Die Beschäftigung mit der deutschen Kolonialgeschichte wurde lange Zeit vernachlässigt. Erst in den letzten Jahren erfolgte vermehrt eine Auseinandersetzung mit der Thematik unter geschichts- und sozialwissenschaftlichen Aspekten. Auswirkungen und Folgen des Kolonialismus – sowohl in den ehemaligen Kolonien als auch in Deutschland – werden unter postkolonialen Perspektiven kritisch reflektiert. Anstöße hierfür kamen aus rassismus-kritischen Initiativen und Selbstorganisationen.
Nicht nur auf nationaler (Ausstellung Deutscher Kolonialismus im Deutschen Historischen Museum in Berlin 2016/17), sondern auch auf regionaler Ebene hat die Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus Resonanz gefunden. Lokale Initiativen (z.B. Bielefeld postkolonial, Dortmund postkolonial) und Universitäten (Bielefeld, Münster, Paderborn) haben durch verschiedene Aktivitäten (Seminare, Veröffentlichungen, Straßenumbenennungen, Stadtrundgänge, Ausstellungen, Websites) die Zeit des deutschen Kolonialismus als regionalgeschichtlich relevantes Thema entdeckt. Im Rahmen der gegenwärtigen Diskussion um die Rückgabe von Objekten, die in kolonialen Kontexten nach Europa kamen, erfahren ethnographische Sammlungen hinsichtlich ihrer Provenienz eine Überprüfung, die ggf. mit einer kritischen Neueinordnung dieser Objekte in der Präsentation einhergeht.
Die Tagung möchte Spuren des Kolonialismus in Westfalen-Lippe kenntlich machen, eine Auseinandersetzung mit dem Thema Kolonialismus auf regionaler Ebene anstoßen sowie einen Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Museen sowie (lokal-)historisch Engagierten anregen und Perspektiven hinsichtlich des Umgangs mit dem kolonialen Erbe diskutieren.
Eine Publikation der Beiträge zur Tagung wird angestrebt.
Mögliche Fragen und Aspekte:
- Koloniale Kontinuitäten im Alltag
- Berührungspunkte der Bewohnerinnen und Bewohner Westfalens mit deutschen (oder anderen) Kolonien vor und während der Kolonialzeit
- Menschen aus den Kolonien in Westfalen-Lippe (biographische Aspekte, Agency, Kriegsgefangenenlager Münster und Sennelager)
- Wirtschaftsbeziehungen zwischen Kolonialisierten und Kolonialmacht mit Bezug zu Westfalen-Lippe
- Westfalen in den Kolonien – Händler/ Kaufleute, Unternehmer, Verwaltungsbeamte, Lehrer, Missionare, Soldaten, Sammler, Siedler… (biographische Aspekte, Agency)
- Verhältnis von Mission und Kolonialismus
- Koloniale/ globale Handelsbezüge von in Westfalen-Lippe ansässigen Kaufleuten oder Unternehmer
- Kolonialismus im deutschen Alltag – Kolonialwarenläden, Völkerschauen, Kolonial- bzw. Gewerbeausstellungen
- Welche Bilder und koloniale Phantasien entwickelten die Menschen hierzulande? Aus welchen Quellen setzten sich diese Bilder zusammen? (Briefe aus den Kolonien, Zeitungsberichte)
- Engagement der Einwohnerinnen und Einwohner Westfalens für die „koloniale Sache“ vor, während und nach der Kolonialzeit (Deutsche Kolonialgesellschaft, Vorträge, Kolonialfeste, Benennungen von Orten)
- Erinnerungsorte an den Kolonialismus in Westfalen-Lippe; Umgang mit dem kulturellen Erbe des Kolonialismus (Straßenbenennungen, Denkmäler)
- Objekte/ Sammlungen, die in kolonialen Kontexten nach Europa gelangten, in westfälischen Museen; Einordnung und Präsentation dieser Objekte; Stand der Provenienzforschung
Organisatorischer Rahmen:
Die Tagungssprache ist Deutsch, Vorträge können auch in englischer Sprache gehalten werden.
Erbeten wird ein Abstract (1 Seite), begleitet von einem kurzen Lebenslauf, bis zum 15. November 2018 an folgende E-Mail-Adresse: sebastian.bischoff@uni-paderborn.de
Die Vorträge sollen nicht länger als 25 Minuten dauern, um genügend Zeit für eine intensive Diskussion zur Verfügung zu haben. Die Reise- und Übernachtungskosten für die Referentinnen und Referenten werden übernommen.