Justinian war einer. Friedrich II. der berühmteste. Oder auch Bonifaz VIII. und der walachische Woiwode Vlad Țepeș Draculea. Antichristen bevölkern die mittelalterliche Literatur und Geschichte. Der Antichrist kämpfte im geistlichen Spiel des Hochmittelalters und stand auf der Bühne des städtischen Fastnachtspiels im 15. Jahrhundert. Gesucht – und gefunden – spielte der Antichrist seit der christianisierten Spätantike in ganz unterschiedlichen machtpolitischen Konfigurationen seine Rolle. Die gesamte Neuzeit hindurch wurde er nicht nur mit einer Reihe von Herrscherpersönlichkeiten gleichgesetzt, sondern auch als Figur der Krise in Erinnerung behalten. Gerade die Wende vom langen 19. zum 20. Jahrhundert, insbesondere die Ereignisse rund um die Russischen Revolutionen von 1917 sorgte für eine umfassende Renaissance in Gestalt der zu befürchtenden weltumspannenden Gefahr des Bolschewismus. Insgesamt ist die Figur des Antichrist vor allem eine der gleichermaßen fruchtbaren wie „heillosen“ Übercodierung. Eine Möglichkeit, mit diesem Umstand umzugehen, besteht in der Fokussierung einer kulturgeschichtlichen Perspektive, also auf konzeptualisierende/operationalisierende anstelle rein instrumentalisierender Diskurse, die mit der Figur des Antichrist verbunden werden: Er kann in diesem Sinn nicht nur für zerstörende, sondern ganz im Gegenteil auch für kulturschaffende bzw. vor allem kulturell konstituierende Kräfte in Anspruch genommen werden, indem Horizonte aufgezeigt werden, welche nur „funktionieren“, wenn ihnen – zumindest implizit – auch Auswege beigegeben sind.
Das Symposion legt dabei einen Schwerpunkt auf das 15. Jahrhundert – also vor der eschatologischen Explosion der Reformationszeit. Zugleich sollen kulturgeschichtliche Ausleuchtungen aus ganz unterschiedlichen Regionen und Religionen Komplexität und Möglichkeiten des genannten kulturschaffenden Zugriffs aufzeigen. Als ein weiterer Schwerpunkt erweist sich dabei die antijüdische Konnotation des Antichrist.
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