Forschungsdaten in der Geschichtswissenschaft

Forschungsdaten in der Geschichtswissenschaft

Veranstalter
Arbeitsbereich Zeitgeschichte des Historischen Instituts der Universität Paderborn in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft ‚Digitale Geschichtswissenschaft‘ im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD), dem Center for Digital Humanities an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, dem Historischen Datenzentrum Sachsen-Anhalt (Hist-Data) der Martin-Luther-Universität Sachsen-Anhalt und dem Heinz-Nixdorf-MuseumsForum, Prof. Dr. Peter E. Fäßler, Dr. Martin Dröge, Jun.-Prof. Dr. Torsten Hiltmann, Dr. Katrin Moeller, Dr. des. Ramon Voges
Veranstaltungsort
Heinz-Nixdorf-MuseumsForum
Ort
Paderborn
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.06.2018 - 08.06.2018
Deadline
20.02.2018
Website
Von
Redaktion H-Soz-Kult

Die Projektförderung durch Drittmittelgeber ist oft mit der Maßgabe verbunden, die gewonnenen Forschungsdaten öffentlich zugänglich zu machen. Für HistorikerInnen stellt sich dabei die keinesfalls triviale Frage: Was ist im Rahmen der Geschichtswissenschaften überhaupt unter Forschungsdaten zu verstehen?
Die geplante Tagung möchte diese Frage aufgreifen und in einem breiteren Rahmen diskutieren. In mehreren Sektionen soll dabei diskutiert werden, 1) was geschichtswissenschaftliche Forschungsdaten sind, 2) wie diese gespeichert, organisiert und nutzbar gemacht werden können, 3) wie wir hierfür gemeinsame Standards entwickeln können und 4) welche Rolle in diesem Rahmen der Datenautorschaft zukommt.

1) Forschungsdaten in der Geschichtswissenschaft

Das Stichwort ‚Data Deluge‘ beschreibt die Flut von potentiell relevanten und frei verfügbaren Daten, der wir uns gegenüber sehen - auch als HistorikerInnen. Dies betrifft zum einen generisch digitale Daten aus Verwaltung, sozialen Medien und verschiedenen Formen der digitalen Kommunikation. Man denke hier nur an die SMS der Bundeskanzlerin oder die aktuellen Debatten um die zersplitterten Diskursräume in den sozialen Medien. Generisch digitale Daten stellen nicht nur aufgrund der unüberschaubaren Menge eine große Herausforderung für die Zeitgeschichte dar. Auch datenschutzrechtliche Gesichtspunkte und Fragen der Archivierung sind hier zu nennen.

Das Problem der ‚Datenflut‘ betrifft zum anderen aber auch die ursprünglich analogen Quellen, die in Form von Bilddateien, digitalen Editionen und Beschreibungen durch Metadaten in Katalogen und Findbüchern in immer größerer Zahl zugänglich gemacht werden. Während in den Naturwissenschaften, wo Daten durch Experimente generiert werden, der Begriff eindeutiger scheint, ist eine klare Zuordnung in den Geschichtswissenschaft nicht immer eindeutig möglich. Zwar werden auch hier Daten erhoben, Informationen zu Ereignissen, Personen und Beziehungen zusammengetragen, Bilddaten gesammelt, Arbeitstranskriptionen angefertigt und Belegstellen zusammengeführt. Doch werden diese oft nur selektiv erfassten Daten dann aber in einem längeren Prozess immer weiter angereichert, weiterverarbeitet und interpretiert, so dass es zu einer engen Vermischung von Ursprungsdaten und den Ergebnissen des Arbeitsprozesses kommt. Wo ist hier also die Grenze zu ziehen?
Zudem stellt sich die Frage der genaueren Kategorisierung dieser Daten. Um die mannigfachen Informationstypen zu ordnen, die in der Geschichtswissenschaft existieren, werden verschiedene Typologien vorgeschlagen. Daten lassen sich so etwa mit Blick auf Qualität, Informationsgehalt und Strukturierung differenzieren (z.B. Textcorpora, Metadaten, Linked Data). In gleicher Weise kann man aber auch zwischen Grunddaten (Raum, Zeit, Personen) und Quellendaten unterscheiden. Wie also lässt sich das Feld der geschichtswissenschaftlichen Forschungsdaten näher beschreiben?
Schließlich soll im Rahmen der Tagung auch diskutiert werden, inwieweit die bisherigen Traditionen der Geschichtswissenschaft für den allgemeinen Begriff von Forschungsdaten in der Wissenschaft anschlussfähig sind oder ob hier neue Konzeptionen zu entwickeln wären. Beiträge können sich mit digital born sources, Digitalisaten, digitalen Editionen sowie mit audiovisuellen Quellen, Ton-, Bild- oder Textquellen befassen.

