GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig / REINVENTING GRASSI.SKD 4

GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig / REINVENTING GRASSI.SKD 4

Veranstalter
GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
30.11.2023 -
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Paul Schacher, Leipzig

Unter dem Slogan „REINVENTING GRASSI.SKD“ verfolgt das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig eine konzeptionelle Neuerfindung. Im Juli 2022 habe ich an dieser Stelle bereits die ersten neugestalteten Ausstellungsbereiche besprochen.1 Der Wandel des Museums „zu einem Netzwerkmuseum, in dem verschiedene Stimmen zu Wort kommen und sich unterschiedliche Orte miteinander verbinden“2, so der Eigenanspruch, wurde seitdem mit neuen Projekten zur Forschung und Vermittlung, mit Rückführungen an Herkunftsgemeinschaften sowie der Überarbeitung der Dauerausstellung vorangetrieben. Seit Ende November 2023 lässt sich nun die vierte Teilneueröffnung mit zwei weiteren Ausstellungsbereichen besuchen. „(un)sichtbar“ nähert sich dem Themenkomplex Geschlecht und Sexualität an, während sich „Völkerfreundschaft“ mit Völkerkunde, ethnologischem Forschen und Ausstellen in der DDR beschäftigt. Im thematischen Bereich Asien ist weiterhin ein Teil der alten Dauerausstellung zu sehen, dessen Überarbeitung noch folgen soll.

Die Presse äußerte, wie bereits 2022, Zuspruch und Kritik. Nicola Kuhn stellte im „Tagesspiegel“ heraus, das Museum erscheine nicht länger als „autoritäre[r] Bildungstempel“, sondern biete sich als „Forum“ an, was in den neuen Ausstellungsbereichen überzeugend umgesetzt sei.3 Dagegen kritisierte Andreas Platthaus in der „FAZ“ eine „Nabelschau“ und beklagte eine vermeintlich im „Zeitgeist von Postkolonialismus und Diversität“ vorangetriebene „Dematerialisierung“ zugunsten einer „Legion“ an „Erläuterungen, Installationen und Fotodokumentationen“.4

Auf ein nach ethnischen Gruppen oder geografischen Aspekten gegliedertes Ausstellen möglichst vieler Objekte wird wie auch bei den vorhergehenden Teilneueröffnungen verzichtet. Die Ausstellungsbereiche nehmen sich dagegen Raum, um ausgewählte Dinge in bisher für Völkerkundemuseen ungewohnte Kontexte zu stellen und neu zu befragen. Beim Betreten des Ausstellungsbereiches „(un)sichtbar“ fällt der Blick der Besucher:innen zunächst auf einen Gipsabdruck der sogenannten Dresdner Symplegma. Der Abguss der griechischen Bronze aus dem 2. Jahrhundert vor Christus zeigt auf den ersten Blick eine erotische Szene. Wie die Beschilderung erläutert, waren „erotische Gruppen“ in der hellenistischen Zeit beliebt, und bis heute gehören sie zum visuellen Kulturgut. Doch verschleiere diese Umschreibung die dargestellte Vergewaltigung. Zudem erweist sich die vermeintliche Nymphe mit Merkmalen von Mann und Frau als Hermaphrodit.5 Passend appelliert die eingangs im Ausstellungsbereich angebrachte Texttafel, dass es „Zeit für einen Blickwechsel!“ sei, hin zur Betrachtung von „Geschlecht und Sexualität im Zusammenhang mit Macht, gesellschaftlichen Normen und kolonialen Verflechtungen“.


Abb. 1: Blick in den Ausstellungsbereich „(un)sichtbar“, im Vordergrund Abguss der Dresdner Symplegma
(Foto: Paul Schacher)

