Das Research Centre „Dynamik ritueller Praktiken im Judentum in pluralistischen Kontexten von der Antike bis zur Gegenwart“ beschäftigt sich seit 2015 mit religiösen Ritualen in Christentum und Judentum. Dabei gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass religiöse Rituale nichts Statisches sind, sondern sich durch die Zeiten hindurch verändern können. Das Research Centre will diese vielfältigen Zusammenhänge der Entwicklung und dynamischen Veränderung jüdischer Rituale erforschen, auch und gerade wenn es darum geht, Rituale in ihren Kontexten und innerhalb der verschiedenen Kulturen, in denen sie entstehen und sich weiterentwickeln, zu untersuchen.
Vom 06.-08. November 2019 soll bei einer Tagung die Betonung auf rituellen Objekten und ihrem Kontext liegen. Beispielhaft herausgegriffen werden dabei ausgewählte Objekte aus dem mittelalterlichen Erfurt und Objekte aus der Rudolstädter Judaica-Sammlung, die auf das 18. Jahrhundert zurückgeht. Untersucht werden soll, wie rituelle Objekte Informationen über zeitgenössische Rituale geben können, wo diese rituellen Objekte in die Entstehungsgeschichte eines Rituals einzuordnen sind, und inwiefern besondere rituelle Objekte Auskunft über die Orts-und Zeitgeschichte geben können.
Die Rudolstädter Judaica-Sammlung gehört zu den kulturgeschichtlich wertvollsten Beständen im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg. Über 35 Objekte aus dem 18. Jahrhundert, darunter 15 einzigartige synagogale Textilien, zahlreiche Bücher, zwei Thorarollen, vier Gebetstafeln und einige Handschriften, zeugen vom religiösen Leben der kleinen jüdischen Gemeinde in Rudolstadt. Als Bestand im Magazin des Schlosses Heidecksburg war die Sammlung nach 1945 nicht mehr im öffentlichen Bewusstsein. Erst nach der friedlichen Revolution von 1989 war ein fachlicher Austausch über die Bedeutung der Judaica-Sammlung wieder möglich. Anfang der 1990er Jahre erfolgte der Anstoß für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser wertvollen Sammlung. Mittlerweile wurden ausgewählte Exponate der Sammlung in Rudolstadt und Erfurt ausgestellt. Dabei zeigte sich die Einzigartigkeit der Rudolstädter Judaica. Im deutschsprachigen Raum hat sich aus dem 18. Jahrhundert keine weitere zusammenhängende Hinterlassenschaft einer jüdischen Gemeinde erhalten. Vor allem die synagogalen Textilien sind von großer Seltenheit.
Die international besetzte Tagung „Ritual Objects in Ritual Contexts“, die gemeinsam vom Research Centre und dem Büro der Beauftragten für das UNESCO- Welterbe in der Stadt Erfurt verantwortet wird, findet vom 06.-08.11.2019 in Erfurt und Rudolstadt statt. Weitere Kooperationspartner sind die Heidecksburg Rudolstadt und die Jüdischen Kulturtage in Thüringen. Letzte organisieren zwei Konzerte, die auch unabhängig von der Konferenz besucht werden können. Tickets für die Konzerte können bei den bekannten Vorverkaufsstätten erworben werden. Die Ergebnisse der Tagung werden im März 2020 in den „Erfurter Schriften zur jüdischen Geschichte“ veröffentlicht.