Nach dem Konstruktivismus? Strategien der Kontextualisierung und sozialgeschichtlichen Rückbindung in der Neuen Ideengeschichte

Nach dem Konstruktivismus? Strategien der Kontextualisierung und sozialgeschichtlichen Rückbindung in der Neuen Ideengeschichte

Veranstalter
Peter Tietze, M.A. / Stefan Wannenwetsch, M.A., Eberhard Karls Universität Tübingen
Veranstaltungsort
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2014 - 02.10.2014
Deadline
15.05.2014
Website
Von
Stefan Wannenwetsch, Seminar für Zeitgeschichte Universität Tübingen

Die Prämisse, dass erst der Kontext den Text konstituiert (Günther Lottes), kann als grundlegend für die Neue Ideengeschichte/Intellectual History angesehen werden. Damit rücken ordnungsstiftende und handlungsleitende Ideen- und Wissensbestände, die durch Kontextualisierungsstrategien erschlossen werden müssen, in das Zentrum methodologischer Überlegungen. In den Kulturwissenschaften finden sich viele verschiedene, mitunter auch widersprüchliche Methoden und narrative Strategien, um die „komplexe Wechselwirkung zwischen sozialen Situationen, materiellen Bedingungen, lebensweltlichen Konstellationen einerseits und generalisierungsfähigen und generalisierten Gedankensystemen, Diskursen oder Denkgebäuden“ (Lutz Raphael) andererseits darzustellen. Während die „Cambridge School“ der Intellectual History als „Kontext“ meist nur wiederum Texte zuließ, ist mit der in jüngster Zeit beobachtbaren Hinwendung zu einem „Post-Konstruktivismus“ , wie er etwa in Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie zum Ausdruck kommt, die Forderung nach einer über den Diskurs und die Sprache hinausgehenden Kontextualisierung verbunden, die den Akteur-Begriff auch auf nicht-menschliche Objekte ausweitet. Sinn wird verstehbar als ein komplexes Beziehungsgefüge zwischen unterschiedlichsten Akteuren, was die Trennung von ideeller und sachlicher Welt hinfällig erscheinen lässt. Birgt eine am „practice turn“ geschulte Wissensgeschichte somit auch Innovationspotential für eine Neue Ideengeschichte? Welche Konsequenzen hat dies insbesondere für die Frage nach dem ideengeschichtlichen Gegenstand und seiner Kontextualisierung?

Im Rahmen eines zweitägigen Workshops für Doktorand/innen in Tübingen sollen diese zentralen Fragen aufgegriffen werden. Es ist daran gedacht, sie in drei Themenkomplexen zu vertiefen. Beiträge für den Workshop können sich an folgenden Überlegungen orientieren.

1. Genese: Methoden- und theoriegeschichtlicher Überblick
In der ersten Sektion soll gefragt werden, was Ideengeschichte bzw. Intellectual History bislang waren. „Genese, Kontinuität, Totalisierung“ bildeten Michel Foucault zufolge die zentralen Themen der klassischen Ideengeschichte. Welche anderen Gemeinsamkeiten der verschiedenen ideengeschichtlichen Ansätze lassen sich finden, worin unterscheiden sie sich und inwiefern spielte gerade die Frage der Kontextualisierung bei der Weiterentwicklung der Ideengeschichte eine entscheidende Rolle? Hierbei wiederum kann die (wissenssoziologische) Kontextualisierung der verschiedenen ideengeschichtlichen Ansätze weitere Perspektiven erschließen. Unter welchen allgemeinen historischen Umständen wurden neue Ansätze entwickelt, und in welchem Wechselverhältnis stehen sie mit kulturellen und soziopolitischen Entwicklungen?

2. Geltung: Aktuelle Ansätze
Die zweite Sektion widmet sich der Diskussion und Kritik aktueller Theorien und Methoden. Insbesondere die Ansätze des „practice turn“ mit ihren spatialen und netzwerkartigen Ordnungsmustern stellen für die traditionell auf temporale und lineare Strukturen ausgerichtete Ideengeschichte eine Herausforderung dar. Wie kann die Ideengeschichte gerade von den neuen wissenssoziologischen Ansätzen profitieren und wie lassen sich dadurch klassische Probleme der Ideengeschichte (etwa Höhenkammwanderungen und reine Bewusstseinsgeschichte) lösen? Welche neuen Probleme sind damit verbunden? Wie können etwa Objekte und Praktiken in die ideengeschichtliche Analyse einbezogen werden, ohne in einen neuen Positivismus zu verfallen?

3. Aneignung: Empirische Anwendungsbeispiele von Theorie- und Methodenangeboten
Strategien der Kontextualisierung werden in den verschiedenen Theorieangeboten nur selten explizit dargestellt. Es bleibt der/dem Forschenden selbst überlassen, sich entsprechend der eigenen Fragestellung und des jeweiligen Gegenstandes einzelne oder mehrere Methoden- und Theorieangebote anzueignen und ihre häufig abstrakten Vorgaben pragmatisch umzusetzen. Die Strategien der Kontextualisierung sind damit nicht immer eins zu eins übertragbar. Dennoch lohnt ein Blick auf konkrete empirische Anwendungsbeispiele, um häufige Probleme zu diskutieren, wie sie etwa aus der Kombination verschiedener, auch widersprüchlicher Methoden und Theorien entstehen. Wie verändern sich Theorie und Methoden im Prozess der Aneignung? Wie lässt sich ein methodischer ‚Werkzeugkasten‘ unterschiedlichster Ansätze legitimieren?

Die Veranstaltung richtet sich an Doktorandinnen und Doktoranden aus dem Bereich der Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Neben Vorträgen zu Theorie und Methode sind auch praktische Anwendungsbeispiele erwünscht. Bewerbungen für Vorträge sind bis zum 15.5.2014 per E-Mail – einschließlich einer maximal 500 Wörter umfassenden Projektskizze – an Stefan Wannenwetsch (stefan.wannenwetsch[at]uni-tuebingen.de) möglich. Die Auswahl und Benachrichtigung der Vortragenden erfolgt bis Ende Mai.

Als Keynote-Speaker, die in die jeweiligen Bereiche einführen, konnten Helge Jordheim (Oslo), Hubert Knoblauch (Berlin) und Julia Angster (Mannheim) gewonnen werden.

Programm

Kontakt

Stefan Wannenwetsch

Seminar für Zeitgeschichte, Wilhelmstraße 36, 72074 Tübingen

stefan.wannenwetsch@uni-tuebingen.de