Alle Jahre wieder – Geschichte zu Jubiläen und Gedenktagen

Alle Jahre wieder – Geschichte zu Jubiläen und Gedenktagen

Veranstalter
Studierende und Young Professionals (SYP) in der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) in Kooperation mit der Juniorprofessur für Didaktik der Geschichte und dem Masterstudiengang Public History an der Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltungsort
Ort
Ruhr-Universität Bochum
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.03.2019 - 08.03.2019
Von
Nils Steffen

Seit Jahren sprießen immer neue Präsentations- und Vermittlungsformate aus dem fruchtbaren geschichtskulturellen Boden. Häufig dann, wenn die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist, Öffentlichkeiten zu erreichen – also zu Jubiläen, Gedenktagen und damit verbundenen politischen Themensetzungen. Allein 2018 blicken wir zurück auf Karl Marx (200. Geburtstag), das Ende des Ersten Weltkriegs und die Revolution von 1918/19, auf 100 Jahre Frauenwahlrecht, fünfzig Jahre 1968 und 400 Jahre Dreißigjähriger Krieg.

In großen Sonderausstellungen, Büchern und Fernsehdokumentationen wird Geschichte präsentiert und für das Publikum nahbar gemacht: Was ist damals geschehen und welche Bedeutung haben die Ereignisse und Entwicklungen für uns heute? Die Presse berichtet, Tourismusunternehmen bieten zielgerichtete Reisen an und Agenturen, Unternehmen sowie Kultureinrichtungen richten ihr Veranstaltungsportfolio auf die Großereignisse aus. Die mediale Orientierung an Jubiläen und Gedenktagen prägt und verändert den Blick auf Geschichte. Besonders deutlich wird dies am Umgang mit Geschichte in der veränderten deutschen Parteienlandschaft, deren Vertreter*innen zur Erhöhung der medialen Reichweite teils zu gezielten geschichtspolitischen Provokationen greifen und bestimmte Themen des erinnerungskulturellen Diskurses neu besetzen und umdeuten wollen.

Thomas Welskopp formulierte 2014 in einem Vortrag vier „Gefahren“ dieser Erinnerungskultur: „erstens eine fortschreitende Taktverkürzung der medialen Aufmerksamkeitsspanne, zweitens eine dominierende Personalisierung der inszenierten Erinnerung, drittens die Konzentration auf die Reproduktion ikonischer Darstellung und viertens schließlich die Mimesis angeblichen unmittelbaren Miterlebens, die als nacherlebbare Erinnerung medial suggeriert wird.“1

Diese Gefahren sowie die Chancen möchte der 6. Workshop der Studierenden und Young Professionals (SYP) der AG Angewandte Geschichte/Public History im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) diskutieren. Der Workshop findet vom 7.-8. März 2019 an der Ruhr-Universität in Bochum statt.

Für die Keynote konnte Prof. Dr. Achim Landwehr (Düsseldorf) gewonnen werden. Landwehr begleitete 2017 in einem Blog das Luther-Jahr, brach seine kommentierte Sammlung geschichtskultureller Fundstücke aber bereits im August des Jahres wieder ab. Das Vorhaben, seine Beobachtung der deutschen Geschichtskultur in einer „plumpe[n] Verbeugung vor dem Reformationsgeschehen“ mit der „reformationsjubiläumsüblichen Neigung zu wenig subtilen Anspielungen“ auf „mindestens 9,5 Thesen zur deutschen Geschichtskultur“ zuzuspitzen, musste unvollendet bleiben. Geblieben sind Beobachtungen und erste Thesen zur Geschichtskultur, die Landwehr zur Diskussion stellt.2

Der Workshop findet in Kooperation mit der Juniorprofessur für Didaktik der Geschichte und dem Masterstudiengang Public History an der Ruhr-Universität Bochum statt. Um vorherige Anmeldung bei den Organisator*innen Helen Wagner und Nils Steffen (helen.wagner@fau.de und nils.steffen@gmail.com) wird gebeten. Eine Teilnahmegebühr wird nicht erhoben.

