Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde

Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde

Veranstalter
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.08.2015 - 22.11.2015

Publikation(en)

Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (Hrsg.): Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde. Dresden 2015 : Sandstein Verlag, ISBN 978-3-95498-142-7 312 S. € 29,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Zitha Pöthe, Technische Universität Berlin

Die Königin der Wissenschaften ist die Politik, schrieb einst Aristoteles. Seine Zeit begriff Politik als Männerdomäne. Seither gelang es selbst Königinnen nur selten, durch ihre Politik in die Annalen der Weltgeschichte einzugehen. Über das politische Handeln preußischer Fürstinnen wissen wir daher wenig. Um diese Lücke zu schließen, entwickelte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) die Sonderausstellung „FRAUENSACHE. Wie Brandenburg Preußen wurde“. Nicht der Abfolge großer Taten bedeutender Fürsten, sondern dem politischen Einfluss der weiblichen Mitglieder der Familie Hohenzollern auf das Werden des Staats Preußen soll auf den Grund gegangen werden. So will die SPSG das bestehende, unzeitgemäße Geschichtsbild korrigieren.1 Das Thema „Frauen in der Politik“ ist heute von allgemeinem Interesse. Warum deshalb insbesondere das Marketing der Ausstellung sich als problematisch erweist, wird am Schluss diskutiert.

Der Rundgang durch die Schau führt ins Hochparterre und ins zweite Obergeschoss des alten Theaterbaus am Schloss Charlottenburg. Etwa 300 ausgewählte Exponate öffnen fünf Themenräume: Wegmarken, Netzwerke, Spielräume, Geschichtsbilder und Weichenstellungen.

Wegmarken ordnet Objekte zu einer historischen Übersicht an, welche die Entwicklung bis zum Ende Preußens dokumentiert: ein eingeschlagener männlicher Schädel für den Dreißigjährigen Krieg, das Kronenfutteral Friedrichs I. für den Aufstieg Preußens zum Königreich, das Skizzenbuch eines Soldaten für die Befreiungskriege gegen Napoleon. Die Exponate stellen vom Ringen der ersten Hohenzollern um Legitimität bis zur Abdankung des Kaisers 1918 die männlichen Mitglieder des Hauses in den Mittelpunkt. Das Objektheft erwähnt zwar die bedeutende Rolle der Fürstin in der Familie und für dasWachstum des Staatgebiets. Aber einzig das Staatswappen Preußens von 1707 repräsentiert diesen Zusammenhang im ersten Raum.

Es hätte sich empfohlen, die „Wegmarken“ mit den im zweiten Obergeschoss gezeigten Geschichtsbildern zu verzahnen. Dort wird dem Wandel nachgespürt, dem das Bild der Fürstin in der Repräsentation des Hauses unterlag. Eine frühe Medaille zeugt noch vom Stolz der Herrscher auf die Ehefrauen und Mütter. Doch ab der Königskrönung 1701 wurden die Frauen aus dem Bild gedrängt – von ihren Männern, Söhnen und den Geschichtsschreibern. Die Fotografie „Vier Generationen Hohenzollern“ von 1882 hält das Ergebnis dieser Praxis fest: Sie zeigt, wie Kaiser Wilhelm I. seinen Urenkel hält und von Sohn und Enkelsohn flankiert wird. Die Szene vermittelt eine Botschaft, die so klar wie grotesk ist: Einzig die Männer sichern die Dynastie. Diese Form der Gedenkkultur gipfelte in einer schier endlosen Reihe männlicher Marmorskulpturen auf der ehemaligen „Siegesallee“. Auf die weiblichen Leerstellen in diesem Geschichtsbild macht die SPSG mittels temporärer rosafarbener Sockel im Schlosspark Charlottenburg, in der Zitadelle Spandau und vor der Villa Liegnitz in Potsdam aufmerksam. Als gelungenes Bildungsangebot historischer Genderforschung wären sie einzuordnen, wenn die Fürstinnen anhand ihrer Leistungen und nicht primär „als Frau von“ vorgestellt würden.

Netzwerke ist das Herzstück der Ausstellung. Dicht besetzte Familienbildnisse sprechen von Beziehungsgeflechten unter europäischen Herrscherfamilien. Es werden sieben Dynastien vorgestellt, mit denen die Hohenzollern sich von 1401-1918 mehrfach verbanden: die Gonzaga, die Wittelsbacher, die Oranier, die Hohenzollern, die Welfen, die Wettiner und die Oldenburger.

