„Schaffen und Nachahmen. Kreative Prozesse im Mittelalter“. 18. Symposium des Mediävistenverband e.V.

„Schaffen und Nachahmen. Kreative Prozesse im Mittelalter“. 18. Symposium des Mediävistenverband e.V.

Veranstalter
Prof. Dr. Volker Lepping, im Auftrag des Mediävistenverband e.V.
Veranstaltungsort
Eberhard Karls Universität Tübingen
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.03.2019 - 20.03.2019
Deadline
15.01.2019
Von
Klaus Oschema

In der Gegenwart werden das Verhältnis von Schaffen und Nachahmen sowie die Bedeutung beider Aspekte für kreative Prozesse neu ausgehandelt: Die Postmoderne hat das Subjekt dezentriert und intensiv über den Tod des Autors diskutiert. Die Möglichkeiten, die erst die Informationstechnologie und das Internet eröffnet haben, generieren neuartige Debatten über die Grenzen von Urheberschaft und das Verhältnis von Original und Kopie, Zitat und Plagiat. Im Internet ist ein Urheberrecht kaum zu behaupten, „Copy and Paste“ sind längst Praxis. Hier werden Seiten gespiegelt, Aussagen, Bilder und Filme anderer Seiten kompiliert, Zitate nicht mehr angeführt, sondern verlinkt. Symptome dieses Wandels kreativer Prozesse sind etwa die Diskussionen über Helene Hegemanns Roman „Axolotl Roadkill“ (2010) und das Kompilieren als künstlerisches Verfahren oder auch die – durchaus politischen – Debatten über die Grenzen des Plagiats in der Wissenschaft.

Das Tübinger Symposium des Mediävistenverband e.V. nimmt diese aktuellen Veränderungen zum Anlass, um nach dem Spannungsverhältnis von Schaffen und Nachahmen im Mittelalter zu fragen – und sich damit zugleich der Frage nach der Kreativität im Mittelalter zuzuwenden. Dabei geraten Analysen der Manuskript- und Objektkulturen, die in dieser Epoche Vorstellungen, Diskurse und Praktiken hervorgebracht haben, ebenso in den Blick, wie die Frage, inwiefern die zeitlich weit entfernten historischen Phänomene gegenwärtigen Entwicklungen nicht sogar näher stehen als jenen der westlichen Moderne mit ihren spezifischen Konzepten von Autorschaft, Urheberrecht, Originalität und Plagiat. Damit ist selbstverständlich keine Rückkehr ins Mittelalter behauptet – sehr wohl aber die Frage aufgeworfen, ob sich das Verhältnis der eigenen, heutigen Kultur zu den Kulturen des Mittelalters noch ohne weiteres über dieselben dichotomischen Modelle der Alterität von Mittelalter und Moderne beschreiben lässt, wie es spätestens seit den 1980er Jahren vielfach üblich gewesen ist.

Das 18. Symposium des Mediävistenverbandes steht deshalb unter dem Titel „Schaffen und Nachahmen. Kreative Prozesse im Mittelalter“. Es wird organisiert im Auftrag des Mediävistenverbandes von dem evangelischen Kirchenhistoriker Prof. Dr. Volker Leppin und wird veranstaltet von der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Weit über 100 Beiträge von Forschenden aus aller Welt bieten Zugänge aus einer Vielzahl fachlicher Perspektiven, beispielsweise der Germanistik, Theologie, Architektur- und Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft, Anglistik, Musikwissenschaft, Judaistik, oder Medizingeschichte. Sie werden in den drei Themenfeldern „Original – Kopie“, „Urbild – Abbild“ und „Entkontextualisierung – Neukontextualisierung“ vorgestellt.

Das Programm enthält zudem drei Plenarvorträge: Der Literaturwissenschaftler Christian Kiening (Zürich) eröffnet das Symposium mit dem Thema „Die Erschaffung literarischer Welten im Mittelalter“. Der evangelische Kirchenhistoriker Christoph Markschies (Berlin) referiert über „Manichäismus an der Seidenstraße oder: Kreative Prozesse der mittelalterlichen Neukonfigurierungen einer spätantiken Religion“. Die Historikerin Ingrid Baumgärtner (Kassel) untersucht abschließend das Thema „Von der Reise zur Karte. Schöpfungsprozesse und kulturelle Praktiken“.

Im Vorprogramm findet bereits am Sonntagabend unter dem Titel „Liebe kennt kein Warum (Meister Eckhart)“ ein Konzert des Ensemble Cosmedin statt, mit Musik und Texten der Mystik. Zudem werden im kulturellen Begleitprogramm mediävistische Zugänge zur Stadt Tübingen und ihrer Umgebung geboten – unter anderem zwei Stadtführungen, eine Führung durch das Kloster Bebenhausen sowie das Evangelische Stift, ein ehemaliges Augustiner-Eremitenkloster.

