2020 feiert der 1990 von Gisela Bock, Karin Hausen und Heide Wunder gegründete „Arbeitskreis Historische Frauenforschung“ seinen 30sten Geburtstag. Diese drei Historikerinnen haben mit ihren Forschungen und ihrer Lehre die Frauen- und Geschlechtergeschichte in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Das möchten wir zum Anlass nehmen, um auf einem Workshop am Friedrich-Meinecke-Institut nach den Potentialen, Herausforderungen und Perspektiven einer aktuell wie historisch relevanten Geschlechtergeschichte zu fragen.
Die Frauen- und Geschlechtergeschichte als Teil der Geschichtswissenschaft selbst zu historisieren, scheint uns dabei ausgesprochen ergiebig, hat doch die Frauen- und Geschlechtergeschichte seit ihrer Entstehung und Etablierung an den Universitäten neue Episteme entworfen, ausgelotet, sich selbst in Frage gestellt und reflektiert. Vor allem aber, und das ist sicherlich am bemerkenswertesten, hat sie die Perspektive auf ihren Gegenstand – nämlich die Kategorie Geschlecht, ständig verändert und erneuert. Beispielhaft genannt seien hier der Wandel von der Frauen- zur Geschlechtergeschichte, und damit der Abschied von einem essentialistischen Verständnis von Geschlecht, die Forderung nach einer Miteinbeziehung der Kategorien von class und race, das in Frage stellen eines weißen westlichen zentrierten Blicks, die Integration postmoderner und postkolonialer Theorien sowie die Herausforderung, Geschichte/n de– und akteurszentriert zu schreiben. Unausgeschöpft, gerade in Deutschland, ist das Potential eines Weiterdenkens von Geschlechtergeschichte als queerer Geschichte. Gleichzeitig, und auch das soll Thema der geplanten Tagung sein, war die Entstehung der Frauen- und Geschlechtergeschichte immer auch ein politisches Projekt, denn in den Blick genommen wurden die epistemischen Bedingungen von Wissensproduktion. Die Universität als Ort, der vor allem Karrieren für Männer vorsah, wurde zunehmend kritisch befragt, sei es mit der biographischen Suche nach in der Wissenschaft tätigen Frauen oder der Analyse von Ausschlussmechanismen für Frauen innerhalb der Wissenschaft. Mit dieser Tagung wird insgesamt ein exemplarischer Beitrag zur Historisierung der Geschlechterforschung am Beispiel der Geschlechtergeschichte geleistet, der sowohl wissens- als auch wissenschaftsgeschichtlich ausgerichtet ist und die politische Dimension von Wissen und Wissenschaft konsequent mit bedenkt. Auf dem Workshop verfolgen wir entsprechend drei Spuren:
1. Historisierung der Frauen- und Geschlechtergeschichte in wissensgeschichtlicher Dimension
2. Historisierung der Frauen- und Geschlechtergeschichte in wissenschaftsgeschichtlicher Dimension
3. Quo vadis Geschlechtergeschichte? Allianzen und Verzahnungen mit queerer Geschichte sowie der Geschichte der Sexualitäten.
Wir suchen nach Beiträgen, die sich auf dem Hintergrund dieser Überlegungen mit folgenden Themenfeldern beschäftigen:
- Konflikte
Konflikte innerhalb der Geschlechtergeschichte, wie bspw. der Historikerinnenstreit; doch auch Fragen danach, welches Subjekt in der Geschlechtergeschichte Untersuchungsgegenstand ist.
Ferner interessiert uns die Frage nach dem jeweiligen Verständnis von Macht und Herrschaft sowie die (institutionenkritische) Betrachtung der Orte, an denen Wissen produziert wird.
- Theorien und Konzepte in der Geschlechtergeschichte
Theorien und Konzepte, die zentral für die Geschlechtergeschichte sind, wie bspw. Temporality, postkoloniale Theorien oder Intersektionalität.
- Verflechtungen: Geschlechtergeschichte/Sexualitätengeschichte
Wie lassen sich Geschlechtergeschichte und eine Geschichte der Sexualitäten zusammendenken/produktiv nutzen? Mit welchen Konzeptionen von Geschlecht sowie Sexualität wurde und wird hier gearbeitet? Welche Fragestellungen waren und sind zentral?
- Gemischtes Doppel oder produktive Allianz: queere Geschichten und Geschlechtergeschichte
In welchem Wechselverhältnis stehen queere Geschichtsschreibung und Geschlechtergeschichte? Wie kann eine queertheoretisch basierte Geschlechtergeschichte aussehen?
Wegen der Pandemie haben wir die Frist bis zum 3. Juli 2020. Die Tagung wird in jedem Fall stattfinden wird. Sollte wegen der Pandemie der Termin im November nicht möglich sein, informieren wir rechtzeitig über einen Ersatztermin im Frühjahr 2021.
Wir freuen uns über Vorschläge für ca. 20 minütige Beiträge in Form eines abstracts (max 400 Worte) bis zum 3. Juli an veronika.springmann@fu-berlin.de
Mit einer Entscheidung über die Teilnahme können Sie bis zum 20. Juli rechnen.