Sprache, Gesellschaft und Nation: Institutionalisierung und Alltagspraxis / Language, Society and Nation: Institutionalisation and Everyday Practice

Sprache, Gesellschaft und Nation: Institutionalisierung und Alltagspraxis / Language, Society and Nation: Institutionalisation and Everyday Practice

Veranstalter
Collegium Carolinum, Forschungsstelle für die böhmischen Länder, München; in Kooperation mit dem Bohemicum/Institut für Slawistik; und dem Institut für Germanistik, Universität Regensburg
Veranstaltungsort
Ort
Bad Wiessee
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.11.2012 - 11.11.2012
Deadline
15.04.2012
Website
Von
Martina Niedhammer

- English version below -

Jahrestagung des Collegium Carolinum in Kooperation mit dem Bohemicum/Institut für Slawistik und dem Institut für Germanistik der Universität Regensburg

Sprache stellt innerhalb der Geschichtswissenschaft ein eher randständiges Untersuchungsfeld dar. Die Beschäftigung mit Sprache aus historiographischer Perspektive kann jedoch interdisziplinär in sozial- wie kulturgeschichtlicher Hinsicht lohnend sein: Sprache und Gesellschaft stehen in einem dynamischen Wechselverhältnis. Sprache prägt Gesellschaft und umgekehrt, indem Sprache, ihre Verwendung und ihr Status soziale Beziehungen reflektieren oder als Herrschaftsinstrument zur Etablierung und Festigung sozialer und kultureller Praktiken beitragen können. Als wichtiger Konstituente kollektiver Identität kommt Sprache bei der diskursiven Konstruktion der Nation eine zentrale Rolle zu. Davon zeugen die zahlreichen erfolgreichen wie gescheiterten Versuche, eine (National)Sprache zu standardisieren, die in der Regel mit einem normativen kulturellen Deutungsanspruch verbunden sind.

Am Beispiel der böhmischen Länder, der Tschechoslowakei bzw. Tschechiens und der Slowakei sowie benachbarter Gebiete im 19. und 20. Jahrhundert möchte die Konferenz das Verhältnis von Sprache und Nation in den Blick nehmen. Im Zentrum steht dabei die Frage nach Sprache als kulturpolitischem Vehikel, der anhand von drei übergeordneten Themenkomplexen nachgegangen werden soll:

1. Sakralisierung der „reinen“ Sprache und Korpusplanung: Bei der Standardisierung moderner Standardsprachen, wie dem Tschechischen und dem Slowakischen, handelte es sich zunächst meist um Intellektuellenprojekte, die im Laufe der Zeit institutionalisiert wurden. Welche Diskurse ließen Sprache zum Synonym der Nation werden? Wie gestaltete sich die Arbeit von „Sprachwächtern“, wie z. B. der Akademien? Welche Rolle spielte dabei die insbesondere in der Romantik vielfach zu beobachtende gesteigerte Wertschätzung alter volkssprachlicher Denkmäler? Und wie sah die Situation in der Ersten und Zweiten Republik aus, in der es Minderheitensprachen gab, die, wie das Deutsche und das Ungarische, „external homelands“ besaßen? Gab es Versuche, eine schriftsprachliche Varietät des Deutschen in der Tschechoslowakei zu etablieren? Schlugen sich andererseits die politischen Umbruchphasen der Jahre 1918–1938/39–1945–1948 in einem Sprachpurismus nieder, der andere Sprachen direkt oder mittelbar ausgrenzte, etwa bei der Bereinigung des Wortschatzes oder beim Wechsel von Orts- und Personennamen?

2. Statusplanung und Alltagspraxis: Neben nichtstaatlichen Akteuren versuchten auch staatliche Institutionen gezielt Einfluss auf die linguistische Arbeit zu nehmen und deren Ergebnisse bei der Durchsetzung allgemeinverbindlicher sprachlicher Normen zu instrumentalisieren. Der normative Anspruch des Staates entsprach jedoch keineswegs automatisch der sprachlichen Alltagspraxis seiner Bürger. Welche institutionellen und publizistischen Projekte wurden staatlicherseits gefördert und welche Wirkung entfalteten sie im Alltag? Welchen Stellenwert besaß das Konzept der (Mutter)Sprache und wie gestaltete sich demgegenüber die Sprach- und Varietätenwahl des Einzelnen in konkreten Alltagssituationen? Hier wäre z. B. an den Gebrauch des Tschechischen und des Slowakischen sowie die Rolle des Deutschen oder des Russischen nach 1945 zu denken.

