37 Jahre nach der Aachener Ausstellung „Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit“1 stehen die Zisterzienser erneut im Mittelpunkt des Interesses. Diesmal sollte im LVR-Landesmuseum in Bonn jener Orden vorgestellt werden, der – so der problematische Untertitel der Ausstellung, der an späterer Stelle noch zu thematisieren sein wird – ein Europa der Klöster etabliert oder geschaffen habe. Um ein Verständnis für die zisterziensische Erfolgsgeschichte zu gewinnen, konzentriert sich die Ausstellung auf die mittelalterliche Blütezeit des Ordens und führt, um den Besuchern grundlegendes Wissen zu vermitteln, durch elf Themenbereiche. Dabei werden zentrale Eckpunkte herausgearbeitet und durch Exponate veranschaulicht: von der Gründung des Ordens, über den zisterziensischen Kirchenbau, dessen Liturgie, die Bedeutung und Funktion der Stifter, das konkrete Leben in der Klausur, die Stellung der Frauenklöster, die Rolle der Konversen, das wirtschaftliche Handeln und die Skriptorien bis hin zur Vorstellung von Bernhard von Clairvaux und seinem Reformeifer für die Kirche.
Untertitel dienen dazu, die Ausstellungsthemen zu fokussieren und zu präzisieren. Zum einen erfüllt der gewählte Titel aufgrund seiner inhärenten Unlogik diese Anforderungen nicht, denn bei einer Ausstellung über „Das Europa der Klöster“ dürfte nicht ein einzelner Orden, sondern eine geographische Ordenslandschaft im Mittelpunkt stehen. Zum anderen ist mit Blick auf das Ausstellungskonzept fragwürdig, ob eine europäische Perspektive allein dadurch erzielt werden kann, dass Exponate aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Polen, Schweden, der Schweiz, Italien und Deutschland gezeigt werden. Der Umgang mit dem Begriff „Europa“ erscheint hierbei sehr unreflektiert erfolgt zu sein. Zudem ist die Formulierung des Untertitels problematisch, da sie exklusivistisch und absolutistisch konnotiert ist und den anderen Orden ihre Bedeutung und ihre kulturelle Leistung für die europäische Gesellschaft abspricht. Der Tübinger Zisterzienserforscher Immo Eberl löste beispielsweise die europäische Perspektive eleganter und weniger exklusiv, indem er die „Geschichte eines europäischen Ordens“2 erzählt.
Den Kuratoren ist es an vielen Stellen gelungen, interessante, sehenswerte und außergewöhnliche Objekte in ihrer Ausstellung zu zeigen. So gehören beispielsweise das spätmittelalterliche Hochaltarretabel aus Kloster Kamp (Kat. 18), der Latrinensitz aus Heisterbach (Kat. 65), mehrere kunstvolle Antependien (Kat. 20, Kat. 80), ein Ziegel mit einem mittelalterlichen Mühlespiel (Kat. 42), ein Pluviale aus dem 15. Jahrhundert aus der Zisterzienserinnenabtei Grafenthal (Kat. 74) oder herausragende Handschriften, unter anderem aus Cîteaux (Kat. 118-121), zu den besonderen Exponaten dieser Ausstellung. Besonders interessant und auf jüngsten Forschungsergebnissen basierend ist der virtuelle Rundgang durch das Kloster Altenberg des 12. und 13. Jahrhunderts. Der große Bildschirm mit der Computeranimation ist umgeben von verschiedenen Fragmenten aus Altenberg, die an passender Stelle der Präsentation angestrahlt werden.
