Zeitdiagnose im Exil. Zur Deutung des Nationalsozialismus nach 1933. Band 36 der „Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus“

Zeitdiagnose im Exil. Zur Deutung des Nationalsozialismus nach 1933. Band 36 der „Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus“

Veranstalter
Rüdiger Hachtmann, Franka Mauchbach und Markus Roth
Veranstaltungsort
Ort
-
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.04.2019 -
Deadline
30.04.2019
Website
Von
Rüdiger Hachtmann, Franka Mauchbach und Markus Roth

Zeitdiagnose im Exil. Zur Deutung des Nationalsozialismus nach 1933
Band 36 der „Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus“

Lässt sich die Gegenwart schon zeitgenössisch verstehen? Oder bedarf es des zeitlichen Abstands, um politische und gesellschaftliche Entwicklungen erklären zu können? Einer Antwort auf diese Fragen möchten wir uns nähern, indem wir die Zeitdiagnosen untersuchen, die Exilanten und Emigranten nach 1933 vorlegten. Bis heute sind einige der Überlegungen zu den Ursachen der nationalsozialistischen Machtübernahme, zur Struktur des NS-Herrschaftssystems und zur Mentalitäts- und Erfahrungsgeschichte der Gesellschaft im Nationalsozialismus einflussreich. Jedoch reiften keineswegs alle zu Theorien oder fertigen Gedankengebäuden aus. Im 36. Band der „Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus“ möchten wir maßgebliche wie auch weniger bekannte Zeitdiagnosen neu in den Blick nehmen. Dabei beschränken wir uns nicht auf elaborierte intellektuelle Deutungen, sondern schließen Einordnungsversuche aus dem „Exil der kleinen Leute“ (Wolfgang Benz) in Tagebüchern oder Briefen ausdrücklich ein. Wichtig ist die Originalität der Diagnose.

Was waren die Bedingungen dafür, dass Exilanten und Emigranten in den jeweiligen Aufnahmeländern überhaupt intellektuell produktiv werden konnten? Zwar war es angesichts von Verfolgung und Flucht naheliegend, sich zu fragen, „wie es dazu kommen konnte“, aber längst nicht allen Vertriebenen gelang es, diese bohrenden Fragen in produktive Reflexionen zu übersetzen. Was war das eigentlich für eine „Bewegung“, die die „Macht“ nicht „ergriff“, sondern überreicht bekam? Was waren das für Eliten, die die Schalthebel der Macht der NS-Bewegung übergaben? Und was war das für eine Bevölkerung, die diese politische Entwicklung nicht nur tolerierte, sondern in Teilen aktiv unterstützte oder gar vorantrieb? Je nach individueller Vorgeschichte und sozialer und politischer Prägung fanden diese und weitere Fragen unterschiedliche Antworten. Die intellektuelle Produktivität von Exilanten und Emigranten entwickelte sich unterschiedlich, je nachdem, welche Möglichkeiten sich ihnen in den Ankunftsländern boten: Erhielten sie an einer – vielleicht sogar renommierten – Universität eine Professur? Oder mussten sie sich für den Broterwerb mit kurzfristigen Auftragsarbeiten durchschlagen? Konnten sie ihre Überlegungen (mit-)teilen und diejenigen anderer Emigranten rezipieren, fanden sie Resonanz? Wurden ihre Zeitdiagnosen in Netzwerken wie der „Frankfurter Schule“ diskutiert oder blieben sie vereinzelt?

Die individuellen oder auch kollektiven Deutungsversuche wurden maßgeblich von den Diskussionen in den Exilzirkeln und in den Aufnahmeländern geprägt – je nachdem, wohin es die Flüchtlinge aus Deutschland verschlug und welche Deutungen über den Nationalsozialismus dort kursierten: Stand das Aufnahmeland noch weitgehend am Anfang der Moderne, wie die kemalistische Türkei mit ihrem Hunger nach intellektuellen „Entwicklungshelfern“? Oder war es durch die westlich-bürgerliche Hochmoderne geprägt, wie die USA, Großbritannien, aber auch Schweden? Handelte es sich um ein vornehmlich katholisches, protestantisches oder um ein laizistisches Land? Daneben wirkten sich die biographischen Vorgeschichten auf die Zeitdiagnosen aus: Wie thematisierten die Akteure ihre Vertreibung, wie ihre alte und ihre neue Heimat? Vom NS-Regime als „Juden“ stigmatisierte Emigranten und Exilanten, aber auch die nicht-jüdischen, politischen Vertriebenen kamen nicht umhin, den Antisemitismus der Diktatur und schließlich den Holocaust zu thematisieren: Wie beeinflusste das ihre intellektuelle Produktion? Wo erkannte man Kräfte des Widerstands, und wie stellte man sich eine post-nationalsozialistische Gesellschaft vor?

Die vorstehenden Fragen können auch für Akteursgruppen und Netzwerke untersucht werden. Daneben begrüßen wir ausdrücklich Beiträge aus allen Disziplinen sowie transdisziplinäre Zugänge. Als Quellen sollten nicht nur veröffentlichte Zeitdiagnosen, sondern auch unveröffentlichte Manuskripte sowie nicht publizierte Fragmente, Briefe u.a. herangezogen werden.

Bitte übermitteln sie uns bis zum 30. April 2019 ein Exposé von maximal zwei Seiten, in dem Sie das Thema umreißen und Fragestellungen/Arbeitshypothesen sowie Quellenbasis vorstellen. Abgabetermin der Manuskripte (max. 60.000 Zeichen inklusive Leerzeichen und Fußnoten) ist der 1. Februar 2020, der Band wird im Spätsommer 2020 erscheinen.

Das Exposé sollte zusammen mit einer kurzen biographischen Notiz per E-Mail an folgende Adressen gehen:
hachtmann@zzf-potsdam.de, franka.maubach@uni-jena.de markus.roth@germanistik.uni-giessen.de

Programm

Kontakt

Rüdiger Hachtmann (ZZF):
hachtmann@zzf-potsdam.de,

Franka Maubach (Universität Jena): franka.maubach@uni-jena.de ,

Markus Roth (Universität Gießen): markus.roth@germanistik.uni-giessen.de


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Epoche(n)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung