Epochenwende? Wandlungsprozesse der 1970er-Jahre im politischen Diskurs. 7. Potsdamer Doktorandenforum zur Zeitgeschichte

Epochenwende? Wandlungsprozesse der 1970er-Jahre im politischen Diskurs. 7. Potsdamer Doktorandenforum zur Zeitgeschichte

Veranstalter
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Veranstaltungsort
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.04.2009 - 25.04.2009
Deadline
02.02.2009
Von
Wehrs, Nikolai

Am 24./25. April 2009 veranstaltet das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) das 7. Potsdamer Doktorandenforum zur Zeitgeschichte zum Thema „Epochenwende? Wandlungsprozesse der 1970er Jahre im politischen Diskurs“. Mit dem Potsdamer Doktorandenforum, das seit 2004 von den Doktorandinnen und Doktoranden des ZZF organisiert wird, will das ZZF den wissenschaftlichen Austausch und die Vernetzung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Geistes- und Sozialwissenschaften fördern. Wie in jedem Jahr bietet das Potsdamer Doktorandenforum auch 2009 Promovierenden die Möglichkeit, ihre Dissertationsprojekte vorzustellen und miteinander zu diskutieren.

Die 1970er Jahre sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der zeithistorischen Forschung gerückt. Neben der ereignisgeschichtlichen Rekonstruktion hat dabei von Beginn an auch die Frage nach dem Zäsurcharakter dieses Dezenniums die Forschungsdebatte beschäftigt. Vor allem die „Ölpreiskrise“ des Jahres 1973 gilt vielfach als symbolträchtige Wendemarke in der Geschichte der Nachkriegszeit. Für Eric Hobsbawm markierte sie den Beginn eines „Erdrutsches“ nach den Jahrzehnten des „Golden Age“ ab 1945. „Die Geschichte des 20. Jahrhunderts war seit 1973 die Geschichte einer Welt, die ihre Orientierung verloren hat und in Instabilität und Krise geschlittert ist.“ (Das Zeitalter der Extreme, München 1995, S. 503). Eine strikte Datierung der Epochenwende hat sich freilich in der Zeitgeschichtsschreibung nicht durchsetzen können, zumal die unmittelbaren Auswirkungen der ersten „Ölpreiskrise“ aus wirtschaftshistorischer Perspektive als eher begrenzt eingeschätzt werden. Nach überwiegender Forschungsmeinung war es kein einzelnes Ereignis, welches als rational oder emotional erfahrbare Zäsur das neue Zeitalter einleitete. Wie Anselm Doering-Manteuffel hervorhob, erfolgte der „Paradigmenwechsel in der Entwicklung der Industriemoderne“ schrittweise, die Wahrnehmung des tiefgreifenden Strukturwandels vollzog sich mit zeitlicher Verzögerung und die politisch-kulturellen Handlungsmuster der Jahre des Nachkriegsbooms blieben zumal in den industriell am meisten entwickelten Staaten des Westens noch bis in die 1990er Jahre dominant (Nach dem Boom, in: VfZ 4/2007, S. 559-581). Nicht nur die 1970er Jahre, sondern der gesamte Zeitraum von den 1960er bis zu den 1980er Jahren erscheinen so als eine Scharnierzeit im Übergang vom klassischen zum postklassischen Industriezeitalter.
Mit diesem Übergang waren Verschiebungen im politisch-kulturellen Raum verbunden, die dem sozioökonomischen Prozess nicht nachstanden. Die langfristig revolutionäre Qualität des Strukturwandels der Weltwirtschaft und des Weltwährungssystems und seine sozialen Implikationen mögen für die Zeitgenossen in der Gänze noch kaum überschaubar und im Einzelnen schwer zu spezifizieren gewesen seien. Dennoch erscheint evident, dass die Wahrnehmung eines tiefgreifenden Wandels und die Unsicherheit über seinen Charakter rasch zu neuen Akzenten im politischen Diskurs führten. Die seit den frühen 1970er Jahren überall spürbare Krise des Fortschrittsglaubens kontrastierte stark mit der nun fast schlagartig abbrechenden Reformeuphorie und Zukunftsgewissheit der 1960er Jahre und kann daher möglicherweise als die eigentlich originäre Signatur dieses Jahrzehnts gelten. Das Ende des „Zeitalters der großen Gesänge“ (Gerd Koenen), ergo der Zugkraft politisch geschlossener Großideologien, bereitete den Boden für die Demokratie- und Bürgerrechtsbewegungen in den sozialistischen Staaten Osteuropas und trug so wohl nicht weniger als die ökonomische Überforderung durch den Strukturwandel zur Implosion des Ostblocks 1989/90 bei. Doch auch in den westlichen Demokratien führte das „Ende der Zuversicht“ (Konrad Jarausch) zu Legitimationskrisen der politischen Systeme, die sich etwa in Westdeutschland an den stark polarisierten politisch-intellektuellen Debatten um die Handlungsfähigkeit des Staates („Unregierbarkeit“ und „Tendenzwende“) festmachen ließen. Unterhalb der staatlichen Ebene begann ein Wandel der politischen Partizipations- und Aktionsformen, sichtbar in Bürgerinitiativen und „Neuen Sozialen Bewegungen“, das politische System von innen heraus zu verändern. Hier zuerst begann sich eine neue Sensibilität für die Bedrohtheit der Umweltressourcen herauszubilden und gewann politische Prägekraft. Doch auch die Verdrängung keynesianischer Theorien durch den Monetarismus in der politischen Ökonomie stand im Zusammenhang mit dem Verlust des Glaubens an Planbarkeit. Zu fragen wäre ebenso, inwieweit die Erschütterung des Modernisierungsparadigmas einer Rückkehr der Religionen in den politischen Raum den Weg ebnete. Nationale Identifikationen, welche die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts so maßgeblich bestimmt hatten, wurden durch die Folgen der Globalisierung – nicht zuletzt durch den Anstieg der weltweiten Migrationsbewegungen – zunehmend prekär. Alltagskulturell schließlich schien die Diversifizierung der Lebensstile in der Postmoderne seit den 1970er Jahren die Prägekraft überkommener soziokultureller Milieus weiter zu schwächen – sicherlich nicht ohne neue Schichtungen und Milieuabgrenzungen zu produzieren.