In der gesamten Ausstellung muss die Inszenierung und Präsentation der Exponate kritisiert werden, die der teilweise herausragenden Provenienz derselben nicht gerecht wird. Gepaart wird dieses Defizit mit einigen, den Besucher verwirrenden, auf Effekt abzielenden Akzenten, die sich an mehreren Stellen der Ausstellung finden, wie beispielsweise im Eingangsbereich: Vor der großen Abbildung der Chorruine von Kloster Heisterbach liegen Fenstermaßwerk-Fragmente (Kat. 1). Aus dem Begleitbooklet zur Ausstellung erfährt der Besucher, dass diese jedoch aus dem Kloster Altenberg und nicht aus dem die räumliche Wahrnehmung dominierenden und im Hintergrund abgebildeten Kloster Heisterbach stammen. Im ersten Ausstellungsraum des Obergeschosses wird durch eingespielten zisterziensischen Choral eine für die Bereiche Kirchenbau und Liturgie stimmige Atmosphäre erzeugt. Dies hätte noch mehr inszeniert werden müssen, indem die Besucher beispielweise nicht frontal vom Treppenaufgang auf die hölzerne Rückseite eines Dreisitzes aus dem Kloster Haina (Kat. 17) zulaufen, sondern in einer Flucht – sozusagen ein zisterziensisches Langhaus nachahmend – zu dem dahinter stehenden Hochaltarretabel aus Kamp geleitet werden.
Die einzelnen Bereiche – vor allem im ersten Ausstellungsraum – verschwimmen an vielen Stellen. Die Exponate sind oftmals so gestellt, dass ein Bereich den anderen unterbricht, wie exemplarisch beim Atzmann, einer Pultträgerfigur aus Sandstein aus Kloster Marienhausen. Im Ausstellungskatalog wird dieser dem Bereich Liturgie zugeordnet, befindet sich aber in der Ausstellung hinter dem Bereich der Stifter und neben einem Antependium aus dem Bereich des zisterziensischen Kirchenbaus. Ebenfalls wurde das bereits benannte Pluviale (Kat. 74) wegen seiner Provenienz im Ausstellungsbereich über Frauenklöster gezeigt und nicht – wie eigentlich passend – im Bereich über Liturgie. Insgesamt wurden die Exponate zu wenig in Szene gesetzt, sodass beispielsweise die Vitrine mit liturgischen Geräten eher einem überfüllten Sakristei-Schrank gleicht und dem Gezeigten nicht gerecht wird.
In dem der Ausstellung vorausgehenden Kolloquium, dessen Ergebnisse eigens publiziert wurden, verweisen in der Einleitung die Herausgeber auf die Spannung von Ideal und Wirklichkeit.3 Gerade diese Spannung hätte sowohl bei den liturgischen Geräten als auch bei den gezeigten Ornamentscheiben (Kat. 7) sichtbar und griffig herausgearbeitet werden können: Dem Ordensideal zufolge sollten die Fenster farblos sein. Bereits um 1251 – wie in diesem Fall exponiert – finden sich bunte Elemente in Fenstern. Anhand des ältesten mittelalterlichen Kelchs (3. Viertel 13. Jahrhundert) aus dem Zisterzienserkloster Marienstatt (Kat. 34) zeigt sich, dass das Ideal des konsequenten Verzichts auf Gold früh verworfen wurde. Manche Themenbereiche wurden sehr ausführlich, manche sehr knapp und selten in Kohärenz zueinander behandelt. Gerade die Sektion über Stifter und Konversen wurde sowohl in der Ausstellung selbst als auch im Ausstellungskatalog mit ein bis drei Exponaten sehr knapp gehalten. Für den Bereich der Konversen hätte – mit Verweis auf den Beitrag von Guido Gassmann im Kolloquiumsband – Neues und Innovatives aus der Forschung zu den Konversen exemplarisch vermittelt werden können.
