»European Turn«? Auf dem Weg zu einem europäischen Geschichtsbewusstsein

»European Turn«? Auf dem Weg zu einem europäischen Geschichtsbewusstsein

Veranstalter
Institut für Europäische Geschichte Alte Universitätsstraße 19 55116 Mainz
Veranstaltungsort
Mainz
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.03.2007 - 30.03.2007
Von
Joachim Berger, Institut für Europäische Geschichte

Das Kolloquium »›European Turn‹? Auf dem Weg zu einem europäischen Geschichtsbewusstsein« ordnet sich ein in den am Institut für Europäische Geschichte neu eingerichteten Forschungsbereichs »Wertewandel und Geschichtsbewusstsein«, der Ausdrucksformen des Geschichtsbewusstseins und des historischen Selbstverständnisses im neuzeitlichen Europa auf die sie prägenden und von ihnen vermittelten Wertvorstellungen hin untersucht. Im Rahmen der eineinhalbtägigen Veranstaltung werden sich Referenten aus dem In- und Ausland aus unterschiedlichen Perspektiven mit Fragen der Entwicklung, des Stellenwerts und der Wirkung des Europagedankens in der Historiographie und im Geschichtsbewusstsein unterschiedlicher Gruppen beschäftigen.
Seit den sechziger Jahren wird der Begriff des »turn« immer häufiger verwendet – als Bezeichnung für eine Wendung, eine Verschiebung des Blickwinkels oder Zugangs, die »Indikator für die Erweiterung der geschichtlichen Wahrnehmungsweisen« (Karl Schlögel) ist. Die Tagung stellt zur Diskussion, inwieweit die sich seit dem 19. Jahrhundert intensivierenden Auseinandersetzungen mit dem Europagedanken in der Geschichtsschreibung und im Geschichtsbewusstsein als Elemente eines »European Turn« verstanden werden können. Die Frage nach dem Umgang mit dem Wert »Europa« und nach seiner Funktion in Geschichtsdarstellungen und speziellen Vermittlungsformen soll Aufschluss darüber geben, ob sich in der Historiographiegeschichte bereits Faktoren ausmachen lassen, die in Richtung eines »europäischen Geschichtsbewusstseins« weisen.
Mit dieser Thematik knüpft das Kolloquium an aktuelle Diskussionen über das europäische Geschichtsbewusstsein an, die allerdings bislang überwiegend von Geschichtsdidaktikern und Politikwissenschaftlern geführt werden und sich vor allem auf das gegenwärtige und zukünftige Geschichtsverständnis der europäischen Gesellschaften beziehen. Im Vordergrund stehen dabei meist Fragen der Geschichtspolitik, der kulturellen Identitäten und des öffentlichen Umgangs mit Geschichte in Gesellschaft, Publizistik und Schule. Da das Interesse an der Historiographiegeschichte grundsätzlich gewachsen ist, werden aber auch Fragestellungen beachtet, die sich auf spezielle Formen der Erinnerung oder des Gedächtnisses konzentrieren. Andererseits kann die Tagung an neuere Untersuchungen anschließen, die sich mit Europakonzeptionen in verschiedenen Ländern und mit der Auseinandersetzung einzelner Historiker mit dem »Phänomen Europa« beschäftigen oder die Europaidee unterschiedlicher Epochen untersuchen .
Während sich die Geschichtswissenschaft seit einigen Jahren verstärkt der Frage widmet, wie sich »europäische Geschichte« definieren lässt und welche Anforderungen in unseren Tagen an eine »europäische Geschichtsschreibung« zu stellen sind, ist die Position und Wirkung des Europagedankens in der Historiographie bislang wenig erforscht worden. Es fehlen Untersuchungen, die sich den Auseinandersetzungen mit der Europaidee in der Geschichtsschreibung und in der Geschichtskultur der Neuzeit in einem breiteren, vergleichenden Rahmen zuwenden. Inwiefern liefert die Historiographiegeschichte Ansatzpunkte für die (Re-)Konstruktion eines »europäischen Geschichtsbewusstseins«?
Das Kolloquium fügt sich in den Zusammenhang der Diskussion über das Geschichtsbild Europas und eine kritische Europageschichte ein. Jedoch gehen Fragestellung und Konzeption der Veranstaltung über die Untersuchung einzelner Europakonzeptionen hinaus und knüpfen an Forderungen nach einer »selbstreflexiven Historiographiegeschichte« (Konrad Jarausch) an, indem sich die Vorträge mit europabezogenen historiographischen Interpretationen, ihrer Vermittlung und Wirkung auseinandersetzen. Dabei gilt die Aufmerksamkeit weniger einzelnen Personen und ihrem Werk als vielmehr spezifischen Gruppen und Denkrichtungen sowie ihrer historiographischen Auseinandersetzung mit dem Europagedanken. Indem diese Fragestellung unter dem Aspekt der Erforschung von »Wertewandel und Geschichtsbewusstsein« im Hinblick auf einen möglichen »European Turn« und seine Wirkung betrachtet wird, führt die Tagung mehrer aktuelle Untersuchungsansätze zusammen und macht ihre Teilergebnisse für sich fruchtbar.

