Der nationalsozialistische Krankenmord in Europa

Der nationalsozialistische Krankenmord in Europa

Veranstalter
Internationale Tagung des Fritz Bauer Instituts in Kooperation mit der Gedenkstätte Hadamar
Veranstaltungsort
Goethe-Universität Frankfurt am Main Campus Westend
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.06.2019 - 29.06.2019
Website
Von
Hannah Hecker, Fritz Bauer Institut, Goethe Universität

Dem Mordprogramm, das die Nationalsozialisten "Euthanasie" nannten, fielen zwischen 1939 und 1945 nach derzeitigem Kenntnisstand rund 300.000 Menschen zum Opfer: psychisch Kranke und geistig Behinderte, Männer, Frauen und Kinder. Der Krankenmord fand nicht nur in Deutschland statt, sondern war auch Teil der deutschen Kriegsführung in den überfallenen Ländern Europas. Während in Österreich, im Sudetenland und im Protektorat Böhmen und Mähren ebenso wie im »Altreich« in den Krankenanstalten gemordet wurde, kamen in den eingegliederten polnischen Gebieten auch mobile Gaswagen zum Einsatz; im Generalgouvernement, im Baltikum, in der Ukraine und anderswo in der besetzten Sowjetunion wurden die Kranken überwiegend von den Einsatzkommandos des Sicherheitsdienstes und der SS erschossen, vergast oder auf andere Weise ermordet. In Polen belief sich die Zahl der Getöteten auf schätzungsweise mindestens 17.000 Menschen, ebenso in der Sowjetunion, dort dürfte die tatsächliche Zahl jedoch noch deutlich höher liegen. Über das Schicksal der Anstaltsinsassen in den besetzten Gebieten in Westeuropa – vor allem in Belgien, den Niederlanden und in Frankreich – ist bis heute wenig bekannt.
Ziel der internationalen Tagung, die das Fritz Bauer Institut veranstaltet und dabei mit der Gedenkstätte Hadamar kooperiert, ist es, die Dimension des nationalsozialistischen Krankenmordes in Europa zu erschließen. Wer waren die Verantwortlichen? Unter welchen Umständen lebten die Kranken und welche Rolle spielte die Mangelwirtschaft im Krieg für ihre Lebensbedingungen? Welche Beziehungen bestanden zwischen Besatzungsregime und einheimischen Gesundheitsverwaltungen? Wie gingen die Krankentötungen vonstatten? Was lässt sich über die Reaktionen der Zivilbevölkerungen sagen? Und in welchem Bezug stand die Ermordung von Psychiatriepatienten und Heimbewohnern zum Massenmord an den Juden? Es geht darum, Antworten auf diese Fragen zu finden und auch Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Mordpolitik in Ost- und Westeuropa, in den annektierten und besetzten Gebieten herauszuarbeiten.

Programm

TAGUNGSPROGRAMM

Donnerstag, 27. Juni 2019
IG Farben-Haus, Nebengebäude, Raum NG 1.741a

14.00–14.30 Uhr
Begrüßung und Einführung
Sybille Steinbacher (Fritz Bauer Institut)
Jan Erik Schulte (Gedenkstätte Hadamar)

14.30–16.00 Uhr
Deutschland und Österreich
Moderation: Jan Erik Schulte (Gedenkstätte Hadamar)

Gerrit Hohendorf (München): Mitten in Deutschland – Die Vernichtung »lebensunwerten Lebens« im Deutschen Reich

Florian Schwanninger (Alkoven): NS-»Euthanasie« in der »Ostmark« – Orte, Dimensionen, Täterschaften

16.30–18.00 Uhr
Böhmen und Mähren
Moderation: Jörg Osterloh (Fritz Bauer Institut)

Hagen Markwardt (Pirna): Die Heil- und Pflegeanstalten des Reichsgaus Sudetenland im System der NS-Krankenmorde

Michal V. Šimůnek (Prag): Die »Euthanasieaktionen« in Böhmen und Mähren: Synergien und Differenzen

Freitag, 28. Juni 2019
Casino, Raum Cas 1.801

10.00–12.15 Uhr
Polen
Moderation: Roland Leikauf (Gedenkstätte Hadamar)

Robert Parzer (Wiesbaden): Regionaler Krankenmord mit europäischer Dimension: Die annektierten und besetzten polnischen Gebiete

Harald Jenner (Berlin): Meseritz – der unbekannte Tötungsort

Jan Daniluk (Danzig): Krankenmorde im Reichsgau Danzig-Westpreußen: Chronologie – Tatorte – Zahlen

14.00–16.45 Uhr
West- und Südeuropa
Moderation: Tobias Freimüller (Fritz Bauer Institut)

Isabelle von Bueltzingsloewen (Lyon): Massensterben in französischen psychiatrischen Anstalten unter NS-Herrschaft. Ereignisse und Interpretationen

Cecile aan de Stegge (Bunnik): Zum Anteil deutscher und niederländischer Täter an
Krankenmord, Mangelversorgung und dem Sterben in niederländischen Anstalten

Maria Fiebrandt (Dresden): Umsiedlung und Krankenmord. Südtiroler Umsiedler im Visier der NS-Psychiatrie

Casino, Raum Cas 1.801
17.30–19.00 Uhr
Öffentlicher Vortrag
Moderation: Sybille Steinbacher (Fritz Bauer Institut)

Walter H. Pehle (Dreieich-Buchschlag): Ernst Klee (1942–2013). Ein Pionier der medizinischen Zeitgeschichte

Samstag, 29. Juni 2019
Casino, Raum Cas 1.811

9.30–12.15 Uhr
Sowjetunion
Moderation: Jens Kolata (Fritz Bauer Institut)

Dmytro Tytarenko (Donetsk): Krankenmorde in der Ukraine unter der deutschen Okkupation: Opfergruppen, Akteure, Umstände der Vernichtung

Alexander Friedman (Saarbrücken): Die Einsatzgruppe B der Sicherheitspolizei und des SD und die Ermordung geistig kranker Kinder in Schumjatschi (Gebiet Smolensk) im November 1941

Björn Felder (Göttingen): Krankenmode in den baltischen Staaten unter nationalsozialistischer Besatzung: Deutsche und einheimische Akteure

12.30–13.00 Uhr
Schlussbemerkungen

Paul Weindling (Oxford): »Euthanasie« und Holocaust im NS-besetzten Europa

Wir danken Frau Dr. Dorothee Freudenberg für die Finanzierung dieser Tagung.

Kontakt

Hannah Hecker
Fritz Bauer Institut, Norbert Wollheim Platz 1, 60323 Frankfurt

sekretariat.steinbacher@fritz-bauer-institut.de


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Veröffentlicht am
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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