Erfahrung und Erinnerung. Der Zweite Weltkrieg in Europa

Erfahrung und Erinnerung. Der Zweite Weltkrieg in Europa

Veranstalter
Deutsches Historisches Institut Paris und Militärgeschichtliches Forschungsamt Potsdam in Zusammenarbeit mit den Deutschen Historischen Instituten London, Moskau, Rom und Warschau und dem Institut d'Histoire du Temps Présent Paris
Veranstaltungsort
Deutsches Historisches Institut, 8 rue du Parc-Royal, 75003 Paris
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
03.04.2006 - 04.04.2006
Website
Von
Dr. Stefan Martens

Ziel des Kolloquiums

60 Jahre nach der Kapitulation der Wehrmacht und dem Zusammenbruch des NS-Regimes nimmt der Krieg einen zentralen Platz in den »kulturellen Gedächtnissen« der betroffenen Gesellschaften ein. Die zahlreichen Gedenkveranstaltungen, Fernsehsendungen und Kinofilme, die sich anläßlich des Jahrestages um den Krieg, nicht zuletzt sein Ende und den Neuanfang drehen, zeigen deutlich, wie sehr die Zeit beispielloser Gewalterfahrungen in den europäischen Ländern – aber nicht nur dort – nachwirkt, wie sehr der Krieg auch heute noch als das zentrale Ereignis der jüngeren Geschichte gilt, welche Bedeutungen er für die politischen und militärischen Kulturen der Nachkriegsgesellschaften besaß, nicht zuletzt, in welchem Maße die nationalen Identitäten seit 1945 durch die Erfahrungen und Erinnerungen an das Kriegsgeschehen geprägt worden sind – trotz oder wegen des Generationswechsels. Mehr noch : Der Zweite Weltkrieg und der mit ihm untrennbar verbundene Massenmord an den europäischen Juden ist – wenngleich auf ganz unterschiedliche Weise – ein gemeinsames historisches Fundament Europas. Daß die Einstellung vieler Menschen in Europa auch gegenüber aktuellen militärischen Entwicklungen im Erinnerungshorizont von 1939/45 liegt, hat die Debatte über die Beteiligung am letzten Golf-Krieg eindrucksvoll vor Augen geführt.

Zwar gibt es in der Weltkriegsforschung neuere nationalgeschichtliche Darstellungen, die auch der sozial-, mentalitäts- und erfahrungsgeschichtlichen Dimension des Krieges viel Platz einräumen; zwar gibt es auf dem Feld der Erinnerungsgeschichte neben nationalgeschichtlichen Analysen internationale Vergleiche der Erinnerungskulturen des Krieges. Doch trotz der historischen und gegenwärtigen Bedeutungen des Zweiten Weltkriegs mangelt es bislang an überzeugenden Studien, deren methodischer Ansatz darüber hinausführt und beides leistet :

- Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen in einem die »Zäsur« von 1945 übergreifenden Zugriff aufeinander zu beziehen, in der Annahme, daß die jeweiligen eigenen »Erfahrungen«, verstanden als Deutungen des Kriegsgeschehens, für bestimmte kulturell kodifizierte Erinnerungen disponieren, ohne daß diese indes aus jenen in einem dezisionistischen Kurzschluß abgeleitet werden könnten;

- diesen Prozeß des deutenden Umgangs mit der Kriegszeit vor und nach 1945 im europäischen Zusammenhang untersuchen, sei es mit dem bewährten Instrument des Gesellschaftsvergleichs, der erst das nationalgeschichtlich Besondere und das Allgemeine trennscharf erkennen läßt, sei es in einer transnationalen Perspektive, die Spezifika dieses Krieges jenseits staatlicher Grenzen herauszuarbeiten hilft.

Die theoretischen und empirischen Grundlagen für eine europäische Geschichte des Krieges auszubauen ist das Ziel des Kooperationsprojektes »Kriegserfahrungen und Kriegserinnerungen : Der Zweite Weltkrieg in Europa« des Deutschen Historischen Instituts Paris (DHIP) und des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Potsdam (MGFA). Erst eine europäische Erfahrungs- und Erinnerungsgeschichte des Krieges kann, so lautet die Annahme, zum einen dem komplexen Phänomen Krieg historiographisch besser gerecht werden – auch im Hinblick auf die nationale Geschichtsschreibung – und zum anderen den Krieg im historischen Bewußtsein der Europäer als ein unterschiedlich, gar gegensätzlich erfahrenes und erinnertes, gleichwohl gemeinsames Ereignis festhalten, sprich : zu einer wissenschaftlich fundierten Europäisierung der Kriegserinnerung beitragen.

