Vergangenheit Kohle und Stahl - Zukunft Wissen und Bildung? Die Bildungs- und Wissensgeschichte im Ruhrgebiet und in anderen europäischen Montanregionen

Vergangenheit Kohle und Stahl - Zukunft Wissen und Bildung? Die Bildungs- und Wissensgeschichte im Ruhrgebiet und in anderen europäischen Montanregionen

Veranstalter
Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets / Sara-Marie Demiriz
Veranstaltungsort
Haus der Geschichte des Ruhrgebiets, Konferenzraum
Ort
Bochum
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.09.2018 - 21.09.2018
Deadline
05.09.2018
Von
Demiriz, Sara-Marie; Kellershohn, Jan; Otto, Anne

Im 20. Jahrhundert begriffen verschiedene politische, ökonomische und wissenschaftliche Akteur/innen Bildung und Wissen wiederholt als Instrumente, die dazu dienen sollten, wahrgenommene Krisen zu überwinden. Dies gilt insbesondere für schwerindustrialisierte Ballungsräume und Montanregionen. Dabei dominieren Erzählungen, die die verheißungsvolle Transformationskraft von Bildung und Wissen fortschreiben und den „Wandel durch Wissen“, die „Bildungsexpansion“ und die „Chancengleichheit“ bis in eine Zukunft der „Wissensgesellschaft“ extrapolieren.
Diese Perspektive ist aber ambivalent: Stehen Bildung und Wissen einerseits für Emanzipation, Integration und Teilhabe, setzen sie andererseits neue Sag- und Machbarkeitsregeln des Zugriffs auf Individuen, Räume und Ordnungen. Die Gewissheit, dass Bildung, Wissen und Qualifikation den Wandel der industriellen Gesellschaft steuerbar machen sollten, birgt also ein Paradox: In Momenten, in denen Bildung und Wissen zu Krisenbewältigungsmitteln avancierten, wurde ihr Inhalt zunächst problematisierbar. Sie stellten keine Transformationsressource dar, sondern ein Feld, in dem verschiedene Gruppen und Institutionen die Zukunft der industriellen Gesellschaft und der Arbeit, aber auch der gesellschaftlichen Ordnung und Ungleichheit, mithin die Frage, was überhaupt Wissen und Qualifikation sein könnten, aushandelten. Die Konferenz will diese Janusköpfigkeit mit Blick auf europäische Montanregionen und damit eng verbundene Aspekte wie Demokratisierung, Migration und Strukturwandel näher beleuchten.
Das mit Bildung und Wissen verbundene Transformationsversprechen soll auf der Konferenz weder bestätigt noch widerlegt werden. Es geht vielmehr darum, die über Wissen und Bildung geführten gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse sichtbar zu machen, um konzeptionelle Überlegungen zu einer Geschichte des „Wandels durch Wissen“ zu diskutieren und neue Interpretationen dieses Versprechens zu erproben. Im Mittelpunkt stehen das Verhältnis von Wissen und Ungleichheit, von Qualifikation und Subjektivierung sowie die Konstruktion von Bildungsferne.

Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Die Tagung wird gefördert durch die RAG-Stiftung.

Anmeldungen nimmt Sara-Marie Demiriz (sara@demiriz.de) bis zum 05. September entgegen.

Programm

Mittwoch, 19. September 2018:
13:00–13:30 Uhr: Anmeldung
13:30–13:45 Uhr:
Stefan Berger (Bochum): Begrüßung und Einführung

13:45–15:45 Uhr:
Panel I: Von der Industrie- zur Wissensgesellschaft? Bildung und Wissen im „Strukturwandel“

Chair: Jakob Vogel (Paris)

- Jörg Arnold (Nottingham): ‘Once the thirst for knowledge begins to grow, it knows no bounds’: The National Union of Mineworkers and the politics of education in the British coalfields, ca. 1965-1985
- Jan Kellershohn (Bochum): Die Erprobung der postindustriellen Welt. Umschulung und die Bildbarkeit des Erwachsenen (1960-1980)
- Timo Celebi (Duisburg-Essen): Der Blick der Bildungsexperten und die Konstruktion „hochschulleerer Räume“ ab der Mitte der 1960er Jahre

