Naturästhetik im Zeitalter der ökologischen Krise

Naturästhetik im Zeitalter der ökologischen Krise (CFP)

Veranstalter
PD Dr. Christian Martin (LMU München/Universität Heidelberg)
Veranstaltungsort
LMU München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.12.2020 - 13.12.2020
Deadline
28.09.2020
Von
Christian Martin

Dass der technisch-ökonomische Fortschritt die irdischen Lebensgrundlagen bedroht, ist seit Mitte des letzten Jahrhunderts bekannt. In den letzten Jahrzehnten ist zudem deutlich geworden, dass sich eine nachhaltige Umstellung unseres Naturverhältnisses naturwissenschaftlich und instrumentell allein nicht motivieren lässt.

Der Workshop soll der Vermutung nachgehen, dass sich die Auswüchse der technisch-ökonomischen Nutzung der Natur und die mit ihrer wissenschaftlichen Vergegenständlichung einhergehenden Verkürzungen nicht ohne Kultivierung eines spezifisch ästhetischen Naturverhältnisses einhegen lassen. Damit ist keine untätige Kontemplation gemeint. Vielmehr bildet unser ästhetisches Naturverhältnis nach Kant einen Zwischen-Raum, in dem natürliche Gegebenheiten und menschliche Tätigkeit derart zusammenspielen, dass ihre schöpferische Passung sinnlich-lustvoll erlebbar wird. Hölderlin vertieft diese Perspektive poetisch, indem er den Kulturprozess nicht einfach als menschliche Bemächtigung der Natur darstellt, sondern als tätige Verlängerung eines natürlichen Bildungsgeschehens, das untergründig an seine nicht-gemachten Vorgaben zurückgebunden bleibt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert haben insbesondere Benjamin und Adorno die unaufhebbare, jedoch allzu leicht verdrängte Verzahnung von Natur und Kultur und die bleibende Bedeutung des Naturschönen gegenüber seiner Marginalisierung im Rahmen einer Ästhetik betont, die sich einseitig als „Philosophie der Kunst“ versteht.

Im Licht derartiger Überlegungen kann unsere gegenwärtige Aufgabe angesichts der ökologischen Krise weder einfach darin bestehen, unsere zivilisatorischen Ansprüche und Bedürfnisse asketisch zurückzufahren, noch darin, ein nachhaltiges Verhältnis zur Natur nur als Mittel zum Zweck menschlichen Überlebens auszubilden. Vielmehr geht es zugleich um ein schöpferisches und damit potenziell lustvolles Erkunden der Möglichkeiten eines kooperativen Zusammenspiels zwischen natürlich-irdischen Vorgaben und menschlichem Gestalten. Gefordert ist demnach weder ein schlichtes „Zurück zur Natur“ noch der „Schutz“ einer von uns abgesonderten „Umwelt“, sondern schöpferische Arbeit an unserem Natur-Verhältnis, in das wir von vornherein als lebendige, wahrnehmende und fühlende Wesen einbezogen sind. Entsprechend gilt es nicht bloß, eine vermeintlich schon hinreichend bestimmte Wohnlichkeit der Erde für menschliches und nicht-menschliches Leben zu erhalten, sondern tiefer zu erkunden, welche Formen solche Wohnlichkeit annehmen kann.

Das derart umrissene Feld der Naturästhetik bildet offenbar nicht nur ein Thema philosophischer Besinnung, sondern zugleich einen von den Künsten im weiteren Sinne und den ihnen zugeordneten Reflexionsformen konkret erkundbaren Bereich. Aus diesem Grund scheint ein interdisziplinär angelegter Workshop besonders geeignet, Möglichkeiten und Grenzen einer Naturästhetik zu erforschen, die sich den Aufgaben der Gegenwart stellt.

Eingeladen sind daher sowohl theoretische Beiträge zum Thema aus Philosophie, Literatur-, Kunst-, Theater-, und Filmwissenschaft und der Architekturtheorie als auch Präsentationen konkreter Projekte aus Literatur, Film, bildender Kunst, Architektur, Landschaftspflege und Gartengestaltung.

Adressatenkreis: DoktorandInnen und Postdocs aus Philosophie und Geisteswissenschaften sowie Kunstschaffende aller Art

Auswahl der Teilnehmenden: Auf der Grundlage eines 1-2 seitigen Abstracts, in dem der geplante Vortrag oder das zu präsentierende Projekt kurz vorgestellt und der Bezug zum übergreifenden Workshopthema herausgearbeitet wird.

Deadline für die Einreichung des Abstracts: Bis zum 28. 9. 2020 per Email an christian.georg.martin@lrz.uni-muenchen.de

Ablauf: Allen Teilnehmenden stehen jeweils 75 Minuten für den Vortrag bzw. die Projektpräsentation sowie die anschließende Diskussion zur Verfügung. Eine Publikation der Beiträge ist geplant.

Auswärtige Teilnehmende erhalten einen Zuschuss zu Fahrtkosten und Unterkunft in Höhe von 150 Euro pro Person.

Hinweis zur Durchführung: Der Workshop ist als Präsenzveranstaltung an der LMU München geplant. Sollte die Durchführung aufgrund einer kurzfristigen Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht möglich sein, wird der Workshop zu einem späteren Zeitpunkt als Präsenzveranstaltung durchgeführt.

Kontakt

Christian Martin

LMU München Lehrstuhl Philosophie II
Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München

christian.georg.martin@lrz.uni-muenchen.de

Redaktion
Veröffentlicht am