Programm

Tagungsprogramm

Donnerstag, 29. März 2007
14.00 Uhr
Heinz Duchhardt (Mainz)
Eröffnung der Tagung

Grundsatzvorträge
14.15 Uhr
Peter Krüger (Marburg)
Der Wert »Europa« – seine Bestandteile, Definitionen und Funktionen (aus geschichtswissenschaftlicher Sicht)

14.45 Uhr
Olaf Asbach (Augsburg)
Der Wert »Europa« – seine Bestandteile, Definitionen und Funktionen (aus politikwissenschaftlicher Sicht)
15.15 Uhr Diskussion der Grundsatzvorträge

15.45 Uhr Kaffeepause

Sektion I: Europa der Religionen (Moderation: Kerstin Armborst)

16.15 Uhr
Herbert Uerlings (Trier)
»Eine freie Verbindung selbstständiger, selbstbestimmter Wesen«. Friedrich von Hardenbergs (Novalis') Europarede
16.45 Uhr Diskussion

17.00 Uhr Aram Mattioli (Luzern)
Gonzague de Reynold als Vertreter eines rechtskatholischen »Abendland«-Denkens
17.30 Uhr Diskussion

17.45 Uhr
Ulrich Wyrwa (Berlin)
Der Europagedanke in der jüdischen Geschichtsschreibung
18.15 Uhr Diskussion

Freitag, 30. März 2007
Sektion II: Nationalität – Transnationalität – Europäizität (Moderation: Wolf-Friedrich Schäufele)

9.00 Uhr
Matthias Middell (Leipzig)
Das Verhältnis von nationaler, transnationaler und europäischer Geschichtsschreibung
9.30 Uhr Diskussion

9.45 Uhr
Sergey Glebov (Northampton, MA)
Das Europabild in der russischen Historiographie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts
10.15 Uhr Diskussion

10.30Uhr
Susan Rößner (Berlin)
Die Europarepräsentationen deutscher, britischer und niederländischer Historiker in der Zwischenkriegszeit
11.00 Uhr Diskussion

11.15 Uhr Kaffeepause

Sektion III: Der Europagedanke in unterschiedlichen Ausdrucks- und Vermittlungsformen von Geschichtsbewusstsein (Moderation: Malgorzata Morawiec)

11.45 Uhr
Bernd Schönemann (Münster)
Umsetzung und Vermittlung des Europagedankens in Schulbüchern

12.15 Uhr
Marie-Louise von Plessen (St. Firmin sur Loire)
Die Idee Europa im Museum

12.45 Uhr Diskussion der Vorträge der Sektion III und Schlussdiskussion

Leitung
Dr. Kerstin Armborst (armborst[at]ieg-mainz.de)
PD Dr. Wolf-Friedrich Schäufele (schaeufele[at]ieg-mainz.de)
Institut für Europäische Geschichte
Alte Universitätsstraße 19
55116 Mainz

Kontakt

Stefanie Wiehl

Institut für Europäische Geschichte
Veranstaltungen/Öffentlichkeitsarbeit
+49 (0)6131 – 39-39350
+49 (0)6131 – 39-35326
ieg4@ieg-mainz.de

www.ieg-mainz.de
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