Produktive Körper. Aktuelle Forschungen zur Körpergeschichte des Ökonomischen

Produktive Körper. Aktuelle Forschungen zur Körpergeschichte des Ökonomischen

Veranstalter
Arbeitskreis für Körpergeschichte; in Zusammenarbeit mit der Basel Graduate School of History (BGSH) und dem Departement Geschichte der Universität Basel, organisiert von Peter-Paul Bänziger (Universität Basel), Marcel Streng (Universität Bielefeld), Lea Bühlmann (Basel Graduate School of History), Arina Heussler (Universität Basel)
Veranstaltungsort
Departement Geschichte der Universität Basel, Hirschgässlein 21, Seminarraum 1
Ort
Basel
Land
Switzerland
Vom - Bis
05.06.2014 - 07.06.2014
Deadline
31.05.2014
Von
Peter-Paul Bänziger

Die Tagung fragt nach der körperlichen/materiellen Dimension der Herstellung des Ökonomischen durch die und in der Produktion ökonomischer Subjekte in den letzten rund 200 Jahren. Wir gehen dabei von dem doppelten Befund aus, dass einerseits körpergeschichtliche Perspektiven und Fragestellungen im aktuellen Boom der (sozial- und kulturwissenschaftlich orientierten) Wirtschaftsgeschichtsschreibung kaum eine Rolle spielen (1.), dass sich aber andererseits auch die Körpergeschichte der Wirtschaft bzw. dem Ökonomischen und dessen Etablierung als spezifischer gesellschaftlicher Bereich bisher eher zurückhaltend genähert hat (2.):

(1.) Die aktuelle Renaissance heterodoxer Ansätze in der Wirtschaftsgeschichte richtet den Blick auf Phänomene, die zur klassischen Auffassung der Arbeitsteilung - Produktion, Distribution, Konsum - ebenso quer liegen wie zur Aufteilung der ökonomischen Sphäre in Dienstleistungen, Industrie und Landwirtschaft. Heuristische Konzepte wie «Qualität» und innovative Ansätze aus den Science and Technology Studies haben zwar dazu geführt, dass der Materialität ein größeres Gewicht beigemessen wurde, genuin körpergeschichtliche Aspekte auf das moderne Ökonomische sowie insbesondere auf die Herstellung einer als «ökonomisch» bezeichneten Form sozialer und dinglicher Beziehungen selbst blieben aber meistens ausgeblendet.

(2.) Im Feld der potentiell körpergeschichtlich relevanten Forschung ist dagegen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Ökonomischen offensichtlich, obwohl gerade in Bereichen wie der Produktion und des Konsums an bereits seit längerer Zeit vorliegende Studien angeknüpft werden kann, bzw. derzeit auch neue Perspektiven entwickelt werden. Zudem fehlen bisher weitgehend Forschungen zur Körpergeschichte jener Subjekte, die nach der Epochenschwelle der biopolitischen Moderne um 1900 im Zentrum des industriellen Produktivismus platziert wurden. Aber auch das Arbeitssubjekt des «Postfordismus» ist bisher merkwürdig körperlos geblieben - auch wenn freilich viel darüber bekannt ist, wie der Körper für die (Selbst-)Optimierung und Regeneration dieser Arbeitssubjekte eingesetzt wird.

Vor diesem Hintergrund lassen sich die einzelnen Beiträge den folgenden drei thematischen Bereichen zu ordnen:
(1.) Beiträge, die sich den Übergängen, dem Neben- oder Gegeneinander unterschiedlicher Entwürfe des produktiven Subjekts und seines Körpers zwischen thermodynamischem «Human Motor» und postfordistischem «Human Capital» widmen.
(2.) Beiträge, die nach den Aus- und Einschlüssen von bestimmten Körpern fragen, über die produktive Körper hergestellt werden.
(3.) Beiträge, die durch eine heuristische Symmetrisierung von Handlungsmacht bzw. ihrer Übertragung auf Dinge die Konstitution von spezifisch menschlichen produktiven Körpern untersuchen.
Die Tagung ist Teil einer längerfristigen Auseinandersetzung des Arbeitskreises für Körpergeschichte mit der Thematik, wobei sie insbesondere an die Tagung "Eine Zeitgeschichte des Selbst" (Bielefeld 2010) anschliesst.

