Einsamkeit – Geschichte sozialer Nichtbeziehungen

Einsamkeit – Geschichte sozialer Nichtbeziehungen

Veranstalter
Berliner Debatte Initial
PLZ
10437
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.08.2021 -
Deadline
15.08.2021
Von
Florian Hannig, Historisches Institut, Professur für Fachjournalistik Geschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen

Angesichts aktueller Debatten über Einsamkeit in der Corona-Pandemie plant die Zeitschrift „Berliner Debatte Initial“ einen Themenschwerpunkt „Einsamkeit – Geschichte soziale Nichtbeziehungen“. Gesucht werden Beiträge, die sich in geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlicher sowie wissenschaftshistorischer Sicht mit Vorstellungen, Praktiken und Kulturen von Einsamkeit befassen.

Einsamkeit – Geschichte sozialer Nichtbeziehungen

Nicht erst seit der Corona-Pandemie diskutieren westliche Gesellschaften intensiv über Einsamkeit. Lockdowns führen uns aber spezifische Bedingungen gegenwärtiger Einsamkeit noch einmal drastisch vor Augen: Wir halten virtuell Kontakt und leben zugleich immer öfter auf immer größeren Flächen mit wenigen Personen oder ganz allein. In einer „berührungslosen Gesellschaft“ (Elisabeth von Thadden) steht Einsamkeit, verstanden als subjektives Gefühl des Mangels an bedeutsamen sozialen Beziehungen, somit am Schnittpunkt zentraler gesellschaftlicher Debatten. Einerseits wird nicht mit Superlativen gespart und das Phänomen pathologisiert: Noreena Hertz ruft ein „Lonely Century“ aus und Ishani Kar-Purkayastha diagnostizierte bereits 2010 „An Epidemic of Loneliness“. Auch deutsche Beiträge sprechen über „Die neue Einsamkeit“ (Diana Kinnert/Marc Bielefeld) als eine „unerkannte Krankheit“ (Manfred Spitzer). Daneben stehen Rechtfertigungen eines selbstbestimmten Lebens jenseits von Paarbeziehungen (Anja Rützel: „Lieber allein als gar keine Freunde“) und Plädoyers für das Alleinsein als Voraussetzung kreativen Schaffens (Fenton Johnson: „At the Center of All Beauty: Solitude and the Creative Life“).

Beide Positionen sind weniger neu als ihre Autor:innen suggerieren. Mit der Aufklärung setzt ein intensives Nachdenken über Einsamkeit und Alleinsein ein. Im Zeitalter der Geselligkeit wird der soziale Rückzug begründungspflichtig und es entsteht eine Vorstellung von Einsamkeit als subjektivem Gefühl, das sich vom objektiven Alleinsein unterscheidet. In Diskussionen über Transformationsprozesse der Moderne erscheint Einsamkeit anschließend immer weniger als Resultat individueller Entscheidung, sondern als Produkt moderner Gesellschaften. Zugleich ermöglicht der individuelle Rückzug aus der Massengesellschaft kreative Entfaltung und der private Raum gilt als Freiheitsversprechen. Indem Einsamkeit die Nichtbeziehung zu anderen beschreibt, ist sie auch eine soziale Kategorie, die Aufschluss über Gesellschaftsvorstellungen, Menschenbilder und politische Ordnungen gestattet. Einsamkeit ist also eingebunden in einen dezidiert politischen Diskurs, den es zu bergen gilt. Die Medien der Einsamkeitsdiagnosen reichen von wissenschaftlicher über fiktionale Literatur bis hin zu Filmen, Liedern und Computerspielen.

Wir laden ein, Diagnosen und Verständnisse, aber auch Kulturen und Praktiken von Einsamkeit seit dem 18. Jahrhundert bis heute freizulegen, die sich räumlich nicht auf Europa beschränken müssen: Welche Normen und Werte liegen entsprechenden Positionen zugrunde? Welche sozialen Strukturen fördern oder überwinden Einsamkeit? Welche Transformationen und Kontinuitäten prägen die letzten 300 Jahre? In welchem Verhältnis stehen Einsamkeitsdiskurs und soziale, ökonomische und technische Veränderung: Wird in Phasen verdichteten Wandels Einsamkeit verstärkt thematisiert? Wann und für wen erscheint Einsamkeit als Bedrohung, Alleinsein als Freiheit? Wessen Einsamkeit und Alleinsein wird problematisiert, wessen legitimiert? Wie wird Einsamkeit bekämpft? Inwiefern wird sie als Zustand gesehen, in dem der Mensch zu sich selbst findet?

Die Formate der Texte können variieren zwischen theorieorientiertem Aufsatz, empirischer Studie und Essay. Alle Texte haben jedoch wissenschaftlichen Anforderungen zu entsprechen und sollten 40.000–50.000 Zeichen umfassen (einschließlich Leerzeichen und Literaturverzeichnis). Es gelten die Hinweise für Autor:innen und die Regeln der Zeitschrift für Einreichung, Begutachtung und Veröffentlichung von Manuskripten (siehe: berlinerdebatte.de/initial).

Interessierte Autor:innen werden gebeten, einen Themenvorschlag mit Arbeitstitel und Abstract (max. 3.000 Zeichen) bis zum 15. August 2021 einzureichen. Senden Sie diesen bitte per E-Mail an:

redaktion@berlinerdebatte.de.

Die Redaktion entscheidet dann bis Ende August 2021 über die Annahme der Vorschläge. Der Termin für die Abgabe der Manuskripte ist der 01. Dezember 2021. Das Heft mit dem Themenschwerpunkt „Einsamkeit“ wird im Frühjahr 2022 veröffentlicht.

Wir freuen uns auf Ihre Angebote und Vorschläge!

Kontakt

redaktion@berlinerdebatte.de

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