Soziale Praktiken, Diskurse und Deutungen der Gegenwart werden unmittelbar von Versprechen geprägt. Sie durchdringen zahlreiche Bereiche des Alltags, beeinflussen zwischenmenschliche Interaktion und sind an Erwartungen, Hoffnungen und Imaginationen gebunden.
Wie Versprechen wahrgenommen, rezipiert und antizipiert werden, bestimmt in nicht unerheblichem Maße Entscheidungen, die unter den Bedingungen der Gegenwart für die Zukunft getroffen werden. Auf diese Weise verbunden, schaffen sie berechenbare und gestaltbare, zeitliche Horizonte; selbst wenn sie womöglich nicht gehalten werden. Retrospektiv ermöglicht die genauere Betrachtung von Versprechen Einblicke in die jeweiligen zeitgenössischen Kontexte von Gesellschaften, da durch sie erkennbar wird, welche Vorannahmen oder auch Enttäuschungen damit verknüpft waren.
Als eine kulturelle Ordnungsdimension in Gesellschaften verstanden, setzen Versprechen zum einen spezifische Erwartungshaltungen voraus, sollen Verlässlichkeit, Sicherheit und Stabilität im Miteinander vermitteln, verfügen zum anderen aber auch über aktivistisches Potential. Der Einfluss von Versprechen im Kontext staatlichen und politischen Handelns auf Leben und Alltag der Menschen spielt eine bedeutende gesellschaftliche Rolle. Zentrale Voraussetzung ist hierbei das Vertrauen in ihre Umsetzung und die damit verbundene Aussicht auf bessere Zeiten.
Dies artikuliert sich beispielsweise konkret in (kultur)politischen Forschungsfeldern wie Protestbewegungen, Klimapolitik oder im Bereich der Migration. Auch Institutionen basieren auf Versprechen, die ihre Gründung und dauerhafte Fortführung legitimieren. Im kultur- und wissenschaftspolitischen Bereich können beispielsweise Forschungsstellen, Museen und Gedenkstätten angeführt werden, die mit Vorstellungen von der Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse und damit Zukunftsversprechen der Initiator:innen verknüpft werden.
In unterschiedlichen Fachdisziplinen stellen Versprechungen und Verheißungen zentrale Untersuchungsgegenstände dar, vorrangig in religiösen wie profanen Zusammenhängen auf der Ebene der Sprechakt-Theorie (Wonneberger/Hecht 1986) oder als Konzepte, denen sich die Autor:innen überwiegend aus der Perspektive der Rechtsphilosophie (Schneider 2005) beziehungsweise im Kontext der Geschichte von Werten (Zeller 2019) nähern. In der Volkskunde/Europäischen Ethnologie/Kulturanthropologie/Empirische Kulturwissenschaft waren und sind Versprechen nur vereinzelt Gegenstand von Diskussionen. Im Zusammenhang mit der Vergegenwärtigung von Zukunft, etwa in der Stadtforschung, wird diskutiert, wie Versprechen als Performanz zu deuten sind und welche Wirkungen sie als soziale Praktiken entfalten können (Färber 2021).
Als eigenständiges Konzept jedoch wurden sie bisher kaum explizit thematisiert. Von einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff, der als ein zentrales Element gesellschaftlichen Zusammenlebens verstanden werden kann, und mit seiner praxeologischen Verwendung in politischen Kontexten erhoffen wir uns neue Erkenntnisse. Im Rahmen der Tagung möchten wir daher die vielversprechenden kulturellen Konfigurationen aus einer kulturanalytischen Perspektive in den Blick nehmen und das Potential sowie die Herausforderungen in diesem Zusammenhang diskutieren. Im Zentrum wird der produktive Austausch über Versprechen als Konzept, Analysekategorie und epistemologische Dimension stehen, wobei unterschiedliche Forschungspositionen und Konzeptionen insbesondere an den Schnittstellen von Politik und Alltag erwünscht sind.
Beiträge
Wir würden uns über Beiträge primär von Fachvertreter:innen der Volkskunde/Europäischen Ethnologie/Kulturanthropologie/Empirischen Kulturwissenschaft freuen, die die unterschiedlichen Dimensionen des Begriffes untersuchen und neue methodische, theoretische oder auch historische Ansätze diesbezüglich verfolgen. Wir sind besonders, jedoch nicht ausschließlich interessiert an Beiträgen in folgenden Kontexten:
- Historische Dimensionen des Versprechens in der Politik bzw. in
politischen Kontexten (u. a. in den Bereichen Migration,
Integration, Flucht, Vertreibung)
- Versprechen als Zukunftsprojekte in gegenwärtigen politischen
Aushandlungsprozessen (u. a. Energiepolitik, Klimapolitik,
Kulturpolitik, Technologien)
- Institutionen als Versprechen (Bildungseinrichtungen, Museen,
Gedenkstätten)
Wir freuen uns sehr, dass wir Prof.’in Dr. Alexa Färber (Wien) für die Keynote und Prof.‘in Silke Göttsch-Elten (Kiel) für den Abschlusskommentar gewinnen konnten.
Senden Sie uns bitte ein Abstract Ihres Beitrages (nicht länger als 600 Wörter) und einen kurzen Lebenslauf bis 1. August 2021 an Cornelia Eisler <cornelia.eisler@bkge.uni-oldenburg.de> und Katharina Schuchardt <Katharina.Schuchardt@mailbox.tu-dresden.de>. Bis zum 31. Oktober 2021 werden wir Sie über die Annahme der Beiträge informieren. Der Termin für das Einreichen des Konferenz-Paper wird der 31. März 2022 sein.
Die Tagung, veranstaltet vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV) und dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) Oldenburg, wird vom 4. bis 6. Mai 2022 in Dresden stattfinden.
Organisatorinnen der Konferenz: Dr. Cornelia Eisler, Dr. Katharina Schuchardt
Eine Publikation der Beiträge ist vorbehaltlich der Mittelzusage am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. (ISGV) geplant.
Die Beiträge können entweder auf Deutsch oder auf Englisch eingereicht werden.
Zitierte Literatur:
- Alexa Färber: Gegen UnGleichzeitigkeit? Das Versprechen als
alltagskulturelle Vergegenwärtigung von (urbanen) Zukünften, in:
Dagmar Hänel, u.a. (Hg.): Planen. Hoffen. Fürchten. Zur
Gegenwart der Zukunft im Alltag, Münster, New York 2021
(Bonner Beiträge zur Alltagskulturforschung 13), S. 25–41,
- Manfred Schneider (Hg.): Die Ordnung des Versprechens.
Naturrecht – Institution – Sprechakt, München 2005,
- Reinhard Wonneberger, Hans Peter Hecht (Hg.): Verheißung und
Versprechen. Eine theologische und sprachanalytische Klärung, G
Göttingen, Zürich 1986,
- Christoph Zeller: Werte. Geschichte eines Versprechens, Stuttgart
2019.