16:00–18:00 Uhr:
Panel II: Arbeitsmigration und Bildung

Chair: Jochen Oltmer (Osnabrück)

- Sara-Marie Demiriz (Bochum): Die Bildung der „Gastarbeiter“? Bildungspolitische Aushandlungsprozesse im „Migrationsregime Ruhrgebiet“
- Engin Deniz Yorulmaz (Braunschweig): „Pädagogik der Unterdrückten“ – Die Dynamik des Wissens über Bildung in linken MigrantInnenorganisationen
- Laura Lademann (München): Die Bedeutung der Berufsqualifikation für die Integration von ausländischen Jugendlichen der „2. Generation“ in Nordrhein-Westfalen in den 1970er und 80er Jahren

19:00 Uhr: Öffentliche Podiumsdiskussion, anschließend kleiner Empfang

Donnerstag, 20. September 2018:

10:00–12:00 Uhr:
Panel III: Demokratiebildung und Demokratieversprechen

Chair: Gerhard Kluchert (Wien)

- Anne Otto (Halle-Wittenberg): „Freie Bahn dem Tüchtigen“? – Aushandlungsprozesse demokratischer Schulreformen im Ruhrgebiet in der Weimarer Republik
- Frank Becker (Duisburg-Essen): Arbeitsoptimierung durch Wissen? Das DINTA und die Arbeitswissenschaften in der Weimarer Republik
- Phillip Wagner (Halle-Wittenberg): Wie sollen Demokraten handeln? Die nordrhein-westfälischen Richtlinien für den Politikunterricht und der Wandel der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er Jahren

13:00–15:00 Uhr:
Panel IV: Bildungspolitik in „bildungsfernen“ Bergbau- und Montanregionen zwischen Restriktion und Emanzipation

Chair: Wilfried Rudloff (Kassel)

- Stéphane Lembré (Lille/Arras): The vocational training from industrialization to deindustrialization in the North of France (1950s-1980s)
- Ingrid Miethe (Gießen): Bildungsaufstieg in drei Generationen. Biografische Verläufe bei Familien aus der Montanindustrie.
- Sandra Wenk (Halle-Wittenberg): Hauptschüler als „Bildungsferne“? Alte und neue Ungleichheiten im Kontext der Bildungsexpansion und der Pädagogisierung jugendlichen Aufwachsens

15:30–17:30 Uhr:
Panel V: Menschenführung – Menschenformung

Chair: Lars Bluma (Wuppertal)

- Franziska Rehlinghaus (Göttingen): Menschenführung und Nächstenliebe. Die Gemeinsame Bildungsarbeit von Kohle und Kirche im Rahmen der Kommende (1949-1977)
- Wiebke Wiede (Trier): Bildungspflichten und Subjektivierung von Arbeitslosigkeit seit den 1970er Jahren

Freitag, 21. September 2018:

9:30–11:30 Uhr:
Panel VI: „Männliche“ Bergbauregionen? Die Geschlechtlichkeit der Bildung

Chair: Dagmar Kift (Dortmund)

- Alicia Gorny (Bochum): „Die Ausbildung der Anderen“. Kranfahren auf der Henrichshütte Hattingen unter Berücksichtigung von Gender und Disability Studies
- Stefan Moitra (Bochum): Aufbruch im Bergbau? Berufssozialisation und Männlichkeit im industriellen Wandel
- Michael R. M. Ward (Swansea): From Labouring to Learning: Working-class masculinities, Education and De-industrialization in Wales.

11:30–12:30 Uhr: Abschlussdiskussion und Verabschiedung

Kontakt

Sara-Marie Demiriz
Haus der Geschichte des Ruhrgebiets
Clemensstraße 17-19
44789 Bochum
+49 (0)234 32 - 23312

sara@demiriz.de

http://www.isb.ruhr-uni-bochum.de/sbr/drittmittelprojekte/zukunft_wissen_bildung