(English Version below)
In den rechtsextremen (Sub)Kulturen Europas lässt sich seit einigen Jahren wieder ein verstärkter Rückgriff auf vermeintliche historische Traditionen beobachten. Dabei steht nicht ausschließlich die jüngere Geschichte im Vordergrund, sondern es werden Geschichtsbilder aktiviert, die bis in vor- und frühgeschichtliche Zeiten zurückreichende Traditions- und Herkunftslinien zeichnen. Insbesondere vorchristliche, als „heidnisch“ bezeichnete Gesellschaften dienen hier als Identifikationsobjekte und Projektionsflächen für scheinbar „natürliche“ und „unverfälschte“ Lebensbilder und Gesellschaftsordnungen.
Abweichend von wissenschaftlich-differenzierenden Erkenntnissen werden Gruppen wie z.B. Germanen, Slawen oder Wikinger als monolithische ethnische Einheiten gedeutet und als anzestrales Ideal glorifiziert. Die Konstruktion solcher ethnischer Kontinuitäten reproduziert Auffassungen von zumeist biologistisch verstandenen Zugehörigkeiten im Sinne eines Ethnonationalismus und schafft gleichzeitig Abgrenzungen gegenüber anders interpretierten historischen und rezenten Gesellschaften. Diese Abgrenzungsbestrebungen äußern sich nationalistisch, rassistisch, antisemitisch und antiklerikal.
Im Rahmen des Workshops soll zum Einen ganz allgemein untersucht werden, nach welchen Prämissen das Aufgreifen/Reproduzieren/Verwenden derartiger (neo-)völkischer Geschichtsbilder und -narrative in rechtsextremen Ideologien stattfindet und welchen Denktraditionen es folgt. Besonderes Augenmerk gilt hier dem Rückgriff auf vermeintlich ethnische bzw. rassische Herkunftserzählungen, die mit bestimmten religiösen Vorstellungen gekoppelt werden, und deren „Ursprünglichkeit“ gegenüber den „Verfälschungen“ durch Juden-/Christentum, Zivilisation und Moderne überhöht wird.
Daneben gilt das Interesse des Workshops auch Formen der Verortung ganz bestimmter Gesellschaftsbilder, wie etwa sozialer Hierarchien und Geschlechterrollen, an einen imaginierten Ursprung bzw. in eine weit(er) zurückliegende Vergangenheit, sowie der Vermittlung ihrer „Wiederherstellung“ als notwendiger Rückkehr zur „natürlichen Ordnung“.
Darüberhinaus soll der Fokus anhand konkreter Beispiele auf selektive historisierende Bezüge und Vergangenheitsbilder gelegt werden, die ausgehend von rechten/rechtsextremistischen (Sub)Kulturen ihren Weg bis in die Mitte der europäischen Gesellschaften finden. Beispielhaft sollen hier die Bereiche des Neopaganismus, archäologisch-historischen Reenactments und der musikalischen Rock/Metal-Szene in den Blick genommen werden, zum Einen, weil hier Bezüge auf heidnisch-religiöse und ethnisch-völkische Traditionen besonders virulent erscheinen und sich beide Bereiche fest miteinander verschränken, und zum Anderen, weil in diesen Szenen vermutlich ein erklärter „Kulturkampf von Rechts“ durch organisierte rechte/rechtsextremistische Netzwerke ausgetragen wird. Da die Vernetzung in diesen Bereichen europäische bis globale Dimensionen annimmt, möchten wir einen regionalen Schwerpunkt auf die Gebiete Mittel- und Osteuropas setzen.
Beitragsvorschläge können sich an den folgenden potenziellen Themenblöcken orientieren:
- historische Mythen, Neo-Paganismus, rechte Esoterik
- archaische Gesellschaftsbilder und Geschlechterdarstellungen in rechten Ideologien
- Geschichtsbilder im archäologisch-historischen Reenactment am rechten Rand
- musikalische Subkulturen mit neo-völkischem Geschichtsbezug
- (ggf. als Beitrag für einen Runden Tisch: „heidnische“ Symbole in rechtsextremen (Sub)kulturen)
Der Workshop findet am 27. und 28. September 2018 am Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig in den Sprachen Deutsch und Englisch statt.
Abstracts mit bis zu max. 2000 Zeichen ergänzt um eine Kurzbiographie können bis zum 31. Juli 2018 eingereicht werden an: karin.reichenbach@leibniz-gwzo.de.
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Neo-völkisch Conceptions of History in Popular Appropriations of the Past in Eastern Europe. Modern Paganism – Historical Re-enactment – Music Scene
In right-wing extremist (sub)cultures a renewed recourse to alleged historical traditions can be observed in recent years. It is however not so much modern or contemporary history, but rather conceptions of lineages of tradition and origin reaching far into pre- and early history that seem to be invoked here. Especially historically pre-Christian, so-called pagan societies serve as an object of identification and a projection screen for images of a “natural”, “pure” life and social order. Divergent to the complex and differentiating notions of most academic research today, historical groups such as Germanic people, Slavs or Vikings are interpreted as monolithic, ethnic entities, and glorified as an ancestral ideal. The construction of such ethnic continuities reproduces conceptions of rather biologistically understood affiliations in the sense of ethno-nationalisms while at the same time instigating the exclusion of historic and present societies that are perceived as different. Those ambitions of delimitation and exclusion can pave the way for nationalism, racism, anti-clericalism and anti-Semitism.
The workshop strives on the one hand for a general investigation of the premises under which the creation, reproduction and usage of (neo-)völkisch historical images and narratives occur in rightist ideologies and which traditions of thought they follow. Special attention shall be given to references to ethnic resp. racist narratives of origin that are linked with religious perceptions and overstate a “nativeness” against a postulated corruption by Judaism, Christianity, civilisation and modernity.
We also would like to focus critically on modes of tracing certain societal ideas, such as social hierarchies or gender roles back into an archaic past to an imagined origin, including the claim for their reestablishment as an inevitable return to a “natural order”.
On the other hand the workshop shall discuss concrete examples of selective, historicizing references to and conceptions of pre- and early history in rightist and right-wing extremist (sub)cultures and how they may channel neo-völkisch images of the past into the centre of European societies. Exemplarily we want to explore the spheres of Modern Paganism, archaeological-historical re-enactment and the Rock/Metal music culture, since references to pagan-religious and völkisch-ethnic traditions seem particularly prevalent here and these scenes supposedly form arenas of a declared “culture war from the Right” by organised political networks. To set a regional focus, we would like to concentrate on the areas of Central and Eastern Europe.
Contributions may refer to the following potential thematic blocks:
- Historic myths, Neo-Paganism, rightist esotericism
- projections of archaic societal conceptions and gender images in rightist scenes
- history conceptions in archaeological-historical re-enactment and the Far Right
- neo-völkisch-historic references in musical subcultures
- (optionally as Round Table presentations: “pagan” symbols in rightist subcultures of Central and Eastern Europe)
The workshop will be held September 27-28, 2018, at the Leibniz-Institute for the History and Culture of Eastern Europe (GWZO) in Leipzig, Germany. Workshop languages will be German and English. We welcome abstracts up to max. 2,000 characters plus a short biographical note until July 31, 2018 sent to karin.reichenbach@leibniz-gwzo.de.