Welche Erkenntnisse durch einen Perspektivwechsel möglich sind, aber auch welche Herausforderungen entstehen, zeigt sich schon bei der ersten Vitrine. Verschiedene Akteur:innen wurden aufgefordert, Dinge der Sammlung neu zu betrachten. Diese Deutungen, „persönlich, assoziativ, lyrisch, künstlerisch oder wissenschaftlich“ (Texttafel), können die Besucher:innen in vor den Vitrinen angebrachten Heften nachlesen. Einiges zeigt für das Laienauge zunächst wenig Bezug zur Thematik. Die Perlen einer ausgestellten Kette, Uuputu, seien „im vorkapitalistischen Namibia als Währung benutzt“ worden, informiert der Beitrag von Medienwissenschaftler:in Noam Gramlich. Bei der Recherche stieß Gramlich auf die Zuschreibung der „heilenden und spirituellen Wirkung“ der Perlen. Aus ihnen gefertigte Armbänder trugen die Eenganga, „Heiler:innen“ bzw. „Wahrsager:innen“ (diese Begriffe stehen in der Ausstellung in Anführungszeichen). „[B]ei ihrer Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen“, kleideten sie sich „in einer Weise [...], die als weiblich gelesen wurde, verrichteten Arbeiten, die Frauen zugeordnet war, und schlossen Ehen mit Männern.“ (Hefttext) Mit der Verbreitung des Christentums seien solche „komplexen afrikanischen Vorstellungen von Geschlecht verboten“ worden. Die Genderforscherin Ute Kalender macht deutlich, dass mit dem Sammeln und Ausstellen auch Wissen über die Dinge verschwand. Bei dem von ihr gewählten Brustschmuck aus Polynesien bzw. speziell Hawaii ist nicht mehr bekannt, ob das Tragen einem Geschlecht vorbehalten war oder wie sich die Geschlechterordnung der Gesellschaft überhaupt gestaltet haben mag. Ihre Auswahl begründet sie damit, dass der Schmuck Assoziationen „an etwas vermeintlich Queeres, an ein Piercing, vielleicht sogar an ein[en] Dildo“ bei ihr wecke (Hefttext). Rhetorisch fragt sie, ob sie nicht ihr Verständnis über das Ding lege. Der Brustschmuck – und das gilt stellvertretend wohl für alle Dinge – könne „nur ein Einstiegs- und kein Endpunkt für Fragen dieser Art“ sein.


Abb. 2: „Gegenlesen“ – Dinge aus der Sammlung neu befragt
(Foto: Paul Schacher)

Einige weitere Segmente in diesem Ausstellungsbereich mögen nicht die aus Völkerkundemuseen gewohnten Objekte zeigen, wie die Kritik beanstandete. Doch stellen audio-visuelle Medien, wie sie hier gezeigt werden, einen Grundpfeiler ethnologischer Forschung und eine sinnvolle Ergänzung der Präsentation dar. So können Besucher:innen an einer Audiostation Interviews mit verschiedenen Akteur:innen zur weltweiten Wahrnehmung von Geschlecht hören. Unter dem Titel „Sworn Virgins“ zeigt die aus Bulgarien stammende Fotografin Pepa Hristova großformatige Porträts von Burrneshas – Frauen, die im Norden Albaniens leben und sich kleiden, leben, arbeiten und wahrgenommen werden wie Männer, also „im gesellschaftlichen und sozialen“ Sinn (Texttafel) Männer sind. In ebenfalls großflächigen Gemälden der Serie „Queerformat“ hält der Künstler Taha Bader Momente gleichgeschlechtlicher Zuneigung in Pakistan fest.

Gelungen ist in diesem Ausstellungsbereich nicht zuletzt die Gestaltung mit verspiegelten Wänden. Dadurch gerät der Blick immer wieder auf das eigene Bild, auf Gesicht, Kleidung, Körper, die hinsichtlich des Geschlechts gelesen werden, ebenso wie die in der Ausstellung gezeigten Menschen und Dinge.

