Macht und Ohnmacht „kollektiver Akteure“ im Angesicht von Gewalt und ihren Folgen. Zur Bedeutung des Faktors Gewalt für die Gesellschaften Europas im 20. Jahrhundert

Macht und Ohnmacht „kollektiver Akteure“ im Angesicht von Gewalt und ihren Folgen. Zur Bedeutung des Faktors Gewalt für die Gesellschaften Europas im 20. Jahrhundert

Veranstalter
Anne Bieschke, M. A. (Historisches Institut, Lehrstuhl für Zeitgeschichte, Universität Mannheim), Markus Stadtrecher, M. A. (Institut für Europäische Kulturgeschichte, Universität Augsburg)
Veranstaltungsort
Universität Mannheim, Historisches Institut
Ort
Mannheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.01.2015 - 24.01.2015
Deadline
31.07.2014
Website
Von
Anne Bieschke

Gerade die beiden großen Jubiläen zum Beginn des Ersten und zum Ende des Zweiten Weltkrieges in den Jahren 2014 und 2015 richten das Augenmerk einer breiten Öffentlichkeit auf die grausamen Auseinandersetzungen des letzten Jahrhunderts. Auch in der Geschichtswissenschaft ist das Thema höchst aktuell. So wird sich auf dem Historikertag 2014 eine Sektion mit den Möglichkeiten einer Gewaltgeschichte Europas im 20. Jahrhundert auseinandersetzen. Bislang standen hierbei vor allem die Entgrenzung der Gewalt in den beiden Weltkriegen und die Erfahrung politischer und ethnischer Gewalt in verschiedensten faschistischen Regimen und Diktaturen im Mittelpunkt des Interesses. Aber auch Erfahrungen „alltäglicher“, auf gesellschaftlicher Ebene verankerter Arten von Gewalt beeinflussten massiv das Denken und Handeln der europäischen Gesellschaft(en) und ihrer Akteure nach 1945. Diese Gewalterfahrungen zu verarbeiten, ihnen entgegenzutreten und aus Gewaltverhältnissen auszubrechen war Ziel und Zweck vieler Organisationen und Bewegungen, die sich nach 1945 gründeten.

Die Tagung nimmt diese Gruppen aus vergleichender Perspektive in den Blick und untersucht Gemeinsamkeiten sowie Differenzen im Umgang mit Gewalt in unterschiedlichsten Ausprägungen und ihre Folgen. Unter dem Begriff „kollektive Akteure“ ist es möglich, das Forschungsfeld neu auszurichten und hierdurch unter neuen Gesichtspunkten zu analysieren. Mit seiner Hilfe können folgende Gruppen gemeinsam untersucht und verglichen werden:

- Koalitionen
- Soziale Bewegungen
- Clubs
- Verbände

Damit wird erstmals die politikwissenschaftliche Forschung zum „akteurzentrierten Institutionalismus“, die auf die Ähnlichkeiten zwischen oben genannten Akteuren hinweist, auf die historische Forschung übertragen. Dieser Ansatz macht es möglich, die in ihrer Mitglieder- und Organisationsstruktur doch sehr unterschiedlichen Gruppen zusammen zu untersuchen und sich so von einer reinen Bewegungsforschung bzw. Organisationsforschung zu lösen. Somit kann eine große Zahl an Gruppen erfasst werden, in denen sich Menschen gegen Gewalt engagierten. Darauf aufbauend lassen sich übergreifende Aussagen über die Entwicklung des Verständnisses (oder des Verhältnisses) der europäischen Gesellschaft zu Gewalt-, Macht- und Ohnmachtsverhältnissen treffen.

In den einzelnen Sektionen der Tagung soll es darum gehen, anhand ausgewählter „kollektiver Akteure“ die Frage zu untersuchen, wie die jeweilige Gruppe mit dem Thema Gewalt bzw. mit konkreten Gewalterfahrungen umgeht oder umging. Damit können konkrete Erfahrungen von Gewaltakten, z. B. Handlungen im Krieg, Gewaltverbrechen usw. sowie deren Folgen gemeint sein, aber auch die Erfahrung struktureller Gewalt, wie sie beispielsweise in der Beziehung der Geschlechter zueinander oder im Verhältnis verschiedener Ethnien oder ‚Rassen‘ untereinander vorkommt. Die unterschiedlichen Formen von Gewalt lassen sich dabei oft nicht eindeutig voneinander unterscheiden. In vielen Fällen greifen sie ineinander bzw. bedingen sich gegenseitig. Diese Zusammenhänge herauszuarbeiten ist ebenso Ziel der Tagung wie die Untersuchung der Frage, wie die jeweiligen „kollektiven Akteure“ sich selbst und ihre Position in diesem Gefüge aus Gewalt, Macht und Ohnmacht wahrnahmen und darauf reagierten.