Die Verbundenheit der Familien dokumentieren verschiedene Geschenke. An einem silbernen Münzhumpen zur Geburt des Kurprinzen Karl Emil von Brandenburg wird gezeigt, dass die Verbindung zweier Familien erst durch die Geburt eines Thronfolgers irreversibel wurde. Exponate wie eine goldene Sänfte, Abbildungen von Ehrenpforten und Festzügen heben die Hochzeit als Wendepunkt im Leben der Fürstin hervor. Nicht zufällig ähnelt die Gestaltung des Raums dem Inneren eines Kirchenschiffs – mit dem prominentesten Exponat an der Stelle des Altars: dem zeremoniellen Beilagerbett der Hohenzollern. Erneut wird an die Bestimmung der Fürstin erinnert, einen Thronfolger zu gebären. Diagramme, Objekte und Ausstellungsarchitektur rücken die strukturelle Bedeutung der Frau als Vehikel der Heiratspolitik ins Zentrum der Narration.

Dagegen steht die Rolle der Fürstin als politische Akteurin in den Netzwerken hintan. Anzuführen wäre hier der Aufstieg der Barbara von Brandenburg in Mantua. Ein Zeugnis ihrer Politik ist im Mittelteil des Raums platziert. Dort liegt das mächtige Kurschwert Brandenburgs. Es wurde Barbaras Onkel Albrecht Achilles während eines Fürstentags in Mantua 1460 vom Papst übergeben. Den Fürstentag hatte Barbara organisiert. Wie sie mit ihrem Netzwerk zur einflussreichsten Vertreterin der Hohenzollern ihrer Zeit wurde, erwähnen jedoch weder Objektheft noch Audioguide. Das Kurschwert in einer Audiospur mit ihrer politischen Biografie zu verbinden, wäre ihr gerecht geworden. Allein der Katalog berichtet in einem spannenden Aufsatz über die Ereignisse.2 Die Ausstellung gibt der Brauttruhe von Barbaras Tochter den Vorrang.

In ihren sozialen Rollen als Tochter, Braut, Ehefrau, Mutter und Witwe bot der Hof ihres Mannes der Fürstin verschiedene Handlungsmöglichkeiten. Spielräume behandelt die meist streng abgezirkelten Bahnen ihres Lebens. Der wichtigste Lebensinhalt einer würdige Landesmutter war vor allem: „Mutter zu sein“, repetiert das Objektheft am Beispiel des Totenbildnisses von Magdalena Sibylla von Preußen.3 Als Inbegriff der tugendhaften Mutter zeigt das Cluster „Königin und erste Dame“ Königin Sophie Dorothea, als „Blüte Preußens“, in der Schar ihrer Kinder einen ausländischen Gast begrüßen.4

Dass die Fürstin es zu künstlerischer Meisterschaft bringen konnte, zeigt das Cluster „Politik oder Kunst?“. Ein anspruchsvolles Selbstporträt aus der Hand von Wilhelmine von Bayreuth wird als Bedeutungsträger vorgestellt, der ihren Unmut ob der unstandesgemäßen Heirat zum Ausdruck bring. Das Themengebiet Politik stellt Wilhelmine von Preußen vor, die Erbstatthalterin der Republik der Niederlande. Bedauerlicherweise fällt die Einordnung ihrer politischen Aktivitäten weit hinter den heutigen Forschungsstand zurück.5 Objektheft und Katalog sprechen ihr darüber hinaus rationales Handeln ab. Beide bewerten es mit Adjektiven wie „anmaßend“ und „empört“, die einer veralteten Geschichtsschreibung entlehnt sind.6

Die Raumfolge Weichenstellungen geht dem Gewicht der Fürstin für die Entwicklung des preußischen Staats nach. Am Anfang stehen zwei bedeutende Faktoren für Preußens Aufstieg: der reformierte Glaube und die Ausdehnung des Staatsgebiets. Das Cluster „Elisabeth verändert den Glauben“ widmet sich Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg, einer Bewunderin Martin Luthers, die unter Gefahren mit der römischen Kirche brach und so der Reformation den Weg ebnete. Unter dem Titel „Anna macht Brandenburg groß“ erfährt das Publikum, dass Anna von Preußen mittels ihrer Erbschaft und politischen Durchsetzungsfähigkeit das Staatsgebiet der Hohenzollern entschieden ausdehnte.

