Ideenwettbewerb "Wendezeiten: Einfluss und Strategie von Gewerkschaften in der ostdeutschen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft"

Ideenwettbewerb "Wendezeiten: Einfluss und Strategie von Gewerkschaften in der ostdeutschen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft"

Veranstalter
Hans-Böckler-Stiftung
Veranstaltungsort
Ort
Düsseldorf
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.05.2020 -
Deadline
25.05.2020
Website
Von
Dr. Michaela Kuhnhenne

Die Hans-Böckler-Stiftung schreibt einen Ideenwettbewerb für Forschungsideen zum Thema „Wendezeiten: Einfluss und Strategie von Gewerkschaften in der ostdeutschen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft“ aus. Skizzen für Forschungsprojekte können bis zum 25.05.2020 eingereicht werden. Ausgewählte Skizzen sollen zu Forschungsanträgen weiterentwickelt werden mit - im Falle der Bewilligung - der Perspektive auf Förderung ab September 2021. Die Projekte sollen in einem Forschungsverbund zusammengefasst werden.

Programm

Ideenwettbewerb
„Wendezeiten: Einfluss und Strategie von Gewerkschaften in der ostdeutschen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft“

Die Debatten und Berichte zu „30 Jahre Mauerfall“ haben deutlich gezeigt, wie stark die Geschichte des Umbruchs und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation in der DDR bis heute wirkt. Geschichte ist somit auch die Vorgeschichte aktueller Problemkonstellationen.

Welches Bild von Geschichte vermittelt wird, hängt auch von dem Wissen ab, das die historische Forschung zutage fördert. Die Rolle der Gewerkschaften und der betrieblichen Mitbestimmungsakteure während und nach der Deutschen Einheit ist bisher nur vereinzelt Forschungsgegenstand. Dieses Feld in der Forschung zur jüngeren deutschen Gewerkschaftsgeschichte sollte deshalb weiter ausgeleuchtet werden, denn Mitbestimmungsakteure waren maßgeblich eingebunden in die Abfederung von Massenarbeitslosigkeit, die Auflösung der betriebszentrierten sozio-kulturellen Strukturen in DDR-Betrieben, die Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zum Umbau oder Abwicklung industrieller Kerne und der öffentlichen Infrastruktur, und Mitbestimmungsakteure übernahmen auch wesentliche Funktionen in der Übertragung des westdeutschen Systems industrieller Beziehungen, u.a. des Tarifvertragssystems, auf Ostdeutschland.

Die Hans-Böckler-Stiftung fordert zur Einreichung von Projektskizzen auf, in denen für den Zeitraum Mitte der 1980er bis Ende der 1990er Jahre folgende Themenfelder und Fragestellungen adressiert werden:

1. Wirtschaftlicher Strukturwandel – Umbau industrieller Kerne und der öffentlichen Infrastruktur

Unter den Bedingungen der Marktwirtschaft und der Währungsunion war die DDR-Wirtschaft bereits zum Zeitpunkt der deutschen Einheit nicht mehr wettbewerbsfähig. Der Treuhandanstalt wurde seitens der Bundesregierung die Aufgabe übertragen, die volkseigenen Betriebe zu sanieren, zu privatisieren oder still-zulegen. Dies provozierte Konflikte und Widerstand. Als prägnante Beispiele für die Auseinandersetzung um den Erhalt industrieller Kerne sind zu nennen das Chemiedreieck in Sachsen-Anhalt, Werften, Bergbau, Stahl, Maschinenbau. Auch die öffentliche Infrastruktur – von der Abfallwirtschaft bis zum Gesundheitswesen – wurde in westdeutsche Strukturen überführt, in dem öffentliche Aufgaben privatisiert oder kommunalisiert wurden.

Deshalb besteht Erkenntnisinteresse über…
- alternative Konzepte für die ostdeutsche Wirtschafts- und Branchenstruktur und zur wirtschaftlichen Transformation seitens der Mitbestimmungsakteure in Betrieben und Gewerkschaften.
- Stärke, Richtung und Akteurskonstellationen bei gewerkschaftlichen Interventionen im Prozess des Strukturwandels und der Neuordnung.
- den gewerkschaftlichen Einfluss auf die Entscheidungen der Treuhandanstalt, z.B. auch über ihre Vertretung im Verwaltungsrat zum Erhalt industrieller Strukturen und Arbeitsplätzen.

2. Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsplatzverlust

Folgen der Schließung und Sanierung von Betrieben waren Massenentlassungen, Arbeitslosigkeit und der Abbau sozialer und kultureller betrieblicher Einrichtungen.