Eine große Agavenpflanze markiert die raumgreifende Installation „Agave Land“ von Jul Zureck und Lazare Lazarus. Ausgehend von der Geschichte der Agave ordnen die beiden Künstler:innen Text, Bild, Video und immer wieder Pflanzenteile an. So betonen sie „Verflechtungen zwischen Kolonialismus und der globalen Kulturgeschichte der Agave“; sie „verhandeln das Verhältnis zwischen Menschen und Nicht-Menschen, zwischen Sexualität und Landschaft aus einer queeren Perspektive“ (Texttafel). In einer Vitrine im Zentrum der Installation hängen Sisal-Seile, an den Vitrinenscheiben sind Ausschnitte kolonialwirtschaftlicher Literatur zum Sisal-Anbau zu sehen. Die Agavenpflanze liefert die Rohfasern für Sisal. Deshalb war die mittelamerikanische Pflanze Ende des 19. Jahrhunderts vom deutschen Agrarwissenschaftler Richard Hindorf in die Kolonie Deutsch-Ostafrika gebracht worden, wo Hindorf an der Etablierung der Plantagenwirtschaft maßgeblich mitwirkte. Wie eine Videoarbeit über die Umbenennungsbemühungen zum Düsseldorfer Richard-Hindorf-Platz zeigt (der vorerst weiterhin so heißt), sind erinnerungskulturelle Spuren dieser Kolonialgeschichte in unserem Alltag sichtbar. Aus Marseiller Parks und Landschaften, in denen die Agave verwildert wächst, stammen von Lazare Lazarus künstlerisch bearbeitete Objekte und Grafiken, welche auf queere Intimität verweisen und so den Bogen zum Thema des Ausstellungsbereiches spannen.


Abb. 3: Einblick in die Installation „Agave Land“ von Jul Zureck und Lazare Lazarus
(Foto: Paul Schacher)

Am Ende des Bereiches „(un)sichtbar“ sind auf einer raumfüllenden Bildfläche mit dem Titel „FEMINISMUS FÜR ALLE!“ nicht nur Vorkämpfer:innen des Feminismus wie die Basketballspielerin Lusia Harris (1955–2022) oder die Arktis-Expeditionsteilnehmerin Ada Blackjack (1898–1983) abgebildet, sondern die Besucher:innen können sich mit handgeschriebenen Botschaften auch selbst äußern. 29 gezeigte Dinge aus der Sammlung verdeutlichen dazu noch einmal stellvertretend, „wie Vorstellungen von Weiblichkeit von historischen und gesellschaftlichen Strukturen sowie Glaubenssystemen abhängig sind“ (Texttafel).

Die Verantwortlichen haben sich dagegen entschieden, Begriffe wie Gender, Sexualität, Queerness eingangs umfassend zu erläutern. Im hinteren Teil der Ausstellung findet sich ein Lesebereich, in dem Informationen zu eben jenen Begrifflichkeiten ausliegen. Diese Zurückhaltung mag einige Besucher:innen überfordern. Allerdings kommen dadurch erst einmal verschiedene Stimmen zu Wort, und die Rezeption wird nicht vorstrukturiert; es können sich eigene Fragen und Assoziationen entfalten. Man wünscht sich mehr Antworten – im Sinne des neuen Museumsleitbildes ist dies aber wohl kein schlechter Effekt.


Abb. 4: „FEMINISMUS FÜR ALLE!“ lädt die Besucher:innen zur Beteiligung mittels Text und Zeichnung ein. Zu sehen ist außerdem der Lesebereich mit ergänzendem Material, im Hintergrund der Blick auf Vitrinen mit Dingen zur Vorstellung von Weiblichkeit.
(Foto: Paul Schacher)

Der zweite neue Bereich der Dauerausstellung trägt den Titel „Völkerfreundschaften. Ethnologie in Leipzig und der DDR“. Wie die eingangs platzierten Texttafeln erläutern, habe für die Ethnologie nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl die Herausforderung bestanden, sich aus der Verflechtung mit der „Rassen-Forschung“ des Nationalsozialismus zu lösen, als auch in der DDR dem Antirassismus und der sozialistischen Völkerfreundschaft zu dienen. Dass unter den Bedingungen der SED-Diktatur die Forschung im Feld nur begrenzt möglich war, wird in der Ausstellung ebenso deutlich wie die Sehnsucht nach der Fremde und dem Fremden, die mit einem Besuch im Völkerkundemuseum zumindest für ein paar Stunden gestillt werden konnte. Der Ausstellungsbereich ist dunkel gehalten, Furnierholz verweist auf die Ästhetik der späten DDR. Es wird darauf verzichtet, einleitend über die generelle Geschichte der DDR und ihre Kulturpolitik zu informieren. Etwas versteckt findet sich dazu ein Wandfach mit entnehmbaren Tafeln, die sich an die jüngeren Museumsbesucher:innen wenden.

