Kirchenbücher, d.h. die von Pfarrern verfassten Register der Taufen, Eheschließungen und Begräbnisse, gehören zu den meistgenutzten historischen Quellen. Das kirchliche Verwaltungsschriftgut erfreut sich vor allem bei Laien großer Beliebtheit, die genealogische Interessen verfolgen. In der Geschichtswissenschaft spielen Kirchenbücher hingegen eher selten eine herausgehobene Rolle. Lediglich als Grundlage für quantitative Auswertungen zu bevölkerungsgeschichtlichen Fragestellungen in der Historischen Demografie kommt ihnen traditionell eine größere Bedeutung zu. Dabei halten Kirchenbücher zu sehr viel mehr Themen Auskünfte bereit. Sie geben Einblicke in historische Lebenswelten, Sinndeutungen, Erinnerungskulturen und Verwaltungspraktiken. Die in den letzten Jahren enorm vorangetriebene Digitalisierung historischer Kirchenbuchbestände eröffnet zudem neue Möglichkeit für der Nutzung.
Vor diesem Hintergrund möchte sich die Tagung der Bedeutung von Kirchenbüchern als historische Quellengattung widmen. Es soll diskutiert werden, welche Perspektiven für ihre Verwendung für aktuelle Fragen der historischen Forschung zur Frühen Neuzeit und zur Moderne bestehen. Dabei soll sowohl ein grundsätzlicher Blick auf Charakteristika und Forschungspotenziale von Kirchenbüchern geworfen als auch anhand exemplarischer Sondierungen ausgeleuchtet werden, wie sie für konkrete Themenbereiche produktiv gemacht werden können.
Neben den Vorträgen eingeladener Referent/innen gibt es die Möglichkeit, Vorschläge für Beiträge einzureichen. Diese können aus allen Bereichen der Geschichtswissenschaft oder ihrer Nachbardisziplinen (z.B. Kunstgeschichte, Kirchengeschichte, Rechtsgeschichte, Kulturanthropologie) erfolgen und zum Beispiel die Möglichkeiten von Kirchenbüchern für folgende Themen behandeln:
- religiöse und konfessionelle Zugehörigkeiten, Religions- und Konfessionswechsel sowie damit einhergehende Ambiguitäten
- Alltagsgeschichte, Kriegserfahrungen, Verarbeitung von Epidemien
- Geschlechterverhältnisse, Ehrvorstellungen, sexuelle Devianz
- Körpergeschichte (z.B. Schwangerschaften, Geburtsrisiken, Krankheiten, embodied differences)
- Totengedenken, Trauervorschriften und Trauerpraktiken
- Vorstellungen und Praktiken von Abstammung, Familie und Verwandtschaft, Bedeutung von Taufpatenschaften
- Orts- und Gemeindechronistik, lokale und regionale Erinnerungskulturen
- Verwaltungspraktiken, (Nach-)Nutzung von Kirchenbüchern für administrative Belange
- Potentiale und Perspektiven der Digitalisierung von Kirchenbüchern
Bitte senden Sie bei Interesse ein Exposé (max. 300 Wörter) für einen Vortrag von ca. 20-30 Minuten sowie einen kurzen Lebenslauf bis zum 15.2.2021 an:
eva.lehner@uni-due.de
MHecht@lda.stk.sachsen-anhalt.de
Die Tagung soll, sofern dies möglich sein wird, als Präsenzveranstaltung in Münster stattfinden. Ein Tagungsband ist geplant.