Deshalb besteht Erkenntnisinteresse über…
- gewerkschaftliche Strategien, um die Arbeitslosigkeit und den Abbau der soziokulturellen Infrastruktur abzufedern.
- den Einfluss von Gewerkschaften – auch in den Gremien der Bundesagentur für Arbeit – zur Entwicklung und Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen.
- den Ablauf der wirtschaftlichen und sozialen Transformation in Betrieben.

3. Mitbestimmung im Betrieb und Gewerkschaftsstrukturen

Noch zu DDR-Zeiten starteten betriebliche Initiativen zum Aufbau demokratischer Vertretungsstrukturen und zur Ablösung der alten FDGB Strukturen. Jedoch er-folgte spätestens mit Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland die Auflösung der ehemaligen FDGB Gewerkschaften und der Aufbau neuer Gewerkschaftsstrukturen durch den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften. Bei der Übertragung von gewerkschaftlichen Strukturen nach Ostdeutschland und dem dortigen gewerkschaftlichen Aufbau verfolgten der DGB und Gewerkschaften unterschiedliche Strategien. Partizipation und die Übernahme von Verantwortung in Mitbestimmungsfunktionen der Beschäftigten vor Ort und aus westdeutschen Gewerkschaften gestalteten sich unterschiedlich.

Deshalb besteht Erkenntnisinteresse über…
- die Perspektiven und Erwartungen der ostdeutschen Beschäftigten auf die westdeutschen Gewerkschaften.
- die Möglichkeiten und die Nutzung von Mitbestimmung in den Belegschaften. Wie und wo wurden Demokratie in Form von Partizipation und Mitbestimmung im Betrieb erfahrbar?
- Teils kam es zu Betriebsübernahmen durch Management buy out, weshalb sich die Frage der Auswirkungen von Rollenwechseln z.B. bei Aushandlungsprozessen in der betrieblichen Mitbestimmung stellt. Welches Rollenverständnis entwickelten Betriebsräte in Ostdeutschland?
- die Rolle des DGB und der Gewerkschaften bei der Übertragung des westdeutschen Mitbestimmungsmodells und dessen Implementierung in den Betrieben.
- die Strategien der Gewerkschaften und die Rolle von Betriebsräten bei Implementierung und Umsetzung von Tarifverträgen.
- Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Hintergründe von gewerkschaftlichen Strategien, die Auswirkungen des Aufbaus gewerkschaftlicher Strukturen in Ostdeutschland auf die gesamtdeutschen Gewerkschaftsstrukturen und Folgen für die Handlungsfähigkeit der gesamtdeutschen Gewerkschaftsarbeit.

Adressaten des Ideenwettbewerbs und Pläne für die Förderphase
Der Ideenwettbewerb richtet sich an Historikerinnen und Historiker sowie historisch arbeitende Sozial-, Arbeits- und Kulturwissenschaflter/-innen. Mikropolitisch angelegte Fallbeispiele zu einzelnen Betrieben sind möglich, sofern sie übergeordnete Fragestellungen verfolgen. Interdisziplinäre Forschungsansätze und eine intersektionale Perspektive sind erwünscht.

Die Hans-Böckler-Stiftung beabsichtigt, als Begleitstruktur der bewilligten Einzelprojekte einen Forschungsverbund anzustossen, der von ihr sowie einer Steuerungsgruppe geleitet und koordiniert wird. Im Forschungsverbund stehen übergeordnete Themenstellungen im Vordergrund. Darunter z.B. die Fragen, inwiefern Konzepte und Instrumente im ostdeutschen Strukturwandel auf frühere Erfahrungen im westdeutschem Strukturwandel z.B. im Ruhrgebiet beruhten oder inwiefern heutige politische Situationen in ostdeutschen Bundesländern durch frühere Erfahrungen – quasi in Langzeitwirkung – beeinflusst und geprägt sind.

Einreichung von Projektskizzen
Bitte reichen Sie Ihre Idee für ein Forschungsvorhaben bis zum 25.05.2020 unter https://www.boeckler.de/de/forschungsfoerderung-beantragen-2742.htm in Form einer elektronischen Projektskizze (direkter Link zum Formular: https://www.boeckler.de/de/erfassung-von-forschungsskizzen-2743.htm) ein. In der Projektskizze wird u.a. die Identifizierung von Forschungslücken erwartet. Umsetzungs- oder Evaluationsvorhaben können nicht gefördert werden.

Auf Ihre Projektskizze erhalten Sie eine Rückmeldung, ob eine Weiterentwicklung zum Vollantrag mit Perspektive auf Förderung ab dem 1. September 2021 möglich ist. Unter forschung-skizzen@boeckler.de stehen wir für Rückfragen zur Ver-fügung.

Kontakt

Dr. Michaela Kuhnhenne
michaela-kuhnhenne@boeckler.de
0211/7778-593


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