Ehre und Hof. Chancen und Grenzen des politischen Konsenses im Mittelalter. Internationaler Workshop für DoktorandInnen

Ehre und Hof. Chancen und Grenzen des politischen Konsenses im Mittelalter. Internationaler Workshop für DoktorandInnen

Veranstalter
Christian Heinemeyer M.A., SFB 923 "Bedrohte Ordnungen" / Marco Krätschmer M.A., SFB 1070 RessourcenKulturen / Andreas Öffner M.A., Seminar für Mittelalterliche Geschichte, Eberhard Karls Universität Tübingen
Veranstaltungsort
Tübingen
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.10.2014 - 03.10.2014
Deadline
30.06.2014
Website
Von
Christian Heinemeyer, Marco Krätschmer, Andreas Öffner

Welche Vorstellungen hatten Karl der Große, Friedrich Barbarossa und Karl IV. von honor und wie wurde an ihren Höfen über Ehre gestritten?
Dass politische Akteure des hohen Mittelalters weniger durch rationale Konzepte und weitsichtige Pläne bestimmt, sondern viel stärker durch heute fremd wirkende Vorstellungen von ritterlicher Ehre geleitet wurden, hat Knut Görich in seiner Habilitationsschrift zur Politik Friedrich Barbarossas in Italien herausgearbeitet und seitdem in verschiedenen weiteren Einzelstudien untermauert. Dabei ist mit honor – êre weder ein eindeutig definierter Rechtstitel noch eine – in der nachhumanistischen Moderne begegnende – intrinsische Qualität angesprochen, sondern „die Summe aus Vornehmheit, Rang, Ämtern, Besitz, persönlichen Fähigkeiten und Verbindungen“ einer Person.
Wie aber der Stellenwert von Ehre für politisch-soziale Ordnungen jenseits des 12. Jahrhunderts, insbesondere im frühen und im späten Mittelalter, und jenseits des Römischen Reichs vergleichend einzuschätzen ist, ist trotz Studien zu verschiedenen Einzelbeispielen bislang nicht näher untersucht worden. Es bietet sich an, sich dieser Frage von dem Ort her zu nähern, der „der einzige Mittelpunkt zentraler ‚staatlicher‘ Existenz […] vor dem ausgehenden 15. Jahrhundert“ (P. Moraw) war: vom Königs- oder Fürstenhof. Hier wurde verhandelt, vermittelt und Recht gesprochen – und Ehre vielfach zum Politikum. Dies gilt nicht allein für die Ehre des Herrschers, sondern auch und gerade für den honor all der Großen, die sich an den Höfen Mitteleuropas aufhielten, um an Entscheidungsprozessen zu partizipieren, Privilegien zu empfangen, Beschwerden vorzubringen und – im Zuge dessen – ihren Rang gegen Konkurrenten zu verteidigen oder zu erhöhen.
So wird am Hof mit der „konsensuale[n] Bindung von Herrschaft“ gleichzeitig jenes Charakteristikum „alteuropäischer [politischer] Ordnung“ (B. Schneidmüller) greifbar, das in neuerer Sicht den consensus fidelium des Mittelalters weder als inhaltsleere Floskel noch als Voraussetzung herrscherlichen Handelns, sondern als Ziel und Zweck desselben ausweist. Wenn in diesem Zusammenhang betont wurde, dass es „nicht so sehr die Eintracht zwischen König und Volk als vielmehr die Eintracht im Volk selbst [war], die der König herbeizuführen hatte“ (R. Deutinger), liegt der Bezug zur Ehre auf der Hand: Jedes désavouement eines politischen Akteurs durch Mitglieder seiner peer group gefährdete deren „Eintracht“. Momente der Ehrverletzung, der Aushandlung von und des Streitens über honor zu betrachten, bedeutet somit, neben dem vielfach betonten Nutzen des Konzepts „konsensualer Herrschaft“ auch nach Dissens, Dysfunktionalität und Gewalt innerhalb politischer Ordnungen zu fragen. Dies ermöglicht, gleichermaßen Chancen und Grenzen konsensualer Herrschaft auszuloten und Wirkweisen von Ehre in solchen Momenten zu untersuchen, in denen vormoderne politische Ordnungen bedroht waren.
Der internationale Workshop, der gemeinschaftlich von der Tübinger Graduiertenakademie und vom Tübinger Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“ getragen wird und in die Arbeit des „Zentrums Vormodernes Europa“ eingebunden ist, bietet Promovierenden die Gelegenheit, über die Themenkreise Ehre, Hof und konsensuale Herrschaft ins Gespräch zu kommen und ihre Forschungen – gerne auch jenseits ihres Dissertationsthemas – mit ausgewiesenen Experten des Faches aus dem In- und Ausland zu diskutieren. Der Call richtet sich daher an DoktorandInnen, die ein selbst ausgewähltes und vorbereitetes Quellendossier zu einem einschlägigen Fallbeispiel zur Diskussion stellen möchten, das Aufschluss über – erfolgreiche oder scheiternde – Versuche mittelalterlicher Akteure gibt, die eigene Ehre am Hof gegenüber den Mitgliedern ihres Umfeldes zu verteidigen bzw. zu erhöhen. Geplant sind für jedes Fallbeispiel jeweils einstündige Diskussionseinheiten mit einer knappen historischen Einführung von nicht mehr als 10 Minuten zu Beginn. In das Thema des Workshops wird Knut Görich in einem Abendvortrag einführen.
Wir freuen uns über Exposés von nicht mehr als 400 Wörtern, in denen Quellenkorpus sowie historischer oder literarischer Kontext knapp umrissen werden und die Relevanz für das Workshopthema dargelegt wird. Wir bitten um Zusendung zusammen mit einer kurzen biographischen Notiz bis spätestens 30.6.2014 an marco.kraetschmer@uni-tuebingen.de.
Berücksichtigung erfahren auch Themenvorschläge aus Nachbardisziplinen, etwa der germanistischen Mediävistik, der Literaturwissenschaft oder der Rechtsgeschichte. Nicht zuletzt aufgrund der räumlich vergleichenden Ausrichtung des Workshops ist uns die Beteiligung internationaler NachwuchswissenschaftlerInnen ein besonderes Anliegen. Die Tagungssprache ist Deutsch, Beiträge auf Englisch und Französisch sind aber ebenso sehr willkommen.
Kosten für Anreise und Übernachtung auswärtiger ReferentInnen können übernommen werden.

Programm

Kontakt

Christian Heinemeyer M.A.
SFB 923 "Bedrohte Ordnungen"
Eberhard Karls Universität Tübingen
Keplerstr. 2
72074 Tübingen
Christian.Heinemeyer@uni-tuebingen.de

Marco Krätschmer M.A.
SFB 1070 „RessourcenKulturen“
Eberhard Karls Universität Tübingen
Gartenstr. 29
72074 Tübingen
marco.kraetschmer@uni-tuebingen.de

Andreas Öffner M.A.
Seminar für Mittelalterliche Geschichte
Eberhard Karls Universität Tübingen
Wilhelmstr. 36
72074 Tübingen
andreas.oeffner@uni-tuebingen.de