Modernität denken – technische, ästhetische und politische Perspektiven

Modernität denken – technische, ästhetische und politische Perspektiven

Veranstalter
Lehrbereichs Allgemeine Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin; Arbeitsbereich Wissenssoziologie und Gesellschaftstheorie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Veranstaltungsort
Institut für Sozialwissenschaften, Universitätsstraße
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.02.2020 - 29.02.2020
Von
Steven Sello

Der Begriff der Modernität ist nach den Diskussionen um Postmoderne erhalten geblieben, um einen immer noch zeitgenössischen gesellschaftlichen und kulturellen Zustand zu beschreiben. Er bezeichnet im Maximalfall permanente Innovation und signalisiert zumindest, dass traditionale Bestände nicht länger den Erwartungshorizont regulieren, sodass potentiell ständig alles im Umbruch ist, jede Wirklichkeit in einem Umfeld anderer Möglichkeiten erscheint. Auch Kernbegriffe des ‚spätmodernen‘ Selbstbewusstseins wie Leistung, Selbstverwirklichung oder Optimierung verweisen auf diese steigerungsoffene Kontingenz. Die Radikalität der fraglichen Innovation oder Neuerungsoffenheit ist allerdings deutlich daran gebunden, in welcher Weise Handlungen und Erwartungen sozial reguliert sind.

Der Fall moderner Kunst und Ästhetik hat paradigmatisch gezeigt, wie sich sinnliche und fiktionale Ordnungen von konventionellen Festlegungen ablösen lassen – mit der Grenze, dass irgendwann alle Erwartungen gebrochen und in diesem Sinn keine radikalen Innovationen mehr möglich sind. Die schwerfälligere und meist zweckgebunden beschränkte Entwicklung technischer Verfügungsmöglichkeiten scheint dagegen keine prinzipiellen sozialen Grenzen zu kennen. Trotz aller ökologischen Probleme ist nicht in Sicht, dass Gesellschaften ihre Möglichkeiten der Naturbeherrschung einschränken wollten. Einen anderen Fall bildet dagegen schließlich politische Modernität, die sich der Dynamik ästhetischer, technischer und anderer (etwa ökonomisch wettbewerbsorientierter) Innovationen oft zu verweigern scheint, da es normative und institutionelle Begrenzungen sowie die Orientierung an Sozialität und Reziprozität nicht zulassen, Verfügungsgewalt einfach zu erhöhen. Diese Besonderheit moderner Politik soll die Tagung im expliziten Vergleich mit den ‚Musterfällen‘ ästhetischer und technischer Modernität näher beleuchten.

Den Anstoß dafür, auf dieser Tagung die Gegenwärtigkeit der Moderne neu zu denken, geben neuere gesellschaftstheoretische Arbeiten von Michael Makropoulos, die im Gegensatz zu vielen politischen Theorien gerade die Kontingenzoffenheit technischer und ästhetischer, also sozialitätsentlasteter Weltverhältnisse betont haben.

Programm

28. Februar 2020
Ab 9 Uhr c.t. Begrüßung der Gäste
Hans-Peter Müller Eröffnung der Tagung

Panel 1: Technische Moderne (9:30 Uhr – 13:00 Uhr)
Chair: Cosima Langer
Stefan Meißner: Technische und posttechnische Modernität
Hannelore Bublitz: Das Archiv des Körpers: Technische Optimierung des Lebens in
der Moderne
Sophia Heinzmann: „Leben auf Ebenen verschiedener Abstraktion“ – Plessners
möglichkeitsoffener Mensch in der technisierten Moderne

Panel 2: Ästhetische Moderne (14:00 Uhr – 18:30 Uhr)
Chair: Jakob Schultz
Christoph Asendorf: „Das Fluide und die Frage der Formgebung“ – Über einen
Vortrag Helmuth Plessners und das Werk Mies van der Rohes
Bo Isenberg: Wirklichkeit und Möglichkeit. Musil, Babel und Roth
Dominik Schrage: Musikalische Reisen in neue Körper – Ästhetik und Politik in der
ländlichen Rockdiskothek der 1970er Jahre
Tilman Reitz: Die Zwänge der Avantgarde. Ästhetische Innovation und
politischer Möglichkeitshorizont

29. Februar 2020
Panel 3: Sozialtechnische und politische Moderne (9:30 Uhr - 14:00 Uhr)
Chair: Steven Sello
Rudolf Helmstetter: Kontingenzgymnastik, Konkurrenzathletik. Erfolgstraining und
Attributionszauber in der Ratgeberliteratur
Thies Hansen: Tinder, Konkurrenz und Kontingenz
Axel Paul: Kontingenzen der Geschichte zwischen „Urmensch und
Spätkultur“
Joachim Fischer:Heterogene Achsen sozialer Differenzierung. Überlegungen zu
einer realistischen Soziologie der Moderne

Kontakt

Steven Sello
Institut für Sozialwissenschaften
Lehrbereich Allgemeine Soziologie
Humboldt-Universität zu Berlin

Tel: 030 / 2093-66593
E-Mail: steven.sello@hu-berlin.de

https://hu.berlin/Modernitaet-denken-2020