2) Forschungsdatenmanagement und Datenzentren

Die Aufbewahrung von Quellen und Forschungsergebnissen liegt in der Geschichtswissenschaft bisher im Verantwortungsbereich von Archiven und Bibliotheken, denen als Informationsdienstleister auch bei der Aufbewahrung von Forschungsdaten eine wichtige Rolle zukommt.
Die Produktion der Forschungsdaten ist allerdings das Herzstück wissenschaftlichen Arbeitens. Ergebnisorientiertes Forschungsdatenmanagement, offene Daten und Datenstandards sowie die schiere Menge der Daten sind für die historische Forschung Potential und Herausforderung zugleich. Hier braucht es eine Neubestimmung der Abläufe und Verantwortlichkeiten innerhalb des Wissenschaftsprozesses, der auch die spezifischen Fachperspektiven angemessen berücksichtigt. Warum sollten wir Forschungsdaten auf welche Weise zusammentragen und wie bringen wir fachspezifische Standards in diesen Prozess ein?

3) Datenstandards

Neben der Infrastruktur und Workflow braucht es entsprechende Standards, um Austauschbarkeit und damit auch Nachnutzbarkeit von Daten sicherzustellen. Abseits von technischen und rechtlichen Herausforderungen sind auch wissenschaftsspezifische Fragen zu klären, vor allem die methodischen Wege, wie Transparenz und Verständlichkeit von Daten gewährleistet werden können. Zu diskutieren ist vor allem die Notwendigkeit fachspezifischer, zentralisierter Normdaten und die hierfür notwendigen Normen, Standardisierungen für Erfassung und Auszeichnung der Daten (angefangen bei so trivialen Fragen die der Angabe von Datierungen) sowie die Konzeptualisierungen von Ontologien.

In welchen Bereichen ist es sinnvoll, Daten zentral zu standardisieren, wo sind individuelle Ansätze wichtig, um Meinungspluralität und Vielfalt zu erhalten? Zu fragen wäre ferner, wie gemeinsame Standards entwickelt werden können und welche Rolle dabei die historischen Grundwissenschaften spielen sollten, deren Feld damit ja eigentlich beschrieben ist. Beispiele aus der Praxis können diese Aspekte und Fragen demonstrieren.

4) Datenautorschaft

Für Forschende müssen persönliche Anreize geschaffen werden, damit es auch in der Geschichtswissenschaft zur Regel wird, Forschungsdaten für die Nachnutzung zu teilen. Eine Sektion soll sich dieser und damit verknüpfter Fragen widmen. Gerade im Rahmen von Open Data und kollaborativem Arbeiten bedürfen digitale Forschungsleistungen neuer Formen der Evaluation, wissenschaftlicher Reputation und Autorenschaft. Obwohl die Datenproduktion in den Geschichtswissenschaften kosten-, zeit- und personalintensiv ist und obwohl Erschließungsprozesse von Medien und Quellen Teil des wissenschaftlichen Forschungsprozesses sind, wird die Datenarbeit oftmals nicht als äquivalente Leistung im Wissenschaftsbetrieb angesehen. Daher soll zum Abschluss der Tagung die Daten- und Softwareautorenschaft als neue Form geisteswissenschaftlicher Urheberschaft und Quelle wissenschaftlicher Reputation diskutiert werden. Somit soll abschließend auch die Rolle des einzelnen Forschers in diesem Prozess näher beleuchtet werden.

Vorschläge für Vorträge im Umfang von 20 min zu den genannten Themen erbitten wir mit einem kurzen Abstract (max. 1 Seite) und CV (max. 1 Seite) bis zum 20. Februar 2018 per Mail an: martin.droege [at] uni-paderborn.de

Die Benachrichtigung der ausgewählten Referentinnen und Referenten erfolgt bis zum 25. Februar 2018. Die Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten wird angestrebt, kann jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt nicht garantiert werden.

Programm

Kontakt

martin.droege [at] uni-paderborn.de


Redaktion
Veröffentlicht am