Anmerkungen:
1 Thomas Welskopp: Jubiläen und Gedenktage als Anker der öffentlichen Erinnerungskultur, Vortrag auf der Herbsttagung der Fachgruppe Geschichtsmuseen im Deutschen Museumsbund vom 15. bis 17. November 2014 in Bielefeld, online unter: https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2018/05/2014-2-welskopp-gedenktage.pdf
2 Achim Landwehr: Mein Jahr mit Luther, online unter: https://meinjahrmitluther.wordpress.com/category/thesen-zur-geschichtskultur/

Programm

Donnerstag, 7. März

11:30 – 13:00:

Begrüßung der Organisator_innen (Christian Bunnenberg, Nils Steffen, Helen Wagner, Theresa Sisnaiske)

Keynote von Achim Landwehr (Düsseldorf)
Die Magie der Null. Zum Jubiläumsfetisch der Gegenwart

13:00 – 14:00

Daniel Benedikt Stienen (Berlin):
Der „große König“ als Marketing- und politische Legitimationsressource. 1840 als erstes „Friedrich-Jahr“ und seine Folgen

Ludmila Lunákova (Brünn):
Festtage des hl. Veit, Wenzel und Adalbert und ihre Rolle in den narrativen Quellen von Böhmen unter der Herrschaft der Premysliden Fürsten (bis 1198)

14:00 – 14:30: Kaffeepause

14:30 – 16:00

Axel-Wolfgang Kahl (Berlin):
Universitätsgeschichte als Legitimation für Reformen – die Universität Potsdam im Spiegel des 25-jährigen Jubliäums

Katharina Hopp, Thekla Keuck, Inga Lange, Marlene Schurig, Sinah Wirgenings (Bremen):
Von Bremen nach Gladbeck und zurück: Praxisprojekt „Gladbeck. 100 Jahre Stadt. 1919 bis 2019.“

Franziska Zollweg/Hendrik Heetlage (Hamburg):
Die Helmut-Schmidt-Stadt - Ein Praxisbeispiel für den Umgang mit Jubiläen und Gedenktagen aus Hamburg

16:00 – 16:30: Kaffeepause

16:30 – 17:30

Yvonne Ebeling/Olaf Löschke (Berlin):
Im Spiegel der Politik - Die Vereinbarkeit von Projekten und Gedenktagen anhand von Erfahrungen des HISTORIKERLABOR e.V.

Theresa Sisnaiske (Bochum):
Zwischen Ablehnung, Ergriffenheit und Fassungslosigkeit. Reaktionen auf die Erstausstrahlung der Serie "Holocaust. Die Geschichte der Familie Weiss" von 1979

Freitag, 8. März

09:30 – 10:30

James Krull (Bonn):
‘Erweckung eines vaterländischen Empfindens‘ – Der Nationale Gedenktag des deutschen Volkes 1950-1953

Benet Lehmann (Berlin):
50 Jahre Israel – Wie wird ein Jubiläum performt?

10:30 – 11:00: Kaffeepause

11:00 – 12:00

Heike Krösche (Linz):
Überlegungen zur Rolle und zum Potential von Gedenktagen für das historisch-politische Lernen

Frank Britsche (Leipzig):
Gedenkfeiern zwischen erinnerungspolitischem Anspruch und eventisierter Inszenierung

12:00 – 13:00: Mittagspause

13:00 – 14:00

Ron Heckler (Gießen):
100 Jahre Frauenwahlrecht: Ein Jubiläum ohne Jubel?

Kathrin Schwarz (Potsdam/Berlin):
Ein Jubiläum, dem Ort und Zeit fehlen? Zur Geschichte der Emanzipation jüdischer Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und der Schweiz. Ein Vergleich.

14:00 – 15:00: Abschlussdiskussion

Kontakt

Nils Steffen

nils.steffen@gmail.com

http://syp.hypotheses.org