Vor allem der Schlusspunkt der Ausstellung unter dem Motto ‚Ecclesia semper reformanda est‘ erscheint in der Gesamtkonzeption willkürlich und als erzwungener Versuch, dem Reformationsgedenken 2017 in irgendeiner Weise gerecht zu werden. Was als erwähnenswerte Besonderheit herausgearbeitet wurde, nämlich dass Martin Luther für seine Papstkritik das Mahnschreiben Bernhard von Clairvauxs an Papst Eugen III. zitierte, ist vor dem Hintergrund der spätmittelalterlichen Gelehrsamkeit und patristischen Affinität des Reformators keine außergewöhnliche Besonderheit. Georg Mölich schreibt als schlüssige Einleitung zu dieser letzten Sektion im Ausstellungskatalog, dass die Reformation drastische Auswirkungen auch auf den Zisterzienserorden hatte (S. 296). Aber warum wurden die Auswirkungen und Folgen der Reformation nicht in der Ausstellung thematisiert? Es wäre zudem die Erwähnung notwendig gewesen, dass der Zisterzienserorden auch am Abend der Reformation weiterhin Bestand hatte und sich im Barock zu neuer Blüte entfalten konnte. Durch diesen willkürlichen Schlusspunkt verlässt der Besucher die Ausstellung in der irrigen Annahme, dass die Reformation den Zisterzienserklöstern ein Ende gesetzt hätte und die Klosteranlagen Denkmäler längst vergangener Tage seien.
Auch das angebotene Begleitprogramm zur Ausstellung hat inhaltliche Stärken und Schwächen. Gelungen ist, dass beispielsweise an drei Terminen eine Abendführung mit musikalischem Nachtgebet angeboten wird oder manche rheinländischen Zisterzen gemeinsam mit dem Fahrrad erkundet werden. Neben interessanten Vorträgen, Konzerten und der Möglichkeit, Choral zu erlernen, werden auch Initial-, Kalligraphie- und Buchbindekurse angeboten, und ein gemeinsamer Familientag soll Jung und Alt in die Welt der Zisterzienser einführen. Fraglich jedoch, ja gerade diametral zur spirituellen Praxis der Zisterzienser, ist das Angebot, im Anschluss der Ausstellungsführung eine Einübung in die Gehmeditation zu erhalten, um – so die Beschreibung im Programm – ein geistiges, körperliches und seelisches Gleichgewicht herzustellen. Dass es jedoch beim betenden Meditieren den Mönchen und Nonnen nicht um sich selbst geht, sondern Gott gelobt und gesucht wurde, wird offensichtlich vergessen.
Die Ausstellung 1980 in Aachen lieferte nachhaltige Impulse für eine reflektierte Auseinandersetzung und für weitere Forschungen mit und über den Zisterzienserorden. Immerhin geben im qualitativ hochwertigen und gut strukturierten Ausstellungskatalog sowohl einige Essays – allen voran jene Beiträge von Markus Thome (S. 38–53), Stefanie Seeberg (S. 67–81), Nigel F. Palmer (S. 82–99) und Emilia Jamroziak (S. 114–121) – als auch die Aufsätze zu aktuellen Forschungen (S. 134–171) interessante Impulse und vermitteln neue Erkenntnisse. Interdisziplinäre Anstöße wird man von der Bonner Ausstellung nicht erwarten können. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass nicht berücksichtigt wurde, dass das Thema Zisterzienser nicht nur aus (kunst)historischer Perspektive analysiert werden kann, sondern auch der interdisziplinäre Dialog mit theologischen Fächern notwendig ist, will man einem solch europäischen Phänomen gerecht werden.4 Dennoch ist es eine lobenswerte und gute Intention, einen beinahe tausendjährigen Orden im 21. Jahrhundert einem breiten Publikum näher zu bringen und Grundinformationen durch Ausstellung und Publikationen zu vermitteln. Viele der kritisierten Punkte sind Ecken und Kanten, an denen sich fachkundige Besucher stoßen. Der Rezensent weiß darum, dass das Urteil durch einen ‚wissenschaftlichen Laien‘ in manchen Punkten anders, an vielen jedoch auch gleich ausfallen würde.
Anmerkungen:
1 Kaspar Elm / Hermann Josef Roth (Hrsg.), Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Rheinland 1981.
2 Immo Eberl, Die Zisterzienser. Geschichte eines europäischen Ordens, Ostfildern 2007.
3 Georg Mölich / Norbert Nussbaum / Harald Wolter-von dem Knesebeck (Hrsg.), Die Zisterzienser im Mittelalter, Köln 2017.
4 Unter den insgesamt 4 Kuratoren und 12 Personen im Wissenschaftlichen Beirat befindet sich ein über 80-jähriger Pfarrer und Kenner der Zisterzienser.