Zeitschrift für Genozidforschung, Schwerpunktthema: „Gewaltraum“ Mittelmeer? – Strukturen, Erfahrungen und Erinnerung kollektiver Gewalt im Zeitalter der Weltkriege

Zeitschrift für Genozidforschung, Schwerpunktthema: „Gewaltraum“ Mittelmeer? – Strukturen, Erfahrungen und Erinnerung kollektiver Gewalt im Zeitalter der Weltkriege

Veranstalter
Zeitschrift für Genozidforschung, Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltungsort
Ort
Bochum
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.09.2015 -
Deadline
15.09.2015
Website
Von
Christine Isabel Schröder

Man muss Timothy Snyders These der „bloodlands“ nicht folgen, um die Frage nach dem Mittelmeer als „Gewaltraum“ des frühen 20. Jahrhunderts zu stellen. Als eine ganz besondere, einmalige ‚Geschichtsregion‘, die drei Kontinente – je nachdem – trenne oder vereine, ist der Mittelmeerraum spätestens seit dem 19. Jahrhundert gerade auch im deutschsprachigen Raum wissenschaftlich wie populär festgeschrieben worden, und selbst heute beginnt kaum eine Publikation über mediterrane Themen ohne diese Setzung.

Bezeichnenderweise mangelt es – ebenfalls wiederum besonders in der deutschsprachigen Forschungslandschaft – an Perspektiven, die die Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts für die mediterrane Region zusammenhängend beleuchten. Dabei haben gerade die Gedenkjahre 2014/15 mit der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und an den Genozid an den Armenier*innen sowie die aktuellen politischen Debatten um Reparationszahlungen Deutschlands an Griechenland die mediterranen Dimensionen kollektiver Gewalt deutlich gemacht.

Das Beispiel Griechenland macht auch deutlich, dass selbst längst existierende Forschung zu Teilaspekten einer mediterranen Gewaltgeschichte bislang kaum wissenschaftliches Wissen in den öffentlichen Raum, ins ‚allgemeine Wissen’ der (deutschen) Gesellschaft transferieren konnte. Den Deutschen, so scheint es, bleibt das Mittelmeer entweder (in seinem nördlichen Teil) ein touristischer ‚Sehnsuchtsraum’ oder (in seinem südlichen Teil) neuerdings wieder ein Raum der Krisen und Konflikte (und zwar die ‚der Anderen’).

Wenn nun das Mediterraneum mit dem Topos eines „Gewaltraums“ zusammengedacht werden soll, geht es keineswegs darum, einen kulturell oder gar ‚natürlich’ (vor-)strukturierten ‚Raum der Gewalt’ zu postulieren und festzuschreiben. Vielmehr ist es das Anliegen, eine – auch über Jahrhunderte als solche aufgeladene – ‚Geschichtsregion’ in den Blick zu nehmen und anhand dieses Zuschnitts Strukturen kollektiver Gewalt zu untersuchen und transparent zu machen:

Es gilt, die einzelnen gewaltvollen Umwälzungen des Mittelmeerraums zwischen Kolonialismus, Weltkriegen und Dekolonisation in eine größere zusammenhängende Perspektive zu rücken, die Kontinuitäten aufzeigt und auch heutige politische und soziale Ereignisse in ihrer historischen Bedingung verortet und beleuchtet.

Diesen Fragen nach den Strukturen, Erfahrungen und Erinnerungen kollektiver Gewalt in der mediterranen Region in und zwischen den Weltkriegen ist das Themenheft der »Zeitschrift für Genozidforschung« gewidmet. Darin sollen bestehende Forschungen aus den Geschichts-, Sozial-, Kultur- und Literaturwissenschaften resümiert, aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt und Desiderate – insbesondere in der deutschsprachigen Forschungslandschaft – aufgezeigt werden.

