Im Zuge der theoretischen Errungenschaften des "spatial turn" haben wir gelernt, Räume nicht einfach nur als physikalisch-materiell gegebene Realität zu begreifen, die den Hintergrund umreißt, vor dem soziale Interaktion stattfindet. Vielmehr sehen wir Räume inzwischen immer auch als auf reale Orte bezogene gesellschaftliche Konstruktionen an, die aus interessegeleiteten und stets kontroversen Prozessen sozialer Sinnstiftung hervorgehen.
Damit wird "Raum" zu einem Schichtungsphänomen, in dem sich natur-räumlich-physikalische, politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Dimensionen komplex überlagern. Als ein solches ist Raum dann nicht länger nur der passive Hintergrund sozialer Interaktion, sondern er bringt diese immer auch ein stückweit mit hervor. Raum wird gewissermaßen zu einem Akteur eigenen Rechts, der mit dazu beiträgt, das Handeln von Individuen und Gruppen anzuleiten, zu motivieren und zu strukturieren.
Als auf 'reale' geographische Orte bezogene gesellschaftliche Sinnstiftung und kollektive Imagination wird Raum in besonderem Maße anschlussfähig an Fragestellungen der Kollektivwissenschaft. Kollektive verorten sich in Räumen, imaginieren sich als Gemeinschaft immer auch durch Räume, und beziehen ihr Handeln auf Räume. Räume werden so einerseits durch das Handeln von Kollektiven konstruiert, andererseits strukturieren sie eben dieses Handeln auch.
Im Zentrum der eintägigen Intensivkonferenz stehen Identifikationsräume gesellschaftlicher Kollektive. Sie fragt zum einen danach, welche 'realen' Räume gesellschaftliche Kollektive als Identifikationsraum reklamieren, wie sie diese als Identifikationsräume konstruieren, visualisieren und auf orientierungsgebenden „mental maps“ verorten. Zum anderen fragt die Konferenz danach, wie die als identitätsrelevant konstruierten Räume das Handeln von Kollektiven prägen.
Die Vorträge der Tagung könnten Themen behandeln wie zum Beispiel
- nationale, subnationale und transnationale Identitätsräume im Verhältnis zu staatlichen Räumen
- die Visualisierung von kollektiven Identifikationsräumen (Landkarten, Grenzen, Landschaftsmalerei)
- die Performanz von Kollektivität im Raum (Feiern und Festumzüge, Fanchoreographien im Stadion, Arbeits- und Fertigungsprozesse)
- Migration und die Imagination von 'Heimat' und 'Homeland'
Mit diesem Call for Papers bitten wir bis zum 15. April um Vorschläge für Vorträge aus den Fächern Geographie, Soziologie, Kultur- und Literaturwissenschaft, Geschichte und anderer einschlägiger Disziplinen.
Abstracts von nicht mehr als 500 Wörtern und biographische Abstracts von nicht mehr als 300 Wörtern senden Sie bitte an Prof. Dr. Volker Depkat, Institut für Anglistik und Amerikanistik, Universität Regensburg, 93040 Regensburg. E-Mail: volker.depkat@ur.de.