Das Potsdamer Doktorandenforum möchte den hier nur angerissenen Wandlungsprozess der letzten Jahrzehnte mit Fokus auf seine politische und intellektuelle Wahrnehmung diskutieren. Wie wurden der Strukturwandel und seine Folgeerscheinungen zeitgenössisch analysiert und gedeutet? Wie beeinflusste die Reflexion der Epochenwende die überlieferten Rahmenbedingungen und die Themen des politischen Diskurses? Welche neuen Fragen wurden gestellt, welche Antworten entwickelt? Welche Zäsursetzungen erscheinen mit Blick auf Politik-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte plausibel?
Erbeten sind Papers zu Dissertationsprojekten aus dem Fach Geschichte ebenso wie aus den verwandten Fächern der Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Papers können den gesamten Zeitraum von den 1960er bis zu den 1980er Jahren behandeln.

Der Abgabetermin für die Beitragsvorschläge (Deutsch oder Englisch, max. 500 Wörter) ist der 2. Februar 2009. So möglich, bitten wir um elektronische Einsendung (Word-Dateien oder PDF). Die Dauer der Präsentation ist auf 20 Minuten begrenzt. Den ReferentInnen kann ein Zuschuss zu Reise- und Unterkunftskosten gewährt werden. Teilnehmende, die nicht vortragen möchten, sind herzlich willkommen, werden jedoch um Anmeldung bis zum 14. April gebeten.

Programm

Kontakt

Nikolai Wehrs

Zentrum für Zeithistorische Forschung
Am Neuen Markt 1, 14467 Potsdam

doktorandenforum@zzf-pdm.de

http://www.zzf-pdm.de
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Veröffentlicht am
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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