Kultureller und politischer Aktivismus

Kultureller und politischer Aktivismus

Veranstalter
PERIPHERIE-Redaktionsbüro
Veranstaltungsort
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.05.2018 -
Deadline
03.05.2016
Von
PERIPHERIE-Redaktionsbüro, Michael Korbmacher

Künstlerischer und politischer Aktivismus (Arbeitstitel)

Call for Papers, PERIPHERIE, Ausgabe 144 (erscheint November 2016)

Im Heft 144 möchte sich die PERIPHERIE schwerpunktmäßig mit der Verschränkung von künstlerischem und politischem Aktivismus auseinandersetzen. Die Begegnung, das Zusammenspiel, die Vermischung von künstlerischer Aktion und sozialer Bewegung ist kein neues Phänomen. Von Künstler_innen bzw. Bild- und Graphikexpert_innen gestaltete Transparente, Flugblätter, Plakate und Wandbilder geben politischen Inhalten eine ästhetische Form. Gleiches gilt auch für engagiertes Liedgut, Prosa, Lyrik, Graffiti, Film und Fotografie. Performative Konzepte wie das Theater der Unterdrückten stellen temporäre Aktionsräume im öffentlichen Raum her, die auf Missstände hinweisen und in denen mit alternativen Handlungsweisen experimentiert wird. Auf ähnliche Weise intervenieren Aktivist_innen der Kommunikationsguerilla, um Zonen zu produzieren, in denen Unsichtbares sichtbar wird. Auch die in den letzten Jahren populär gewordenen Urban-Gardening- oder Guerilla-Gardening-Projekte greifen unmittelbar in die Stadtgestaltung ein, schaffen neue soziale Handlungs- und Kommunikationsräume. Zugleich aber werden sie als Kunstform in das warenförmige Betriebssystem Kunst aufgenommen, beispielsweise auf der letzten documenta in Kassel. Ein weiteres Beispiel hinsichtlich der Verbindung von Kunst und politischem Aktivismus ist die in den 1990er Jahren von H.I.J.O.S. in Argentinien entwickelte Protestform der escraches. Vom Staat nicht zur Verantwortung gezogene Unterdrücker_innen aus Zeiten der Militärdiktatur werden dabei mit buntem und lautstarkem Protest vor ihrer Haustür konfrontiert und gegenüber ihrer Nachbarschaft bloßgestellt. Hier entstanden in enger Zusammenarbeit zwischen den sozialen Bewegungen und Künstler_innen-Kollektiven neue Formen des zivilen Ungehorsams. In der europäischen Solidaritätsbewegung und bei Protesten gegen Migrationsregime werden unterschiedliche Formen des Happenings erprobt, und vielerorts begleiten Künstler_innen mit ihren Kenntnissen über Konzeption und Form den Prozess der Protestgestaltung oder der Intervention. Auch in der Auseinandersetzung mit Orten kolonialer Erinnerung geht die Kritik von ästhetischer Form und politischer Botschaft zusammen. In Kooperation mit in Europa für ihre Rechte kämpfenden Flüchtlingen und Migrant_innen entstehen künstlerische Arbeiten. Die dérive, d.h. die ungeplante Stadterforschung der französischen Situationist_innen inspiriert bis heute Aktivist_innen. Beispielsweise haben die an feministische Kämpfe anknüpfenden Kollektive Mujeres Creando (Bolivien), Precarías a la Deriva (Spanien) oder Mujeres Públicos (Argentinien) neue Versionen der dérive ins Spiel gebracht, indem sie das planlose Umherschweifen der Flaneure in einen situierten Ort der Forschung verwandelt haben, der in ganz konkreten Situationen im Alltag halt macht, um dort kollektiv die Lage zu untersuchen. In vielen afrikanischen Städten stehen Hip-Hop-Gruppen im Übergangsraum zwischen Jugendprotest und Bandenkriminalität. In Burkina Faso hat die Gruppe Sams‘K Le Jah eine zentrale mobilisierende Rolle gespielt. Für die Demokratiebewegungen in Nordafrika und in der Türkei waren künstlerische Arbeiten im Bereich von Grafik und Graffiti von großer Bedeutung.

Mit unserem Heftschwerpunkt wollen wir die Bedingungen, unter denen künstlerischer und politischer Aktivismus ineinandergreifen oder gar ununterscheidbar werden, untersuchen und die daraus entstehenden Möglichkeiten und Probleme für emanzipatorische Praxis erörtern. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf der spezifischen Situation in Regionen der Peripherie und der weltweiten Vernetzung und Mobilität von Menschen, Ideen und Konzepten.