Die nachfolgenden „Weichenstellungen“ wirken ohne thematischen Bezug, auch weil auf weitere politisch tragfähige Initiativen nicht eingegangen wird. Der Bereich „Luise gibt Preußen ein Gesicht“ thematisiert Luises Verklärung als Antagonistin Napoleons und hebt gleichzeitig die Folgenlosigkeit ihrer politischen Bemühungen hervor.7 „Victoria verspielt gegen Bismarck“ führt gescheiterte politische Ambitionen der aus England stammenden Prinzessin vor Augen. Der Behauptung im Objektheft, sie habe sich „durch ihr arrogantes Auftreten alle[r] Gestaltungsmöglichkeiten in Preußen“ beraubt8, hält der Katalog entgegen, Victorias Pläne seien mit dem Tod ihres Mannes, des 99-Tage-Kaisers Friedrich III., geendet.9

Mein Fazit über die Ausstellung fällt ambivalent aus. Auf der einen Seite war es ein großes Desiderat der Forschung, den weiblichen Teil der Geschichte Brandenburg-Preußens in einer Gesamtschau zu thematisieren. Der Katalog trägt überwiegend wertvolle Forschungserkenntnisse zusammen. Auf der anderen Seite lässt die Ausstellung vermissen, was Titel und Ankündigungen in den Medien versprechen. Indem das Hauptaugenmerk auf der Darstellung traditioneller stereotyper Rollenzuschreibungen liegt, tritt die Politik der Fürstinnen nur am Rand in Erscheinung. Ihr politisches Handeln dann an emotionales Verhalten zu knüpfen, bedient unreflektiert ein Klischee tolerierter weiblicher Eigenschaften. Die SPSG trat mit dem Anspruch an, den Blickwinkel für die preußische Fürstin als Politikerin zu erweitern, und erweist sich selbst als Hindernis für das Vorhaben.

Auf die Frage, warum „FRAUENSACHE“ nicht ‚normal‘ über Politik informiert, liefert das Marketing der Ausstellung eine paradoxe Antwort: Erstmals werden Frauen als Zielgruppe einer Preußenausstellung angesprochen. Das ist leicht an der einseitigen, geschlechtsspezifischen Gestaltung festzumachen. Die Ausstellung tritt als durchgestaltete Marke auf. Rosafarbene Flaggen, Sockel und Plakate sowie Merchandising-Produkte im Barbie-Look sollen ein Identifikationsangebot schaffen, zum Besuch und Kauf animieren. Mit der Markenbotschaft – ja, es geht um Politik, aber feminin, verspielt, prinzessinnenhaft, und deshalb: nein, es geht nicht um wirklich ernste Dinge – will die SPSG bei Kundinnen punkten. Diese Merkmale charakterisieren auch die Hörführung, für die ein fröhlich-überspitztes Gespräch eines heterogeschlechtlichen Sprecherpaars gewählt wurde.

Die neue Marktfähigkeitsphilosophie öffentlicher Bildungseinrichtungen hat hier dazu geführt, dass Inhalte einem Marketing untergeordnet werden, das Geschlechtergrenzen zementiert. Aristoteles hätte das genauso gemacht, doch fortschrittliche Wissensvermittlung sieht anders aus.

Anmerkungen:
1 Alfred P. Hagemann / Nadja Bender, Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde, in: Museumsjournal 3/2015, S. 20-24.
2 Kristin Bahre, Barbara von Brandenburg, Markgräfin von Mantua, in: Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde, hrsg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dresden 2015, S. 100-110.
3 Nr. 182: Totenbildnis der Magdalena Sibylla in Preußen, Kurfürstin von Sachsen, 1659 (?), in: Objektheft zur Sonderausstellung „Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde“, hrsg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten.
4 Nr. 200: Sophie Dorothea von Hannover, Königin in Preußen, um 1728, in: Objektheft.
5 Zitha Pöthe, Perikles in Preußen. Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tores, Berlin 2014.
6 Nr. 228: Das Treffen Wilhelmines von Preußen (d. Ä.), Gemahlin des Statthalters der Niederlande, mit ihrem Bruder Friedrich Wilhelm II. in Kleve, um 1788, in: Objektheft; Vanessa Krohn, Oranje und Weißblau. Dynastische Verbindungen zu den Oraniern und den Wittelsbachern, in: Frauensache, S. 110-122, hier S. 111.
7 Nr. 279: Die Begegnung der Luise von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen, mit Napoleon, um 1840, in: Objektheft.
8 Nr. 293: Victoria von Großbritannien und Irland, später Deutsche Kaiserin/Königin von Preußen, 1883, in: Objektheft.
9 Frank Lorenz Müller, Frauenpolitik. Augusta, Vicky und die liberale Mission, in: Frauensache, S. 252-259.

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