Der Mediävistenverband e.V. zählt über 1.200 Mitglieder aus allen Fächern, die sich mit dem Mittelalter beschäftigen. Im Rahmen des Tübinger Symposiums wird zum vierten Mal der Nachwuchspreis für herausragende Dissertationen verliehen, der sich nicht nur an die Mitglieder des Verbandes richtet, sondern auch weiteren Interessierten offensteht.

Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden sich unter https://www.mv-symposium2019.uni-tuebingen.de/.

Programm

Montag, 18. März 2019

Hauptvortrag (öffentlich): Prof. Dr. Christian Kiening, Zürich
„Die Erschaffung literarischer Welten im Mittelalter“

Sektion 1: „Das Skriptorium um den Cgm 51 und Cgm 19: Autorschaft - Materialität - Edition“
Sektion 2: „Nachahmung in christlicher Frömmigkeit“
Sektion 3: „Internationale Verflechtungen und gattungsübergreifender Austausch als Katalysatoren für künstlerische Innovationen im 15. Jahrhundert“
Sektion 4: „Semiotik der Kopie – Narrative des Nachschaffens“
Sektion 5: „Vorbilder in gesellschaftlichen Kontexten“
Sektion 6: „Aus alt machʼ neu. Neukontextualisierung als schöpferischer Akt“

Dienstag, 19. März 2019

Sektion 7: „Kopieren“
Sektion 8: „Jerusalem als monotheistischer Sehnsuchtsort. Ur- und Abbild der Heiligen Stadt in den abrahamitischen Religionen“
Sektion 9: „Säkularisierung? Religiöses Wissen in weltlichen Kontexten“
Sektion 10: „Tradition und Wandel in der Überlieferung des Gregorianischen Chorals“
Sektion 11: „Perfekte Mimesis – Konzepte, Phantasmen, Szenen“
Sektion 12: „Erkenntnis von Welt und Natur“
Sektion 13: „Was ist ein Original?“
Sektion 14: „Imitieren. Kreativität in ewiger Wiederkehr?“
Sektion 15: „Nachahmung in Epik und Dichtung“
Sektion 16: „Kompilation und Kreativität“
Sektion 17: „Archivum Medii Aevi Digitale: Neue Konzepte und neue Kontexte für das wissenschaftliche Publizieren in der Mediävistik“
Sektion 18: „Imitieren. Kreativität in ewiger Wiederkehr?“
Sektion 19: „Nachahmung und Kreativität“
Sektion 20: „Intertextualität der Mystik. Zwischen Zitat, Paraphrase und kreativer Exegese“

Hauptvortrag (öffentlich): Prof. Dr. Christoph Markschies, Berlin,
„Manichäismus an der Seidenstraße oder: Kreative Prozesse der mittelalterlichen Neukonfigurierungen einer spätantiken Religion“

Mittwoch, 20. März 2019

Sektion 21: „Gebet und Emotion“
Sektion 22: „Tradierung, Reorganisation und Produktion. Zum kreativen Potential von volkssprachlich-literarischer Wissensadaption“
Sektion 23: „Kreative Aneignungen. Volkssprachliche Hymnare zwischen Tradition und Eigenständigkeit“
Sektion 24: „Kreative Transformationen. Die Antike in der mittelalterlichen Historiographie und Literatur“
Sektion 25: „ ,… eine einzige galenische Sekte‘ – Kreative Aneignung antiker Medizin im Mittelalter
Sektion 26: „Kompilationsstrategien in geistlichen Texten des Spätmittelalters“
Sektion 27: „Aktualisierung: Bibelauslegung als Heilsvermittlung“
Sektion 28: „Neukontextualisierungen in den monotheistischen Religionen“
Sektion 29: „Byzanz: Neukontextualisierung und Kreativität im Umgang mit antiken Denktraditionen“
Sektion 30: „Kreative Prozesse in Zeiten des Krieges“
Sektion 31: „Deutsch-Polnische Kontakte in der mittelalterlichen Literatur und Geschichtsschreibung – gegenseitige Wahrnehmungen, narrative Konstruktionen und ihre Modifikationen im Hoch- und Spätmittelalter“
Sektion 32: „ ,Arten ein Buch zu machen‘: Kompilation, Übersetzung und kopistische Intervention im Hoch- und Spätmittelalter“
Sektion 33: „Der Reiz der Maria Magdalena“
Sektion 34: „Vom Original zum neuen Kontext

Verleihung des Dissertationspreises des Mediävistenverbandes 2019 und Laudatio

Abschlussvortrag (öffentlich): Prof. Dr. Ingrid Baumgärtner, Kassel
„Von der Reise zur Karte. Schöpfungsprozesse und kulturelle Praktiken“

Ein ausführliches Programm und Abstracts zu den einzelnen Vorträgen ist abrufbar unter: https://www.mv-symposium2019.uni-tuebingen.de/ sowie http://www.mediaevistenverband.de.

Kontakt

Volker Leppin

Eberhard Karls Universität, Lehrstuhl für Kirchengeschichte I
Liebermeisterstr.12, D-72076 Tübingen

sekretariat.leppin@ev-theologie.uni-tuebingen.de

https://www.mv-symposium2019.uni-tuebingen.de/