Medizintäter. Ärzte und Ärztinnen im Spiegel der NS-Täterforschung

Medizintäter. Ärzte und Ärztinnen im Spiegel der NS-Täterforschung

Veranstalter
Philipp Rauh, M.A., Dr. Susanne Ude-Koeller / Prof. Dr. Karl-Heinz Leven Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltungsort
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Ort
Erlangen
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.04.2019 - 02.04.2019
Deadline
20.01.2019
Website
Von
Rauh, Philipp

Call for Papers: Medizintäter. Ärzte und Ärztinnen im Spiegel der NS-Täterforschung (Tagung des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vom 01.-02. April 2019)

Wie keine andere Berufsgruppe waren Mediziner in die Rassen- und Vernichtungspolitik des „Dritten Reiches“ involviert. So beteiligten sich Ärzte als Kliniker, Wissenschaftler und Gutachter an den Zwangssterilisationen und „Euthanasiemorden“. Und auch die Selektion an der Rampe sowie das Aufdrehen des Gashahnes in den Konzentrations- und Vernichtungslagern Auschwitz und Majdanek wurden stets von SS-Medizinern vorgenommen. Sie zeichneten auch für die oft tödlichen Humanexperimente verantwortlich, die in vielen Konzentrationslagern durchgeführt wurden. Ohne die tatkräftige und fast ausnahmslos freiwillige Mithilfe von Ärzten wäre die Ermordung von sechs Millionen Juden, einer halben Million Sinti und Roma sowie 300.000 geistig Behinderten und psychisch Kranken nicht derart reibungslos möglich gewesen. Im Zentrum der geplanten Tagung steht deshalb die – immerzu aktuelle – Frage, wie Ärzte im „Dritten Reich“ zu Tätern wurden. Da diese Frage keine monokausalen Antworten zulässt, soll sich ihr aus verschiedenen Blickwinkeln genähert werden. Mentalitäts-, kultur- und ideengeschichtliche Ansätze sind dabei ebenso erwünscht wie sozialpsychologische Deutungsversuche oder (gruppen)biografische Analysen. Der genuine Blick auf die jeweiligen Medizintäter bzw. die Rekonstruktion ihrer Lebensläufe, ihres (fachlichen) Umfeldes und ihrer Ideenhaushalte sollen aus multiperspektivischer Perspektive erfolgen. Neben der „klassischen“ staatlichen Überlieferung bzw. der Hinzuziehung von Archivquellen aus Ärzte- und Parteikreisen müssten auch ärztliche Selbstdeutungen, Opferperspektiven und erinnerungskulturelle Sichtweisen berücksichtigt werden.
Inhaltlich-methodisch ergeben sich für die geplante Tagung drei Schwerpunkte. Der erste wird ein methodisch konnotierter Zugang zum Thema sein, der grundsätzlich nach den Potentialen der NS-Täterforschung für die Medizingeschichte fragt. Weitere mögliche Fragestellungen könnten hierbei die Bedeutung generationeller Prägungen, ideologischer Theoreme oder gruppendynamischer Prozesse für die ärztlichen „Karrieren der Gewalt“ sein. Ein zweiter Schwerpunkt wäre dann die Analyse konkreter Täter bzw. Tätergruppen. In diesem Zusammenhang wird nach Sozialisation, Motivation und Handlungsspielräumen der NS-Ärzte zu fragen sein. Neben „Euthanasieärzten“, KZ-Medizinern oder Militärärzten kommen grundsätzlich Ärzte jedweder Fachrichtung in Betracht. Dezidiert von Interesse sind dabei auch Medizintäterinnen. Aus vergleichender Perspektive sind zudem Beiträge über Ärzte denkbar, die im Angesicht nationalsozialistischer Rassen- und Vernichtungspolitik nonkonformes oder gar wiederständiges Verhalten an den Tag legten. Ein dritter Schwerpunkt wird die Zeit nach 1945 in den Blick nehmen. Welche medizinischen Tätertypen waren im gesellschaftlichen, medialen und (fach)öffentlichen Nachkriegsdiskurs vorherrschend? Und inwieweit hat sich das Bild vom Medizintäter über die Jahrzehnte gewandelt? Des Weiteren geht es hier auch um die Frage, auf welche Art und Weise es vielen NS-Medizinern nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelang, ihre Karrieren in Bundesrepublik, DDR oder im Ausland weitgehend ungestört fortzusetzen. Schließlich wären auch ausstellungspädagogische Referate wünschenswert, die sich mit der Problematik beschäftigen, wie Täterbilder heute ausgestellt bzw. einem breiten Publikum vermittelt werden können.

