länder Ost- und Ostmitteleuropas bieten viele Beispiele dafür, wie Tourismus instrumentalisiert wurde, das sozialistische System zu präsentieren und zu propagieren – nach innen wie nach außen.
Das Ziel der Tagung besteht darin, anhand vielfältiger Beispiele die unterschiedlichen Modi zu diskutieren, in denen Länder, Regionen oder Orte durch touristische Begegnungen erfahren und gedeutet wurden. Im Vordergrund stehen dabei die Unterschiede zwischen verschiedenen Zielen und Funktionen des Tourismus auf Seiten der Reisenden (Erholungsreisen, Bildungsreisen, familiäre Bindungen, Heimattourismus, dark tourism etc.) sowie auf Seiten der Gastgeberländer. Welche Rolle spielen tradierte Interpretationsmuster, aber auch aktuelle politische Ereignisse, Werbung oder familiäre Verbindungen? Was waren die Funktionsweisen, aber auch die Grenzen und Unzulänglichkeiten der touristischen Einrichtungen? Gleichzeitig soll gefragt werden, welcher Praktiken sich die Gastgeberländer bedienten, um bestimmte Lesarten der touristisch genutzten Orte zu befördern? Und wie veränderten diese die Sichtweise der Bevölkerung auf ihre eigene Umwelt?
Tourismus im östlichen Europa erforderte eine besondere Kontrolle über die organisatorischen Arrangements, die den Tourismus überhaupt ermöglichten. Sie sollen ebenfalls auf der Tagung diskutiert werden: Von Reisebüros über die örtlichen Anbieter bis hin zu Tourismusbehörden mussten Infrastrukturen geschaffen und kontrolliert werden, welche die für den Fremdenverkehr gesetzten Ziele zu verwirklichen versprachen. Dasselbe galt für die Produktion publizistischer Anleitungen wie Reiseführer und Broschüren. Die Definitionshoheit über die touristischen Orte musste den Staats- und Parteiführungen umso wichtiger sein, da die aus dem Westen einreisenden Gäste ihnen mitunter ganz andere Bedeutungen zuschrieben. Dies galt besonders für aus den jeweiligen Regionen stammende Deutsche oder für die Mitglieder der baltischen, polnischen, jüdischen oder anderen Exilgemeinschaften, die in Ostmitteleuropa ihren eigenen Traditionen nachspürten. Der Einfluss dieser Gruppen machte Tourismus auch zu einer Gefahr für die sozialistischen Systeme.
Mit der Tagung streben wir an, Erfahrungen, Adaptionen und Ordnungen als Themen von Tourismus zu analysieren und zueinander in Beziehung zu setzen. Unmittelbare Erlebnisse ermöglichten im Rahmen vorhandener Deutungsmuster spezifisch touristische Erfahrungen. Wodurch wurde ihre Erfahrung geprägt? Was war für sie konstitutiv? Und wie wurden sie weitertransportiert, sei es in Form von Erzählungen, Fotoalben oder anderen Sammlungen?
Der „touristischen Blick“ (J. Urry) beeinflusst aber auch die Wahrnehmung des Landes durch seine Einwohner. Lokale Verwaltungen, Fremdenverkehrsämter oder Reiseunternehmen passten sich dem in der Regel an. Dabei wurden bestehende Orte, Landschaften oder Gebäude und in neue Bedeutungskontexte adaptiert. Die nationalisierende Repräsentation des deutschen Erbes in ostmitteleuropäischen Innenstädten für den Fremdenverkehr ist ein Beispiel dafür. Gleichzeitig wirkten der direkte Austausch und persönliche Begegnungen auf diese Erfahrungen ein.
Vorschläge (auf Deutsch oder Englisch) mit einem maximal halbseitigen Abstract und einem kurzen CV sollen bis zum 19. März 2018 bei PD Dr. David Feest (d.feest@ikgn.de) eingereicht werden.
Die Bewerber/-innen werden bis zum 9. April 2018 informiert. Die Reise- und Übernachtungskosten werden für Vortragende übernommen.
Controlled Tourism
Encounters, Interpretations and Experiences in Eastern Europe during the Cold War
Lüneburg, 8 – 9 November 2018
The planned conference will address the theme of tourism in Eastern Europe after 1945. As a result of the political situation during the Cold War an unusual form of controlled travelling came into practise, which shaped the character of east-west relations in Europe with increasing strength in the 1950s. The countries of eastern and central Europe offer many examples of the ways in which tourism was used as a tool for presenting and propagating the socialist system, both at home and abroad.
The purpose of the conference is to address with specific examples the various ways in which countries, regions and places were experienced and interpreted through touristic encounters. Of primary concern are the differences among various tourist destinations and purposes (including recreation, education, the discovery of family and homeland connections, “dark tourism”, etc.) from the traveller’s point of view as well as the host’s.
What role was played by traditional interpretative models, by contemporary political events, by advertisements or family ties? How did facilities for tourists operate, and what were their limits and inadequacies? At the same time it should be asked, what techniques did the host countries use to promote a certain vision of particular tourist destinations? And how did these affect the ways in which the permanent population viewed their own environment?
Tourism in Eastern Europe required a special degree of control over the organisational arrangements that made tourism possible at all. These should also be discussed at the conference: From travel agencies to local providers of hospitality to tourist bureaus, infrastructures had to be created and controlled that could make the flow of tourist traffic to selected destinations a reality. The same was true of the production of promotional materials such as guide-books and brochures. The authority to define the character of tourist destinations must have been all the more important to political and party leaders in that visitors from the west sometimes ascribed completely different meanings to them. This was especially true for Germans who originated from the respective region, or likewise for members of the Baltic, Polish, Jewish, or other exile communities in search of their own traditions. The visitors’ influence caused tourism also to represent a danger for the socialist system.
The conference offers participants an opportunity to analyse and describe the relationships among experiences, adaptations and regulations as themes of tourism. Direct personal contact made possible specific experiences of tourism within the framework of prevailing interpretative models. What was constitutive for them? And how were these experiences passed on, either in the form of anecdotes, photo albums or other collections?
The “tourist gaze” (J. Urry) also influenced the way in which permanent residents viewed their own country. For the most part, local administrations, tourist bureaus and travel agencies adjusted to this way of looking. As a result, existing places, landscapes or buildings were adapted to a new way of making sense; the nationalising representation of the German heritage in East-Central-European inner cities an example for this. At the same time, direct exchanges and personal encounters had an influence on these experiences.
Proposals in German or English with a half-page abstract and a short curriculum vitae should be submitted to PD Dr. David Feest (d.feest@ikgn.de) by 19 March 2018 at the latest.
Applicants will be informed of a decision by 9 April 2018. Travel and lodging expenses will be assumed by the conference organisers.