In der Regel ist davon auszugehen, dass die betrachteten Akteure innerhalb dieses Gefüges Opfer von Gewalt sind bzw. sich als Opfer sehen, denen es selbst (meist) an Macht und Ressourcen mangelt, um (Gegen-) Gewalt auszuüben oder sie auf andere Art und Weise zu beenden. Sie stehen der Gewalt also ohnmächtig gegenüber. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Selbstwahrnehmung sowie die Strategien der Akteure mit dieser Ohnmacht umzugehen, ihr zu begegnen und sie gegebenenfalls zu beenden, sind ein weiterer Schwerpunkt der Tagung. Dazu kommt die historische Einordnung des Akteurs und seiner Rolle in die Vorgeschichte und der Gewaltsituation an sich wie auch sein Verhältnis zur Gesellschaft, in der er verankert ist.

In diesem Zusammenhang stehen mehrere Leitfragen im Zentrum der Tagung:

I. Gewalterfahrung

Haben die spezifischen Gewalterfahrungen der Weltkriege für das Entstehen neuer kollektiver Akteure gesorgt und bestehende verändert?

Mit welche Arten von Gewalt muss der kollektive Akteur sich auseinandersetzen bzw. von welchen fühlt er sich bedroht?

Wie geht der kollektive Akteur mit diesen Gewaltformen/-erfahrungen um?

II. Macht – Ohnmacht

Wie entwickelte sich das jeweilige „Gewaltverhältnis“ und wie verhalten sich Täter und Opfer von Gewalt zueinander? Wird vom Akteur eine eventuelle Mitschuld reflektiert? Gibt es Schuldzuweisungen von Seiten der Täter?

Welche Ausgangsposition hat er und welche Strategien und Argumentationsmuster entwickelt bzw. nutzt er zur Überwindung der Gewalt/des Gewaltzustandes? Was zeichnet das Vorgehen der Gegenseite aus?

III. Kollektiver Akteur und Gesellschaft

Wie ist der Akteur in der Gesellschaft verankert und wie reagiert sie auf das spezielle Anliegen?

Existieren Vernetzungen verschiedener kollektiver Akteure untereinander? Wie stehen beispielsweise soziale Bewegungen zu Organisationen und Verbänden?

Wie verändern sich diese Strategien und die Ziele der Akteure im Laufe der Zeit?

Teilnehmende haben in einem Vortrag Gelegenheit, sich mit einem solchen Akteur näher zu beschäftigen. Die aufgeworfenen Forschungsfragen sollen einen Einstieg in die Auseinandersetzung bieten, sind aber nicht obligatorisch zu beantworten. Die Mitwirkung von Forschenden aus anderen Disziplinen ist dabei erwünscht. Im Vorfeld der Tagung wird um die Einreichung eines Papers gebeten, das die Argumentation und die Thesen des Vortrags wiedergibt und im Anschluss an die Tagung gegebenenfalls zu einem Beitrag in einem Tagungsband erweitert werden kann.

Bitte senden Sie Ihren Vorschlag für einen Vortrag (max. 500 Worte) und einen kurzen akademischen CV (max. 2 Seiten) bis zum 31. Juli 2014 an:

Markus Stadtrecher M. A.
Wissenschaftliche Koordination
Institut für Europäische Kulturgeschichte
Universität Augsburg
Eichleitnerstraße 30
86159 Augsburg
Tel.: 0821 / 598-5851
Markus.stadtrecher@iek.uni-augsburg.de

Programm

Kontakt

Markus Stadtrecher

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Universität Augsburg
Eichleitnerstraße 30
86159 Augsburg

0821 / 598-5851

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