Anarchistische politische Theorie und Gesellschaftstheorie

Anarchistische politische Theorie und Gesellschaftstheorie

Veranstalter
Prof. Tilman Reitz / Jonathan Eibisch, Institut für Soziologie, FSU Jena; Christian Leonhardt, Bremen
Veranstaltungsort
FSU Jena
Ort
Jena
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.10.2019 - 06.10.2019
Deadline
09.06.2019
Website
Von
Jonathan Eibisch / Christian Leonhardt

Wissenschafts-Workshop „Give the Anarchist a Theory!“

Während manche noch diskutieren, ob „anarchistische Theorie“ ein Oxymoron ist, ist für andere diese Thematik nach dem Hype vom David Graeber und einer Konferenz zum vermeintlichen „Anarchist Turn“ schon wieder ad acta gelegt. Zweifellos gibt es im letzten Jahrzehnt zunehmend mehr wissenschaftliche Publikationen zu anarchistischen Themen oder aus anarchistischer Perspektive. Diese finden sich jedoch fast ausschließlich im englischsprachigen Raum. Zu grundlegenden theoretischen Weiterentwicklungen anarchistischer politischer Theorie und Gesellschaftstheorie kam es jedoch auch dort nur sporadisch (z.B. Day 2005, Critchley 2008, Newman 2010, Clark 2013).
Der Workshop soll den Rahmen geben, um Interessierte aus diesen und verwandten sozialwissenschaftlichen Disziplinen in Austausch zu bringen. Daneben wollen wir uns der Frage widmen, ob es sinnvoll ist, anarchistische Ansätze in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zu entwickeln. Dazu wäre zu zu klären, welche Kriterien diese aufweisen könnten oder müssten. Wenn wir dies verwerfen, kann dennoch gefragt werden, was anarchistische Theorie ist und wie sie erneuert werden kann. Ziel des Workshops ist ausdrücklich auch die Vernetzung und der gegenseitige Austausch.

Dabei lässt sich ein ganzes Bündel an Fragen stellen, so beispielsweise:
Warum sind Landauers „Aufruf zum Sozialismus“ oder Kropotkins „Ethik“ heute hochaktuell und an welchen Beispielen lässt sich dies plausibilisieren und veranschaulichen? Wie lassen sich Foucault und Ranciére mit explizit anarchistischen Positionen in Dialog bringen oder verbinden? Adaptieren Bini Adamczak (2017), Simon Sutterlütti/Stefan Meretz (2018), Erik Olin Wright (2010) oder John Holloway (2010) wesentliche theoretische Figuren aus einem anarchistischen Verständnis von sozialer Revolution und ist dies begrüßenswert? Gibt es Studien zur Norm- und Rechtssetzung weitgehend hierarchiefreier Gemeinschaften?
Wie können Gentrifizierungsprozesse, die implizite Abschaffung des Asylrechts oder der massive Ausbau des Sicherheitsstaates mit anarchistischen Ansätzen theoretisch erfasst werden? Wie lassen sich Dynamiken sozialer Bewegungen und gesellschaftlicher Transformationsprozesse anarchistisch beschreiben, so zum Beispiel die Ereignisse des Arabischen Frühlings oder die sogenannte „Gelbwesten“-Bewegung? Welche anarchistischen Elemente weist die weltweite Klimagerechtigkeitsbewegung auf? Welche Verschiebungen hin zum härteren Autoritarismus finden in den USA unter Trump, in Russland unter Putin, in Brasilien unter Bolsonaro, in Italien unter Salvini und in der EU nach den letzten Wahlen statt? Und schließlich: Welche autoritären Politikstile lassen sich in der BRD beobachten – und welche anschlussfähigen libertär-sozialistischen Alternativen bestehen dazu?

Der Workshop richtet sich primär an Promovierende und Masterstudierende, steht darüber hinaus jedoch allen Interessierten aus der 'akademischen Reservearmee' oder StudienabbrecherInnen offen. Als Beiträge sind Kapitel aus Promotionsarbeiten, Exposés, Masterarbeitsthemen, Sammelbandartikel oder ähnliche Formate denkbar.
Ihre Vorstellung und Besprechung erfolgt im Format eines World-Cafés. Mehrere Vortragende stellen dabei parallel ihre Themen in 3 mal 30 Minuten vor. Die Teilnehmende ordnen sich zu den sie interessierenden Themen zu und haben pro Session die Möglichkeit, zwei mal den Tisch zu wechseln oder auch am selben Platz zu verweilen. Sinn dieses Formats ist es, den Beitragenden einen längeren Zeitraum einzuräumen, um ausgiebigere Nachfragen, Hinweise, Literaturempfehlungen, Kritik, Anregungen zu erhalten und mit den interessierten Teilnehmenden in eine intensive Diskussion über ihr jeweiliges Thema zu treten. Die genaue Ausgestaltung bleibt jedoch den Beitragenden überlassen.