Erwünscht sind Fallstudien oder systematische Beiträge u. a. aus folgenden Themenfeldern:

- „Vergessene“ Kriege und Konflikte im Vor- und Umfeld der Weltkriege (z. B. Balkankriege, Italienisch-Türkischer Krieg, Rifkriege, Spanischer Bürgerkrieg);

- Vergessene Zeug*innen, ungehörte Stimmen: Erfahrungen und Überlieferungen z. B. von Kolonialsoldaten in den Weltkriegen; Kriegserfahrungen der Zivilbevölkerung in den Weltkriegen (hier v. a. auch orale Traditionen); gendered experiences von kollektiver Gewalt;

- der Völkermord an den Armenier*innen 1915/16: Ereignis, Zeugenschaft, Gedächtnis;

- die Shoah im mediterranen Raum: Ereignis, Zeugenschaft, Gedächtnis;

- Erinnerung und Gedächtnis an die Erfahrungen von Unterdrückung, Entrechtung, Vertreibung: Formen und Medien der Überlieferung;

- ‚Ort der Gewalt, Ort der Rettung‘: das Mittelmeer als ambivalenter Erinnerungsort (z. B. in Diasporakulturen);

- Literarische Re-Präsentationen von mediterranen ‚Landschaften der Gewalt’ (z.B. der Schlachten am Isonzo);

- mediterrane Topographien der Gewalt (z. B. die „foiba“) und des Widerstandes (z. B. „Maquis“);

- Gedenkorte, ‚Erbe & Heritage‘: Fragen der Archivierung und Musealisierung, auch im Kontext von Tourismus-Management und -Marketing;

- Re-Präsentationen kollektiver Gewalt in ‚mediterraner’ Kunst, Musik und Kultur;

- postkoloniale Perspektiven;

- didaktische Perspektiven zur Reflexion von Strukturen kollektiver Gewalt in Migrationsgesellschaften.

Neben Beiträgen aus der wissenschaftlichen Forschung sind auch Überlegungen zu möglichen oder Erfahrungsberichte zu existierenden zivilgesellschaftlichen Projekten in Kunst und Kultur, Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung gewünscht.

Abstracts von bis zu 500 Wörtern (+ kurzen biographischen Angaben) können bis zum 15.09.2015 in elektronischer Form mit dem Betreff „Gewaltraum Mittelmeer“ eingereicht werden unter: christine.schroeder@ruhr-uni-bochum.de (Herausgeberin des Themenheftes) sowie idg@ruhr-uni-bochum.de (Redaktion der »Zeitschrift für Genozidforschung«).
Die Bekanntgabe der akzeptierten Beiträge erfolgt Ende September 2015. Die Beiträge, die eine Zahl von bis zu 80.000 Zeichen nicht überschreiten sollten, sollen bis zum 15.01.2016 vorliegen.

Die 1999 gegründete, halbjährlich mit einem Jahresumfang von bis zu 320 Seiten erscheinende »Zeitschrift für Genozidforschung« ist ein etabliertes Forum für die Publikation und Diskussion internationaler Forschungen zu kollektiver Gewalt, Holocaust und Genozid, ihrer Vorgeschichte, Durchführungsstrukturen sowie ihrer generationenübergreifenden Folgen. Ein besonderes Anliegen der »Zeitschrift für Genozidforschung« besteht darin, neben der Publikation von Beiträgen renommierter Forscherinnen auch avancierten Nachwuchswissenschaftlerinnen die Möglichkeit zu eröffnen, Ergebnisse ihrer Forschungen zu publizieren und so neue Tendenzen der Forschung über kollektive Gewalt und Genozid zur Diskussion zu stellen.

Allgemeine Informationen für Autor*innen und eine Vorstellung der Zeitschrift sind unter der Internetadresse <http://www.ruhr-uni-bochum.de/idg/unterseiten/zfg.html> zu finden.

Kontakt:
Zeitschrift für Genozidforschung
Birgit Doleschal (Assistentin der Redaktion)
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstraße 150
D-44801 Bochum
idg@ruhr-uni-bochum.de

Christine Isabel Schröder (Gastherausgeberin)
Zentrum für Mittelmeerstudien
Ruhr-Universität Bochum
Konrad-Zuse-Str. 16
D-44801 Bochum
christine.schroeder@rub.de

Programm

Kontakt

Christine Isabel Schröder

Zentrum für Mittelmeerstudien, Ruhr-Universität Bochum
Konrad-Zuse-Str. 16, D-44801 Bochum
0234/32-29718

christine.schroeder@rub.de


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Deutsch
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