Fahrt- und Übernachtungskosten für Vortragende werden übernommen. Im Anschluss an die Tagung ist eine Publikation der Beiträge in einem Sammelband geplant. Wir bitten um die Einsendung eines Themenvorschlags für ein 30minütiges Referat und eines Abstracts von maximal einer Seite zusammen mit einem kurzen CV bis zum 20. Januar 2019 an:
Philipp Rauh (philipp.rauh@fau.de)

Programm

Montag, 1. April 2019

9.30 Uhr Eintreffen der Teilnehmenden
Kaffee und Imbiss

10.30 Uhr Begrüßung und Einführung

11.00 Uhr
1. Sektion: Methodisch-ideengeschichtlicher Zugang / Vorgeschichte

Moderation: Renate Wittern

Sadisten, Schreibtischtäter oder ganz normale Deutsche? Medizintäter im Spiegel der NS-Täterforschung (Philipp Rauh)

Den Volkskörper im Blick. Medizin und Ethik im Nationalsozialismus (Florian Bruns)

Zur Sozialpsychologie der Täter und Täterinnen (Hans-Ludwig Siemen)

13.00 Uhr Mittagessen

14.00 Uhr
Moderation: Nadine Metzger

Ist schuld weiblich? NS-Täterforschung am Beispiel des vergessenen Fräulein Professors Dr. med. dent. Elsbeth von Schnizer (Julia Nebe)

Die „therapeutischen Täter“ Fritz Kaufmann und Friedrich Panse. Zur Frage der Kontinuität im Umgang mit Kriegstraumata (Georg Hofer/Ralf Forsbach)

15.15 Uhr
2. Sektion: Zwangssterilisation und NS-„Euthanasie“

Moderation: Astrid Ley

„Marktplatz Zwangssterilisation“ – Der niedergelassene Chirurg Dr. Robert von Büng-ner und seine Kooperation mit der Landes-heilanstalt Uchtspringe, 1934-1936 (Sandra Rohloff)

Zwangssterilisationen am ehemaligen Kreis-krankenhaus Burg 1943-1944: der Chirurg und Gynäkologe Prof. Lotsch (1879-1958) – ein Operateur als Exekutive des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN)“ (Julia Vahldieck)

Richard Wilmanns (1880-1958), der Chirurg von Bethel – medizinhistorische Erkenntnisse und deren veränderte Wahrnehmung über die Zeit (Marion Hulverscheidt)

16.45 Uhr Kaffeepause

17.00 Uhr
Moderation: Fritz Dross

Zwischen Überzeugung und Anpassung? Motivationen und Handlungsspielräume des ärztlichen Personals einer psychiatrischen Anstalt zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Heilanstalt Zwiefalten 1936–1939 (Bernd Reichelt)

Der „Kindereuthanasie“-Protagonist und seine Assistentin – Die gemeinsame Karriere von Werner Catel und Hannah Uflacker, 1938-1964 (Maike Rotzoll/Christof Beyer)

„Furchtlos und ohne Kompromiss“? – Gottfried Ewald und der „Komplott der Göttinger Anstaltsärzte“ (Susanne Ude-Koeller)

Neuropathologische Forschung an „Euthanasie“-Opfern – Die Prosektur der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie und ihre Ärzte und Ärztinnen (Annemarie Kinzelbach/Stephanie Neuner/Jasmin Kindel/Gerrit Hohendorf)

Ende voraussichtlich 20.00 Uhr

20.30 Uhr Abendessen

Dienstag, 2. April 2019

9.00 Uhr
3. Sektion: KZ-Ärzte/(Waffen-)SS-Ärzte/Wehrmachtsärzte

Moderation: Karl-Heinz Leven*

Zwischen Erkenntnisstreben und Entgrenzung. Das Selbstverständnis der Wehrmachtsflugmediziner als Grundlage ihrer Elitenkontinuität (Katharina Trittel)

Friedrich Karl Dermietzel: Entwickler und Organisator des SS-Sanitätsdienstes (Mathias Schmidt)

Proband und Prototyp. Horst Schumann und die Eskalationsstufen der NS-Rassen- und Vernichtungspolitik (Sascha Lang)

10.45 Kaffeepause

11.00 Uhr
Moderation: Saskia Wilhelmy

Selbstverständnis, Dienst an den Patientinnen und (Nachkriegs-)Reflexion der drei Ärztinnen des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück (Petra Betzien)

Eduard Krebsbach und Ladislaus Conrad. Zwei unterschiedliche Ärztekarrieren im KZ Mauthausen (Gregor Holzinger)

Die Täter der NS-Humanexperimente (Paul Weindling)

12.45 Uhr Mittagessen

14.00 Uhr
4. Sektion: Nachkriegskarrieren, NS-Vergangenheitspolitik und ärztliche Erinnerungskultur

Moderation: Stefanie Westermann

Vergebung mit oder ohne Reue. Die „Betreuung“ des KZ-Arztes Otto Bickenbach durch den Kirchenpräsidenten Hans Stempel (Nicholas Williams)

Die Personalie des Anstaltsfachberaters in den Nachkriegsjahren – Spiegel des Umgangs mit der NS-Vergangenheit in Bayern (Sophie Friedl)

Die verhandelte Vergangenheit. Strategien NS-belasteter Ärzte in der SBZ/DDR (Markus Wahl)

15.45 Kaffeepause

16.00
Moderation: Philipp Rauh

Die Historisierung des Bösen. Medizintäter in den Deutungen der Geschichtswissenschaft (Henning Tümmers)

Was ist ein „Nazi“? Vom Umgang medizinischer Fachgesellschaften mit „Medizintätern“ (Heiner Fangerau)

17.15 Schlusswort (Philipp Rauh)

Ca. 17.30 Uhr Ende der Tagung

Kleine Änderungen im Tagungsablauf vorbehalten

Kontakt

Philipp Rauh

Glückstraße 10 in 91054 Erlangen

philipp.rauh@fau.de


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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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