# Beitragseinreichung, Anmeldung und Formelles

Die Beitragsvorstellung ist auf 20 Personen beschränkt. Dazu möchten wir ausdrücklich FLTI*-Personen ermutigen.
Bitte schickt eure Abstracts von maximal einer Seite Länge und gern einem Kommentar zum eigenen Interesse am Workshop bis zum 09.06. an: a-theory@posteo.de
Eine Rückmeldung erfolgt bis zum 31.07..
Eine Teilnahme ist auch ohne eigenen Beitrag mit Anmeldung möglich und sinnvoll. Schreibt dazu bitte bis spätestens zum 08.09. an: a-theory@posteo.de

Da wir mit diesem Format und Thema wohl nichts ganz Neues, jedoch etwas Seltenes wagen, freuen wir uns über eigene Vorschläge zur Programmgestaltung und aktive Partizipation.
Das Format des World-Cafés ist ein bewusst gewählter Vorschlag, den wir in Abhängigkeit von Anzahl und Art der Anmeldungen eventuell anpassen werden.

Für die Verpflegung erbitten wir einen erschwinglichen Unkostenbeitrag. Auf Wunsch können private Schlafplätze vermittelt werden. Eine Kinderbetreuung werden wir auf Anfrage versuchen einzurichten. Reisekosten und Unterkünfte können leider nicht erstattet werden.

Programm

# Infos zur Programmgestaltung

Der genaue Ablauf wird unter Einbeziehung von Anzahl und Art der Anmeldungen bis Ende Juli entworfen. Derzeit geplant sind eine öffentliche Podiumsdiskussion Freitagabend („Das Verhältnis von Anarchismus und Wissenschaft“), die Vorstellung der Beiträge in mehreren Sessions, eine gemeinsame Diskussion („Was ist anarchistische Theorie?“) und eine Gelegenheit für Skill- und Filesharing. Das Ankommen ist Freitag ab 15 Uhr möglich. Der Abschluss soll Sonntag 13 Uhr mit einem gemeinsamen Mittagessen sein.
Das Format des World-Cafés wie wir es uns vorstellen, lässt viel Spielraum zu eigenen Ausgestaltung. Wir erläutern unsere Vorstellungen dazu per Email näher. Vorschläge zu anderen Beitragsformaten können gegebenenfalls ebenfalls berücksichtigt werden.

# Literaturauswahl (keine Diskussionsgrundlage, sondern als Einstiegsmöglichkeit)

- Graham, Robert (Hrsg.), Anarchism. A Documentary History of Libertarian Ideas, Bd. 1-3, Montral/New York/London 2005; 2009; 2012.
- Levy, Carl/Adams, Matthew (Hrsg.), The Palgraves Handbook of Anarchism, New York/London 2018.
- Loick, Daniel, Anarchismus zur Einführung, Hamburg 2017.
- Marshall, Peter, Demanding the Impossible. A History of Anarchism, London/New York 2008.
- Milstein, Cindy, Der Anarchismus und seine Ideale, Münster 2013.
- Ward, Colin, Anarchism. A Very Short Introduction, Oxfort 2004.

- Blumenfeld, Jacob/Bottici, Chiara/Critchley, Simon (Hrsg.), The Anarchist Turn, London/New York 2013.
- Cantzen, Rolf, Weniger Staat – mehr Gesellschaft. Freiheit, Ökologie, Anarchismus, 3. Aufl., Münster 1997 [1987].
- Clark, John, The Impossible Community. Realizing communitarian Anarchism, New York/London 2013.
- Curran, Giorel, 21th Century Dissent. Anarchism, Anti-Globalization and Environmentalism, New York 2007.
- Day, Richard J.F., Gramsci is dead. Anarchist Currents in the Newest Social Movements, London/Ann Arbor 2005.
- Lundström, Markus, Anarchist Critique of Radical Democracy. The Impossible Argument, Stockholm 2018.
- Mümken, Jürgen, Freiheit. Individualität und Subjektivität. Staat und Subjekt in der Postmoderne aus anarchistischer Perspektive, Frankfurt a.M. 2003.
- Newman, Saul, The Politics of Postanarchism, Edinburgh 2010.
- Ritter, Alan, Anarchism. A Theoretical Analysis, Cambridge 1980.
- Portwood-Stacer, Laura, Lifestyle Politics and Radical Activism, New York/London 2013.
- Prichard, Alex et. al., Libertarian Anarchismus. Politics in Black and Red, New York 2012.

Kontakt

a-theory@posteo.de


Redaktion
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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