Verbrechen und Partizipation - Formen der "Kollaboration" in Ost- und Suedosteuropa (= Bd. 19 der Beitraege zur Geschichte des Nationalsozialismus)
Thematischer Schwerpunkt
Thema des Bandes ist die Zusammenarbeit von Teilen der einheimischen Bevoelkerung mit den Deutschen in suedost- und osteuropaeischen Laendern waehrend des Zweiten Weltkrieges. Ausgeblendet werden hierbei einerseits diejenigen, die als sogenannte Volksdeutsche galten und anderseits alle, die als Juden, Sinti und Roma, Asiaten etc. als "rassisch minderwertig" denunziert wurden und einer besonderen Bedrohungs- und Verfolgungssituation ausgesetzt waren. Ziel des Bandes wird sein, fuer die Region Suedost- und Osteuropa - fuer die die Forschungslage bisher sehr schlecht ist - einen Eckstein zu legen und die Forschungsdiskussion voranzutreiben. Ein vergleichendes Moment soll sich aus der Auswahl zweier Laendertypen ergeben: einerseits wird die Situation in lange Zeit oder gar nicht besetzten "Satellitenstaaten" in Suedosteuropa analysiert, anderseits in Gebieten, die unter direkter deutscher Besatzungsherrschaft standen.
Herangehensweise
Die deutsche Politik bzw. Besatzungspolitik interessiert hier nur als historischer Kontext: die verbrecherischen Ziele, die notorische Personal- und Ressourcenknappheit, die deutschen Versuche, angesichts der eigenen Mangelsituation die einheimischen Bevoelkerungen fuer eigene Zwecke und Ziele zu instrumentalisieren. Im Zentrum der Analyse stehen die einheimischen Gruppen. Ihr Verhalten gegenueber den Deutschen und gegenueber den Minderheiten im eigenen Land soll untersucht werden, und zwar moeglichst ueber den ganzen Zeitraum des Zweiten Weltkrieges, um Aenderungen im Zeitablauf plausibel erlaeutern zu koennen. Den Rahmen der Okkupation vorausgesetzt, sollen die einheimischen Gruppen als eigenstaendig Handelnde in den Blick kommen, die von eigenen Interessen geleitet Politik machten. Im Handlungsdreieck von Deutschen, einheimischen Bevoelkerungen und verfolgten Bevoelkerungsgruppen geht es um die Rekonstruktion von Handlungslogiken.
Fragen
Hierbei interessieren vor allen Dingen folgende Fragen: Inwieweit lassen sich Aussagen zu den Gruppen oder Schichten der einheimischen Bevoelkerung treffen, die mit den Deutschen zusammenarbeiteten, z.B. zu ihrer sozialen oder politischen Zusammensetzung (Alter, Geschlecht, Nationalitaet, Stadt- /Landbevoelkerung, Bildungsstand, politische Orientierung etc.)? Welche Ziele hatten die einheimischen Gruppen und mit welchen Mitteln verfolgten sie sie? Welche Initiativen legten die Einheimischen an den Tag und welche Handlungsmoeglichkeiten besassen sie? Inwieweit veraenderte sich ihr Verhalten im Zeitablauf und warum? Was bedeutete das Verhalten einheimischer Gruppen fuer das Funktionieren der deutschen Politik bzw. Besatzungspolitik? Was bedeutete dies insbesondere fuer Planung, Verlauf und Durchfuehrung von Verbrechen?
Zur Beantwortung dieser Fragen wird vor allem die regionale Geschichte beleuchtet werden muessen. Auf der weltanschaulichen Ebene geht es dabei in erster Linie um die Entwicklungen der jeweiligen Nationalismen und die Ausformungen und Differenzierungen des gruppenspezifischen Antisemitismus und Antibolschewismus. Auf der Handlungsebene soll nach der Praxis der eigenen Politik gefragt werden: sowohl in den innen- wie aussenpolitischen Zusammenhaengen als auch in den wirtschafts- und sozialpolitischen Feldern. Dies schliesst die Frage nach ausser- und vorpolitischen Motiven, Interessen und Zwecken ein.