Die frühere politische Überformung der Ethnologie zeigt sich im Ausstellungsbereich an verschiedenen Stellen. In zwei großen Vitrinen werden Staatsgeschenke an die DDR präsentiert. Zum Teil sind hier Arbeitsergebnisse heutiger Studierender aus einem Praxisseminar der Universität Leipzig in die museale Präsentation eingeflossen. Die Objekte sind nicht nur Zeugen zwischenstaatlicher Beziehungen, sondern belegen zugleich den Umgang mit dem eigenen kulturellen Erbe und eine sozialistische Zukunftsvorstellung.


Abb. 5: Geschenk der Sozialistischen Republik Vietnam aus den 1970er-/1980er-Jahren an die DDR; unter den Wappen der beiden Staaten am Vasenhals ist Erich Honecker prominent abgebildet.
(Foto: Paul Schacher)

Anhand ausgewählter Objekte wird die politisch forcierte Profilierung der DDR-Museen ab den 1950er-Jahren veranschaulicht. Museen in der DDR tauschten Objekte und arbeiteten so ein charakteristisches Profil heraus; in der Bundesrepublik begann dieser Prozess erst später, wie ein Text erklärt.

Über die staatlich gelenkte Kolonialismuskritik informiert eine kleine Vitrine mit Dingen wie Buttons oder Protestaufklebern. Die dazugehörige Texttafel verdeutlicht, dass sich die ethnologische Arbeit nicht in der Erfüllung der Politik erschöpfte, sondern dass durch ehrliches Interesse der Forscher:innen neue Ansätze entstanden, die denen in der Bundesrepublik mitunter voraus waren. Bereits in den 1970er-Jahren forschten DDR-Wissenschaftler:innen so „zu Themen wie kulturelle Selbstbestimmung, wirtschaftliche Entwicklung und Landrechte Indigener Gemeinschaften“ (Texttafel).

Der hintere Teil des Ausstellungsbereiches wird vom Nachbau eines Tipis dominiert. Wie die Texttafel dort erläutert, erwarb Zoodirektor Ernst Pinkert das Zelt 1886 von einer sogenannten Wildwest-Show, die in Leipzig gastierte, und schenkte es dem Völkerkundemuseum. Aus konservatorischen Gründen konnte es später nicht mehr ausgestellt werden. Die 1958 gegründete, bis heute existierende Interessengemeinschaft Mandanindianer Taucha (http://www.mandan-taucha.de, 29.02.2024) baute in den 1980er-Jahren und um das Jahr 2000 je ein Replikat für das Museum. Hier steht also die Indianistik in der DDR im Fokus.6 Interessierte fertigten Gegenstände und Kleidung im indigenen Stil, trafen sich zum Austausch und engagierten sich beispielsweise mit Vorträgen an Schulen, wie ausgestellte Handarbeiten, eine Hörstation mit Interviews und Fotografien zeigen. Bis 1989 in über 50 Klubs organisiert, nahm das Interesse in den 2000er-Jahren ab, doch nach wie vor gibt es entsprechende Vereine. Weil der – wie es im zeitgenössischen Sprachgebrauch hieß – „Indianer“ Symbolfigur für ein anderes, freies Leben im Einklang mit der Natur war, hatte die Indianistik in der sozialistischen Diktatur eine freigeistige Konnotation. Heute stelle sich die Frage, ob die Indianistik eine illegitime Form kultureller Aneignung darstelle und ob Aneignung nicht „auch Inspiration sein“ könne, „die kulturellen Austausch und Verständigung fördert“ (Texttafel). Diese Fragen bleiben unbeantwortet, doch eine in einem Interview zu hörende Indianistik-Anhängerin bremst eine vorschnelle Verurteilung: Karl May, erzählt sie, war bei ihren Indianistik-Freunden aufgrund seiner verbreiteten Stereotype unbeliebt. Und auch die Unterstützung der Klubs bei Hilfsaktionen für die indigene Bürgerrechtsbewegung in den 1970er-Jahren spricht für ein Bewusstsein der Komplexität indigenen Lebens.


