Militär und Stadt im Krieg. Herrschaftssicherung und Radikalisierung an der „Heimatfront“ in der zweiten Kriegshälfte 1942–1945

Militär und Stadt im Krieg. Herrschaftssicherung und Radikalisierung an der „Heimatfront“ in der zweiten Kriegshälfte 1942–1945

Veranstalter
KZ-Gedenkstätte Neuengamme, in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität Hamburg und der Evangelischen Akademie der Nordkirche
Veranstaltungsort
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.11.2018 - 23.11.2018
Deadline
02.06.2018
Website
Von
Bade, Claudia

Die Bezeichnung „Heimatfront“ für die Einbeziehung der (eigenen) Zivilbevölkerung in Kriegshandlungen wurde im Nationalsozialismus zu einem zentralen propagandistischen Kampfbegriff. In Josef Goebbels‘ „Sportpalastrede“ vom Februar 1943 bezeichnete die Losung vom „totalen Krieg“ die Ausweitung des Krieges auf alle gesellschaftlichen Bereiche sowie auf die gesamte „Volksgemeinschaft“. „Front“ und „Heimatfront“ verschränkten sich insbesondere in Großstädten durch die häufiger werdenden Bombenangriffe der Alliierten zusehends. So waren immer mehr Frauen nun in Hilfsdiensten der Wehrmacht, des Luftschutzes oder der Sanitätsdienste beschäftigt und immer mehr Handlungen wurden durch das Regime kriminalisiert. Kurzum: Die Militarisierung der gesamten Gesellschaft schritt schnell voran, und die Gewaltinstanzen des NS-Regimes radikalisierten ihr Handeln in der zweiten Kriegshälfte.

Die Wehrmacht prägte diesen Prozess wesentlich mit. In allen Städten gab es Garnisonen; militärische und zivile Instanzen arbeiteten eng zusammen. Die Spruchpraxis von Militärgerichten an der „Heimatfront“ macht die Verflechtungen zwischen der Kriegsgesellschaft und dem militärischen Apparat beispielhaft deutlich, doch Interaktionen zwischen militärischem und zivilem Leben im urbanen Raum werden auch in anderer Hinsicht erkennbar: Der Luftschutz und der „Volkssturm“ standen für eine solche Interaktion, zudem die Lage der in der Kriegswirtschaft eingesetzten Kriegsgefangenen, die als „fremdvölkische“ Arbeitskräfte gekennzeichnet und mithin „sichtbar“ in Städten und Betrieben waren. Die Überwachung von Soldaten und Zivilbevölkerung durch die unterschiedlichen Verfolgungsinstanzen verschärfte sich, wovon auch untergetauchte Deserteure betroffen waren, sowie die Menschen, die sie unterstützten.

Ausgehend von Erkenntnissen des von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur geförderten Forschungsprojekts „Militärjustiz und Stadt im Krieg. Die Gerichte des Ersatzheers in Hamburg und Norddeutschland 1939-1945“, das sich mit der Spruchtätigkeit der Militärgerichte an der „Heimatfront“ und der Verquickung von Wehrmachtgerichtsbarkeit und zivilen Instanzen beschäftigt, wollen wir auf einer Tagung zum Projektabschluss insbesondere anhand von drei Aspekten untersuchen, auf welche Weise das NS-Regime seine Herrschaft bis zum Ende des Krieges sicherte und die Militarisierung der Gesellschaft vorantrieb:
1. Die zunehmende Radikalisierung von Verfolgung und Gewalt an der „Heimatfront“ sowohl bei zivilen als auch bei militärischen Instanzen. Veränderten sich im Kriegsverlauf die Grenzziehungen zwischen „Volksgenossen“ und „Gemeinschaftsfremden“, und wenn ja, auf welche Weise?
2. Die Zusammenarbeit und die Aushandlungsprozesse zwischen militärischen Akteuren und der Wehrmacht auf der einen, und zivilen, im städtischen Raum agierenden, Akteur*innen auf der anderen Seite. Hierfür könnten akteurszentrierte Ansätze interessant sein, welche die soziale Praxis in Städten im Reich sowie in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten untersuchen.
3. Welche Auswirkungen hatten militärische Ereignisse des näher rückenden Krieges, wie der Bombenkrieg oder die Bildung des „deutschen Volkssturms“, auf die zivile, städtische Gesellschaft und den Erhalt der „Volksgemeinschaft“?

Wir suchen für unsere am 22.-23.11.2018 in Hamburg stattfindende Tagung „Militär und Stadt im Krieg. Herrschaftssicherung und Radikalisierung an der ‚Heimatfront‘ in der zweiten Kriegshälfte 1942–1945“ nach Beiträgen, die im beschriebenen Sinne die zunehmende Radikalisierung von Gewalt im städtischen Raum in der zweiten Kriegshälfte thematisieren, die Aushandlungsprozesse zwischen verschiedenen Akteur*innen oder Akteursgruppen beschreiben, das Zusammenspiel zwischen militärischer und ziviler Gesellschaft im Hinblick auf den Erhalt (oder die Auflösung) der „Volksgemeinschaft“ analysieren oder das Verhältnis zwischen „Volksgenossen“ und „Gemeinschaftsfremden“ bzw. zwischen Besatzern und Besetzten in den Blick nehmen. Gesucht werden Beiträge zu allen Regionen und Städten des „Dritten Reichs“. Als Vorschläge seien folgende Themenbereiche genannt, es sind aber auch andere willkommen:
- Auswirkungen der Urteile von Kriegsgerichten (Ersatzheer) und Standgerichten am Ende des Krieges auf die Zivilbevölkerung (Radikalisierung – Netzwerke von Helfer/innen und Denunziant/innen)
- „Gemeinschaftsfremde“ und „Volksgenossen“ in der Kriegs- und Rüstungswirtschaft
- Terror und Gewalt gegen Kriegsgefangene und Italienische Militärinternierte, aber auch gegen Zwangsarbeiter*innen in der zweiten Kriegshälfte
- Verschärfung der Haftbedingungen im zivilen und/oder militärischen Strafvollzug in der Kriegsendphase: Versorgung, Überbelegungen und Gewalt sowie Verlegungen und Evakuierungen
- Konstruktionen der „Volksgemeinschaft“ im Bombenkrieg und im „Volkssturm“
- Der Luftschutz als Mittler zwischen zivilem und militärischem Leben und Instanz der Herrschaftssicherung
- Reaktionen der Kirchen auf Radikalisierung von Staat und NS-Instanzen im Verlaufe des Krieges
- Das Zusammenwirken von zivilen NS-Institutionen (Justiz, Polizei, Partei) und Wehrmacht im städtischen Raum in der zweiten Kriegshälfte

Vorschläge für Tagungsbeiträge erbitten wir in Form einer Themenskizze im Umfang von bis zu 400 Wörtern sowie einer Kurzvita bis zum 2. Juni 2018 per E-Mail an claudia.bade@bkm.hamburg.de.

Programm

Kontakt

Claudia Bade

KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg 75, 21039 Hamburg

040 428131544

claudia.bade@bkm.hamburg.de