Dazu sollen Historikerinnen und Historiker aus mehreren europäischen Staaten insbesondere durch das Zusammenwirken der verschiedenen europäischen Deutschen Historischen Institute sowie des französischen Institut d’Histoire du Temps Présent, im Frühjahr 2006 in Paris versammelt werden. Um über die Auswirkungen des Krieges in dem jeweiligen Land und dessen Erinnerungskultur im Wandel zu diskutieren, ist zunächst eine Bestandsaufnahme der verschiedenen Forschungen (Ansätze, thematische Schwerpunkte, Ergebnisse) und Klärung der theoretischen und methodischen Fragen erforderlich. Wichtig ist nicht nur, wie die Schlüsselwörter »Erfahrung« und »Erinnerung« zu verstehen sind – darüber wurde bereits viel geschrieben –, sondern auch, wie beides überzeugend in den doppelten, chronologischen und räumlichen Zusammenhang zu stellen ist. Kriegs- und Nachkriegszeit sollen daher zunächst in länderspezifischen Sektionen thematisiert werden. Die übergreifenden Aspekte sollen in den anschließenden Diskussionen, der »Conclusion« und schließlich in einem auswertenden schriftlichen Beitrag in den Blick genommen werden. Die Ergebnisse der Konferenz werden durch die Publikation der Beiträge einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Programm

Montag, 3. April 2006

8.30 -9.00 Ankunft der Teilnehmer

9.15 – 9.30 Begrüßung
Prof. Dr. Werner Paravicini (Direktor des DHI Paris)
Oberst Dr. Hans Ehlert (Amtschef des MGFA Potsdam)

9.30 – 10.00 Einleitung
Der Weltkrieg als Wegmarke einer europäischen Geschichte
Dr. Jörg Echternkamp (MGFA Potsdam)

Kaffeepause : 10.00 – 10.30

Erste Sektion : Benelux
10.30 – 12.00
Leitung : Prof. Pieter Lagrou (Université Libre de Bruxelles)

Dr. Benoît Majerus (Université du Luxembourg)
Imaginer l’occupation du Benelux 1933-1944

Dr. Chantal Kesteloot (Centre d’Études et de Documentation, Guerre et Sociétés contemporaines, Bruxelles)
Guerre et Commémorations. Historiens, pouvoirs politiques et opinion publiques
Diskussion

Mittagspause : 12.00-14.00

Zweite Sektion : Großbritannien
14.00 – 15.20
Leitung : Dr. Matthias Reiss (DHI London)

Prof. John Ramsden (Queen Mary University of London)
Myths and Realities of »the People’s War« in Britain

Dr. Mark Connelly (University of Kent)
»We can take it !« Britain and the Memory of the Home Front in the Second World War
Diskussion

Kaffeepause : 15.20 – 15.50

Dritte Sektion : Polen und Rußland
15.50 – 17.30
Leitung : Dr. des. Jochen Böhler (DHI Warschau)

Prof. Dr. Bernd Bonwetsch (Direktor DHI Moskau)
Dr. habil. Piotr Madajczyk (Polnische Akademie der Wissenschaften)
Kollektive und offizielle Kriegserinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Polen

Dr. Sergej Kudrjašov (DHI Moskau)
Kriegsgeschichte und Kriegserinnerung im heutigen Rußland
Diskussion

19.00 – 21.00
Abendempfang für die Referenten und Organisatoren
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Paris

Dienstag, 4. April 2006
9.00 Ankunft der Teilnehmer

Vierte Sektion : Italien
9.15 – 10.30
Leitung : Dr. Lutz Klinkhammer (DHI Rom)

Prof. Gabriella Gribaudi (Università di Napoli)
Bombardements et guerre terrestre en Italie : stratégie militaire, réactions et mémoire des populations

Dr. Filippo Focardi (Università degli Studi di Padova)
Italien als Besatzungsmacht auf dem Balkan : der Umgang mit Kriegserinnerung und Kriegsverbrechen nach 1945
Diskussion

Kaffeepause : 10.30 – 11.00

Fünfte Sektion : Frankreich
11.00 – 12.30
Leitung : Prof. Fabrice D’Almeida (Direktor IHTP)

Dr. Pierre Le Goïc (Brest)
Brest sous les bombes

Prof. Philippe Buton (Université de Reims)
Sorties de guerre en France
Diskussion

Mittagspause : 12.30 – 14.30

Sechste Sektion : Deutschland
14.30 – 17.00
Leitung : Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer (Universität Münster)

Dr. Dietmar Süß (Institut für Zeitgeschichte, München)
»Unter Bomben« : Luftkrieg, Öffentlichkeit und die Konjunkturen des Erinnerns

Prof. Dr. Axel Schildt (Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg)
Die langen Schatten des Krieges über der westdeutschen Gesellschaft

Prof. Dr. Dorothee Wierling (Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg)
Krieg im Nachkrieg. Zur öffentlichen und privaten Präsenz des Krieges in der SBZ und frühen DDR

Kaffeepause : 15.45-16.15

Diskussion : 16.15-17.00

Conclusion
17.00 – 17.30
Leitung : Dr. Jörg Echternkamp (MGFA),
Dr. Stefan Martens (DHIP)
Prof. Henry Rousso (Paris)

Öffentlicher Abendvortrag
18.00 – 20.00
Prof. Richard Bessel (University of York)
Violence and Victimhood : Looking Back at the World Wars in Europe

Empfang / Verre d’Amitié im DHI Paris

Kontakt

Dr. Stefan Martens
8 rue du Parc-Royal
75003 Paris

+33.1.44.54.23.89
smartens@dhi-paris.fr


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