Abb. 6: Blick in den Ausstellungsbereich. Vor dem Tipi ist die Hörstation mit Interviews einiger Indianistik-Anhänger:innen zu sehen, links gibt es Fotografien in selbstgefertigter Kleidung.
(Foto: Paul Schacher)

In einer Sofaecke kann man Erinnerungsberichten ehemaliger Museumsmitarbeiter:innen lauschen. Besucher:innen sind eingeladen, das über dem Tischchen angebrachte Mobile mit Tipps, Empfehlungen und Botschaften zu füllen. „Bring die Neugier von heute mit in deinen Alltag!“, forderte eine Karte beim Besuch des Rezensenten auf.


Abb. 7: Neben Interviews mit früheren Museumsangestellten und Lektüremöglichkeiten lädt die Sofaecke zum Meinungsaustausch ein. Die Stücke links im Bild erzählen von der Spezialisierung der DDR-Museen.
(Foto: Paul Schacher)

Bereits bei der ersten Teilneueröffnung 2022 war deutlich geworden, dass das Leipziger Völkerkundemuseum aktuelle Debatten aufgreift, aber keine eindeutigen Antworten gibt. Die Texte und Hinweise sind auf die Leitfragen der jeweiligen Ausstellungsbereiche fokussiert. Doch können über Touchbildschirme weitere Informationen zu den Themen und Objekten aufgerufen werden. Auch im Multimedia-Guide, der per Link oder QR-Code auf das Smartphone geladen werden kann (https://guide.skd.museum/de/Tour/Overview?id=898, 29.02.2024), können Besucher:innen Informationen individuell nachlesen, etwa zum Alter der ausgestellten Dinge, zur Verwendung oder zur Sammlungsgeschichte. Für jüngere Museumsbesucher:innen stellen an den Wänden angebrachte Fächer Grundbegriffe und Hintergründe zur Verfügung. Mitarbeiter:innen des Museums können jederzeit angesprochen werden. Zudem liegen vertiefende Lektüren bereit und bieten Anhaltspunkte für eine weitere Beschäftigung nach dem Museumsbesuch.

In der vorigen Rezension hatte ich angemerkt, es müsse ein Zugang zu den komplexen Themen gewährleistet sein und neben der Selbstdekonstruktion auch Raum für das (vermeintlich) Andere bleiben. Die neuen Ausstellungsbereiche bieten zusätzliche Perspektiven auf dieses (vermeintlich) Andere und zahlreiche Anknüpfungspunkte, um Neues zu entdecken. Deutlich wird, dass im Museum miteinander statt übereinander gesprochen wird. Anstelle einer glatten Narration werden Fragen aufgeworfen, kommen verschiedene Stimmen zu Wort, können auch manche Unverständlichkeiten auftreten. Im Sinne der neuen Selbstbildes des Museums als Ort des Austausches ist das überzeugend. Mit Blick auf den sich in Umfragen zur kommenden sächsischen Landtagswahl abzeichnenden Zuspruch zu einfachen Antworten und zur Abschottung vor der Komplexität der Welt macht es nachdenklich; auch deshalb, weil das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig als Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus unterstellt und von ihm abhängig ist.

Anmerkungen:
1 Paul Schacher, Ausstellungsrezension zu: GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig / REINVENTING GRASSI.SKD, in: H-Soz-Kult, 23.07.2022, https://www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/reex-130897 (29.02.2024).
2 REINVENTING GRASSI.SKD, in: Website des GRASSI Museums für Völkerkunde zu Leipzig, https://grassi-voelkerkunde.skd.museum/ausstellungen/reinventing-grassiskd/ (29.02.2024).
3 Nicola Kuhn, Ein Museum erfindet sich neu. Queere Sichten, offene Vitrinen, in: Tagesspiegel, 10.12.2023, S. 13.
4 Andreas Platthaus, Nabelschau in Leipzig. Zur Umgestaltung des Völkerkundemuseums, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.12.2023, S. 9; online unter dem Titel „Neuerfinden heißt Dematerialisieren“, https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/das-grassi-museum-fuer-voelkerkunde-will-sich-neu-erfinden-19411844.html (29.02.2024).
5 Siehe https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/166159 (29.02.2024).
6 Siehe u.a. Friedrich von Borries / Jens-Uwe Fischer, Sozialistische Cowboys. Der Wilde Westen Ostdeutschlands, Frankfurt am Main 2008.