Wissenschaftliche Zeitlichkeiten der Moderne im Spiegel des Anthropozäns

Wissenschaftliche Zeitlichkeiten der Moderne im Spiegel des Anthropozäns

Veranstalter
Dr. Sina Steglich / Dr. Moritz Ingwersen
Veranstaltungsort
Universität Konstanz
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.09.2020 - 25.09.2020
Deadline
28.02.2020
Website
Von
Sina Steglich

Mit der Ausrufung des Anthropozäns wurde der Moderne eine neue Zeitlichkeit eingeschrieben, die den Menschen in geologische Formationsprozesse einbettet und nichtmenschliche Zeitskalen in den Vordergrund rückt. Oftmals datiert im 19. Jahrhundert, korrespondiert der vermeintliche Beginn des Anthropozäns mit einem Paradigmenwechsel innerhalb der Wissenschaften, durch den Zeit zum zentralen Definiens der Moderne wurde. Die Geologie ,entdeckte‘ die Tiefenzeit, die Evolutionsbiologie skalierte die Entwicklung von Lebewesen neu, die Gesetze der Thermodynamik fundierten die Definition eines linearen Zeitpfeils und die Philosophie und Geschichtswissenschaft setzten sich intensiv mit einer diagnostizierten Krise geschichtlicher Zeitlichkeit auseinander. So zeichnet sich das 19. Jahrhundert durch eine Vervielfältigung wissenschaftlicher Zeitlichkeiten aus, die das Verhältnis von Natur-, Lebens- und Geisteswissenschaften nachhaltig geprägt hat. Denn diese ‚neuen‘ Zeitlichkeiten lösten dabei nicht einfach ältere Formen ab, sondern erweiterten das Spektrum des Zeitdenkens und ermöglichten so entscheidend die Schärfung disziplinärer Grenzen und Selbstverständnisse. In der Folge bildete sich der Hiatus zwischen den empirische Naturforschung betreibenden Natur- und den diesen gegenübergestellten, anthropozentrischen Geisteswissenschaften aus, dessen Nachwirkungen bis heute andauern.
Eben diesen wissenschaftlichen Zeitlichkeiten möchte sich der Workshop widmen und eine Brücke zwischen den ‚zwei Kulturen‘ schlagen. Ausgangspunkt ist dabei die Frage nach disziplinspezifischen temporalen Ordnungssystemen, nach ihren Konjunkturen und dem Grad ihrer fachübergreifenden Produktivität. Im Spiegel des Anthropozäns möchte der Workshop damit Zeitkonzepte unterschiedlicher Wissenschaften in den Fokus rücken und auf ihre epistemische Eigenlogik sowie kontextgebundene Evidenz untersuchen.
Mögliche Fragen können sich dabei auf folgende Themen beziehen, sind jedoch nicht darauf beschränkt:
- Periodisierungs- und Epochenkonzepte
- Fortschritts- und Entwicklungsideen
- Narrative von Synchronizität und Diachronizität
- Umgang mit Pluritemporalität
- Auseinandersetzung mit dem Verlust der ,Natürlichkeit‘ von Zeit
- Differenzierung in eine vermeintliche Modernität und Prä-/Postmoderne
- Verhandlungen von Zeitlichkeit und Zeitkonzepten in Kunst und Literatur
- Manifestationen wissenschaftlicher Zeitlichkeiten in Technologie und Medien
- Entfremdung anthropozentrischer Zeitkonzepte (Tiefenzeit, nicht-menschliche Zeit)
- Rolle von Zeit/Zeitlichkeit in der Konzeptualisierung von Mensch-Umwelt-Beziehungen
- Vorgeschichten von Anthropozändenken
Ziel des Workshops ist es, durch den interdisziplinären Austausch zwischen der Wissenschaftsgeschichte, vor allem der Biologie, Anthropologie, Geologie und Physik, der Philosophie wie auch Geschichts-, Literatur- und Kunstwissenschaft für disziplinäre Eigenzeitlichkeiten zu sensibilisieren und die Kategorie Zeit als gleichsam kultur- und naturkonstituierenden Parameter ‚moderner‘ Wissenspraxis greifbar zu machen.
Der Workshop richtet sich an Nachwuchswissenschaftler*innen thematisch einschlägiger Disziplinen, so etwa der Anthropologie/Ethnologie, Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften, Philosophie und Geschichtswissenschaft, und wird vom 23.–25. September 2020 an der Universität Konstanz stattfinden. Als Diskussionspartner werden Prof. Dr. Eva Horn (Wien), Prof. Dr. Henning Schmidgen (Weimar), Prof. Dr. Erhard Schüttpelz (Siegen) sowie Dr. Patrick Stoffel (Lüneburg) als Keynotes am Workshop teilnehmen.
Interessierte senden bitte eine Themenskizze im Umfang von max. 500 Wörtern zusätzlich zu einer biographischen Notiz zusammengefasst in einem PDF-Dokument bis zum 28.02.2020 an moritz.ingwersen@uni-konstanz und sina.steglich@uni-konstanz.de

Programm

Kontakt

Sina Steglich

Universität Konstanz - Fachbereich Geschichte und Soziologie

sina.steglich@uni-konstanz.de