3. Wörterbücher als kulturpolitische Wissensspeicher: In besonderem Maße spiegelt lexikographisches Arbeiten die kulturpolitischen Implikationen des Konstrukts der „Nationalsprache“ bzw. des standardisierten Dialekts wider. Als Wissensspeicher geben Wörterbücher Auskunft über soziale und kulturelle Wertgefüge. So lassen die Inklusion bzw. die Exklusion bestimmter Lemmata sowie die Erläuterungen des Lexikographen implizit Rückschlüsse auf dessen Selbstverortung zu. Welche politischen Konjunkturen prägten die Wörterbuchforschung in den böhmischen Ländern bzw. in der Tschechoslowakei? Wie war die Wörterbucharbeit institutionell verankert, welche programmatischen Vorstellungen waren mit ihr verbunden und wer waren ihre Akteure? Für welchen Adressatenkreis wurden Wörterbücher konzipiert? Wie und auf welchen Ebenen wurde für Wörterbucharbeit geworben?

Als vergleichende Perspektive zum Tschechischen und Slowakischen sowie zu den früheren deutschen Mundarten auf dem Gebiet der böhmischen Länder ist der Blick auf eine Kleinschriftsprache (bes. das Ober- und Niedersorbische) willkommen.

Die Vorträge im Umfang von 25 Minuten können in deutscher oder englischer Sprache gehalten werden. Die Herausgabe eines Konferenzbandes ist beabsichtigt.

Bitte reichen Sie einen Abstract Ihres geplanten Vortrags (ca. 1 Seite) in deutscher, slowakischer, tschechischer oder englischer Sprache bis zum 15. April 2012 ein bei:

Collegium Carolinum
z. Hd. Martina Niedhammer
Hochstr. 8/II
81669 München
m.niedhammer@extern.lrz‐muenchen.de

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Collegium Carolinum Annual Conference
in cooperation with the Bohemicum / Institute for Slavic Studies and the Institute for German Language and Literature Studies (University of Regensburg)

Language is a marginal field of enquiry within the discipline of history. The engagement with language from a historiographical perspective can however yield interdisciplinary rewards from a social as well as from a cultural-historical perspective: Language and society correlate in an interdependent relationship. Language shapes society and vice versa inasmuch as language, its application and its status depict social relationships or serve as instruments of rule and power for the establishment and consolidation of social and cultural practices. As an important element of collective identity, language plays a central role in the discursive construction of a nation. This is attested by the numerous successful and failed attempts at standardising a (national) language which as a rule are associated with the imposition of normative cultural norms.

The conference will focus on the relationship between language and nation using the example of the Czech Lands, Czechoslovakia and the Czech Republic and Slovakia respectively as well as neighbouring areas during the 19th and 20th century. The main emphasis will be on the question of language as a cultural political vehicle, which will be looked into with the help of three lines of investigation:

1. Sacralisation of “immaculate” language and corpus planning: The standardisation of modern standard languages, for example Czech and Slovak, was initially mostly a project for intellectuals which was institutionalised over time. Which discourses allowed language to become synonymous with the nation? What shaped the work of the “language monitors”, for instance the academies? Particularly during the Romantic Era, what role did the increased appreciation of ancient vernacular texts play? And what did the situation look like during the First and Second Republic where there were minority languages such as German and Hungarian, which were connected to “external homelands”? Were there attempts to establish a Czech standard for written German? On the other hand, did the political upheaval phases of the years 1918–1938/39–1945–1948 result in a language purism whereby other languages were directly or indirectly excluded, perhaps by purging the vocabulary or by changing place and family names?

2. Status planning and everyday practise: Besides non-state protagonists, governmental institutions specifically attempted to influence linguistic work and to exploit its results for the implementation of generally binding linguistic norms. However the everyday practice of its citizens did not by any means automatically comply with the normative state standard. Which institutional and publishing projects were governmentally promoted and what effect did they have on everyday practise? Which significance did the concept of a mother tongue exhibit in contrast to the speech and choice of variety of individuals in everyday life? In this context, the examples of the use of Czech and Slovakian as well as the role of German and Russian after 1945 should be taken into consideration.

3. Dictionaries as cultural political knowledge repositories: Lexicographical work in particular displays the cultural political implications of the construct of the “national language” and the standardised dialect. Dictionaries, as a knowledge repository, supply answers regarding social and cultural value structure. The inclusion or exclusion of particular lemmas as well as the explanations of the lexicographer allow for implicit conclusions on his self-localisation. Which political fashions shaped dictionary research in the Czech Lands and in Czechoslovakia? How was lexicography anchored institutionally, which programmatic conception was behind it and who were the players? Which target group were dictionaries conceived for? How and on what level was dictionary work solicited?

In order to supply a comparative perspective to Czech and Slovakian as well as to past German vernacular dialects in the Czech Lands, presentations focussing on a language with a smaller number of speakers (especially Upper and Lower Sorbian) are welcome.

The presentations of 25 minute each can either be in German or English. The publication of conference proceedings is planned.

Please submit an abstract of your planned presentation (1 page) in German, Slovakian, Czech or English latest 15th April 2012 to:

Collegium Carolinum
Attn.: Ms. Martina Niedhammer
Hochstr. 8/II
81669 Munich
Germany
m.niedhammer@extern.lrz‐muenchen.de

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