- Wie wirken gesellschaftliche Rahmenbedingen wie Massenmedien, Eventkultur, politische Zensur, Alphabetisierungsrate, Kunstmarkt, staatliche und private Förderprogramme und Aufträge auf das Zusammengehen von künstlerischem und sozialem Aktivismus ein?

- Wie beeinflussen die Wandlungen und Differenzierungen des Kunstbegriffs und künstlerischen Selbstbildes die Formen und die Wahrnehmung von künstlerischer Aktivität im Kontext sozialer Bewegungen? Welche Rolle spielen Verschiebungen im Selbstverständnis der in sozialen Bewegungen Aktiven, z.B. von einer Definition über Klassenzugehörigkeit zur Definition über Protestkultur und kulturelle Codes, für das Zusammengehen von Kunst und Politik? Und wie wirkt dies auf das künstlerische und politische Selbstverständnis zurück?

- Wie tragen künstlerische Formen und Positionen zur Entwicklung von sozialen Bewegungen und politischer Analyse bei? Welche Rolle spielen soziale Bewegungen als Material für künstlerische Produktion? Welche realen und utopischen Räume eröffnet das Zusammenspiel?

- Wie wirkt der warenförmig organisierte Kunstmarkt auf die Verbindung von Kunst und Politik zurück? Was passiert mit einer Aktionsform und politischen Inhalten, wenn sie aus dem Kontext der sozialen Bewegung in den eines Museums oder einer Kunstausstellung transferiert werden?

- Wie verändert das Etikett „Kunst“ die Wahrnehmung und Akzeptanz von Artefakten und Aktivitäten, die sonst als politisch gelten würden? Welche politischen Handlungsspielräume entstehen dadurch?

- Wie kann Kunst im Spannungsfeld zwischen ihrer Warenförmigkeit und dem demokratischen Anspruch, allen Menschen künstlerische Tätigkeit zu ermöglichen, als Widerstand begriffen werden? Zu welchen (potentiellen) Konflikten führt das?

- Wie gestaltet sich in diesem Kontext das Verhältnis zwischen den von sozialer Ungleichheit, Ausgrenzung, Repression usw. Betroffenen und solidarischen Intellektuellen? Hat künstlerischer Aktivismus Einfluss darauf, wer wann wie warum und für wen spricht? Können soziale Bewegungen zur Demokratisierung des künstlerischen Feldes und künstlerischer Produktion beitragen?

- In welchem strategischen Kontext unterstützen westliche Geberorganisationen Kulturschaffende und Aktivist_innen in Ländern der Peripherie, die künstlerische Ausdrucksformen zur sozialen Veränderung einsetzen, und welche Probleme und Paradoxien ergeben sich daraus?

- Wie wirkt sich das Verhältnis zwischen Peripherie und Zentrum auf das Verhältnis von künstlerischem und politischem Aktivismus aus?

Wir wünschen uns Beiträge, die
- einzelne Fälle des Zusammenspiels von Kunst und sozialen Bewegungen im Globalen Süden darstellen und auf ihre Hintergründe, (kunst-)geschichtliche, politische, soziale und ökonomische Einbettung sowie ihre Wirkungen hin untersuchen;

- das Zusammenwirken von Kunst und sozialen Bewegungen und deren weltweite Wahrnehmung im Kontext des internationalen Kunstmarktes oder der sozialen Stellung von Künsterl_innen/Aktivist_innen untersuchen;
-
- historische und theoretische Linien im (durchaus auch konfliktiven) Austausch von Kunst und sozialen Bewegungen aufzeigen und diskutieren, insbesondere in Bezug auf die spezifischen Bedingungen der Peripherie und der globalen Migration und Vernetzung von Menschen, Ideen und Konzepten.

Wir freuen uns neben klassischen wissenschaftlichen Forschungsaufsätzen (30.000-50.000 Zeichen) auch über Beiträge, die Ergebnisse künstlerischer Untersuchungen in anderer Form (visuell, Text-/Bildkollage, fragmentarisch ...) zum Ausdruck bringen. Redaktionsschluss für die PERIPHERIE 144 ist der:

3. Mai 2016.

Angebote, die aus Sicht der Redaktion geeignet sind, werden zur anonymen Begutachtung durch mindestens zwei externe Gutachter_innen weitergeleitet. Manuskripte, Rücksprachen zu möglichen Beiträgen und weitere Fragen bitte an info@zeitschrift-peripherie.de. Weitere Hinweise für Autor_innen sind auf der Webseite http://www.zeitschrift-peripherie.de abzurufen.

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Michael Korbmacher

PERIPHERIE-Redaktionsbüro, Stephanweg 24
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