Programm

Donnerstag 5. Juni 2014

13:00 Kaffee
13:30 Begrüssung und Einführung

14:00 Sektion 1: Körper-Ding-Arrangements
Moderation: Simona Isler (Universität Basel)
Klara Löffler (Universität Wien): Der Aktenlauf. Zur Ethnographie interner Bürokommunikation in den 1920er Jahren
Roman K. Abt (Universität Basel): Getreideelevator, Jutesack und Arbeiter in den Basler Rheinhäfen, 1920‐1940
Kommentar: Franz X. Eder (Universität Wien)

15.45 Pause

16.15 Sektion 2: un/re/produktive Körper
Moderation: Anja Suter (Universität Basel)
Brigitte Fuchs (Universität Graz): Osteomalazie als Indikation ‚weiblicher Kastration‘: Weiblichkeit als Über-/Reproduktionskrise
Pascal Eitler (MPI für Bildungsforschung Berlin): Arbeitstiere. Zur Produktivität von Tierkörpern im 19. Jahrhundert
Wiebke Wiede (Universität Trier): Unproduktive Körper. Arbeitslose Subjekte seit den 1970ern
Kommentar: Martin Lengwiler (Universität Basel)

18:30 Schluss

Freitag 6. Juni 2014

10:00 Kaffee
10:30 Sektion 3: In/Output
Moderation: Lea Bühlmann (Universität Basel)
Nina Mackert (Universität Erfurt): Fat as Fuel Power? Ernährungsdiskurse und produktive Körper in den USA der 1880er bis 1920er Jahre
Gianenrico Bernasconi (Universität Zürich): Zwischen Nervosität und Überstunde: Ovomaltine und die Büroarbeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Kommentar: Heiko Stoff (Universität Braunschweig)

12:15 Mittagessen

14:15 Sektion 4: Bewerten 1
Moderation: Céline Angehrn (Universität Basel)
Sandra Maß (Ruhr Universität Bochum): Üben, üben, üben … Ökonomische Habitusformation bei Kindern im 19. und 20. Jahrhundert
Mischa Suter (Universität Basel): Schuld, Pfand und Person. Inwertsetzung von Körpern und Objekten im liberalen Kapitalismus (Schweiz, 19. Jh.)
Kommentar: Christian Hoffmann (Universität Oldenburg)

16:00 Pause
16:30 Sektion 5: Bewerten 2
Moderation: Marcel Streng (Universität Bielefeld)
Lars Bluma (Deutsches Bergbau-Museum Bochum): Die Produktivität des bergmännischen Körpers: Ökonomische Versicherungsrationalität(en) und Bioökonomie industrieller Arbeit
Lukas Held (Universität Zürich): Der Körper als Ressource. Der Produktivitätsdiskurs zwischen Vergangenheits- und Zukunftsorientierung
Kommentar: Alexa Geisthövel (Charité – Universitätsmedizin Berlin)

18:15 Schluss

Samstag 7. Juni 2014

10:00 Kaffee
10:30 Sektion 6: (Menschen) Führen
Moderation: Melanie Boehi (Universität Basel)
Marcel Streng (Universität Bielefeld): Die Wahrheit ist auf dem Platz. Führungsverhältnisse und Preisbildungsprozesse auf öffentlichen Lebensmittelmärkten (Frankreich, 19. Jhdt.)
Kevin Heiniger (Universität Basel): „Ein Herz, das die Verzweiflung zur Maschine herabwürdigt.“ Körperlichkeit in Tagebuchaufzeichnungen eines Aarburger Anstaltszöglings aus den Jahren 1944/45
Kommentar: Roman Rossfeld (Universität Genf)

12:15 Mittagessen

13.15 Sektion 7: Un/Körperlichkeit der Arbeit
Moderation: Peter-Paul Bänziger (Universität Basel)
Timo Luks (Universität Chemnitz): Der Körper des Polizisten, oder: Was ist eigentlich „körperliche Arbeit“? Ideen zu einer Körpergeschichte des Polizeidiensts im neunzehnten Jahrhundert
Sabine Donauer (MPI für Bildungsforschung Berlin): Die Körperlosigkeit produktiver Selbste: arbeitswissenschaftliche Konzepte in Deutschland (20. Jahrhundert)
Kommentar: Jens Elberfeld (Universität Bielefeld)

15:00 Schlussdiskussion
Philipp Sarasin (Universität Zürich): Schlusskommentar

16:00 Tagungsende

Kontakt

Arina Heussler (arina.heussler@unibas.ch)

https://dg.philhist.unibas.ch/